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Düsseldorf 1929 (3): Kommunale Neugliederung

Was sich hinter dem etwas sperrigen und sehr bürokratischen Begriff „Kommunale Neugliederung“ verbirgt, ist eines der großen Themen des Jahres 1929. In diesem Jahr endeten vielen Traditionen und Selbstständigkeiten, von diesem Zeitpunkt an werden die Alteingesessenen sagen, das wäre ein großer Fehler gewesen. Am 1.August 1929 trat das „Gesetz zur Kommunalen Neugliederung des rheinisch-westfälischen Industriegebietes“ in Kraft und veränderte damit die Stadtgrenzen in zahlreichen Städten des heutigen Nordrhein-Westfalens und schuf sogar aus fünf Städten eine neue in der Nachbarschaft Düsseldorfs: Wuppertal (erst Barmen-Elberfeld) wurde (zwangs)geboren.
Ursächlich für diese Neugliederung war, dass die größeren Städte an Rhein und Ruhr immer mehr ins Umland gewachsen waren. Dadurch waren mehrere Probleme entstanden, die nach dem Krieg immer dringender wurden. Die Verarmung von Teilen der Bevölkerung stellte vor allem kleinere Gemeinden im Umland großer Städte vor große Probleme, der aufkommende Individualverkehr und stärker werdende Pendlervekehre verlangten nach einer strategischen Verkehrsplanung und die starke Modernisierungsbedüftigkeit der Infrastruktur und die gleichzeitige Belastung durch die Reparationszahlungen rief den Ruf nach Rationalität hervor. Außerdem waren die großen Städte sehr daran interessiert, die Steuern besonders vermögender Steuerzahler aus dem nahen Umland zu erhalten.
Düsseldorf hatte bereits 1909 mit mehreren Verträgen sein Stadtgebiet vergrößert und war durch die Eingemeindung von Heerdt/Oberkassel, Stockum, Rath, Gerresheim, Eller und Himmelgeist gewachsen. Anfang April 1922 wandten sich die Städte Essen, Duisburg und Düsseldorf an die Staats- und an die Besatzungsbehörden, um sich weitere Gemeinden „einzuverleiben“. Kaiserswerth, Lohausen, Kalkum, Wittlaer, Benrath, Garath, Baumberg und Monheim sollten zur Stadt hinzukommen. Doch aus den Plänen wurde erst einmal nichts, sie verschwanden in den Schubladen. Doch da blieben sie nicht lange: am 6.Dezember 1927 gab der preußische Innenminister in einem Erlaß den Auftrag die kommunale Neugliederung vorzubereiten. Am 25.Mai 1928 stellte Oberbürgermeister Lehr die Denkschrift der Stadtverwaltung vor: „Vorschläge der Stadt Düsseldorf zur kommunalen Neugliederung“: Die Vorstellungen der Stadt zogen sich von Angermund im Norden über Hilden im Osten, Monheim und Dormagen im Süden  bis nach Meerbusch einmal um die Stadt, lediglich Neuss blieb unangetastet, wäre dafür aber fast eingekreist gewesen.
(Die Karte orientiert sich an den „Skizzen zur Eingemeindung 1929“ [1], Abb.82, S.401] und ist stark schematisch. In beige die Stadtgrenzen vor 1929, in blau die Pläne der Stadt)

Es ist nicht verwunderlich, dass man damals angesichts dieser Vorstellungen der großen Städte vom „Kommunalen Imperialismus“ sprach. Der Oberbürgermeister argument- ierte, dass die Stadt Düsseldorf kaum noch Raum für Industrieansiedlung habe und deswegen Benrath/Reisholz brauche. Außerdem benötige die bergische Industrie einen neuen Industriehafen, der bei Urdenbach/Baumberg geschaffen werden sollte. Im Norden sollte vor allem neue, aufgelockerte Wohnbebauung entstehen, um die Mietskasernen in Düsseldorf zu entlasten, außerdem wollte er dort Industrieansiedlung verhindern, um deren Abgase bei Westwind nicht in der Stadt zu haben. Der Osten wurde ebenfalls zur „Wohn- und Erholungszone“ deklariert. Die Pläne stießen auf ein geteiltes Echo und Widerstände.
In Benrath bildete sich eine „bürgerliche Einheitsfront“ gegen die Eingemeindung, der Düsseldorf entgegen trat, indem es den Industriebetrieben (u.a. Henkel) Angebote und Versprechungen auf Vergünstigungen im Falle der Eingemeindung machte. Der Benrather Bürgermeister Custodis dachte derweil über eine Verfassungsklage nach. Im März sprachen sich Industrie- und Arbeitgeberverbände, das Handwerk, der Einzelhandel, DDP, DNVP, DVP und das Zentrum für die Selbstständigkeit der Stadt aus.
In Kaiserwerth standen sich Bürger und Geschäftsleute gegenüber. Die einen hofften auf Eigenständigkeit, die anderen tendierten zur Eingemeindung nach Düsseldorf. In Lohausen kämpfte man für einen Anschluss an ein selbstständiges Kaiserswerth und fürchtete beim Anschluss an Düsseldorf höhere Steuern und die „großstädtischen Immobilienmakler“.
Am 29.Juli 1929 waren schließlich alle Kämpfe vorüber. Der preußische Landtag beschloss in Abschnitt XII des „Gesetzes zur Kommunalen Neugliederung des rheinisch-westfälischen Industriegebietes“:

„§30. In die Stadtgemeinde Düsseldorf werden aus dem Landkreis Düsseldorf eingegliedert:
a) die Landgemeinde Benrath
b) die Landgemeinde Garath
c) die Landgemeinde Lohausen, die Stadtgemeinde Kaiserswerth und Teile der Landgemeinden Wittlaer und Kalkum gemäß Grenzbeschreibung der Anlage A des Gestzes unter XXVII
d) Teile der Landgemeinden Erkrath, Ludenberg, Schwarzbach und Eckkamp gemäß Grenzbeschreibung der Anlage A des Gestzes unter XXIX
§31. Die Grenze zwischen der Stadtgemeinde Düsseldorf und der Landgmeinde Büderich des Kreises Neuss wird (nur) berichtigt
§32. Das Amt Benrath des Landkreises Düsseldorf wird aufgelöst.“[2]

Link zur Karte bei Umap.Openstreetmap.fr.

(Die Karte orientiert sich an den „Skizzen zur Eingemeindung 1929“ [1], Abb.82, S.401] und ist stark schematisch. In rot die Altstadt innerhalb des alten Festungsrings, in blau die Stadtgrenzen bis 1909,  in beige  die Stadtgrenzen vor 1929 und in grün die Stadtgrenzen nach 1929)

Aber nicht nur für die eingemeindeten Städte und deren Traditionen war der 1.August 1929 ein tiefer Einschnitt. Auch die Düsseldorfer fürchteten sich um die Identität der Stadt. Bereits 1920 hatte sich die Bürgergesellschaft „Alde Düsseldorfer“ gegründet, 1922 entstand die Ortsgruppe „Heimatbund Alt-Düsseldorf“ des Rheinischen Heimatbundes, 1932 gründete sich der Heimatverein „Düsseldorfer Jonges“.[3]
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[1] Peter Hüttenberger: Düsseldorf. Geschichte von den Anfängen bis ins 20.Jahrhundert. Band 3: Die Industrie- und Verwaltungsstadt (20.Jahrhundert), Düsseldorf, 2.Aufl. 1990, S. 401.
[2] zitiert nach: Peter Hüttenberger: Düsseldorf. Geschichte von den Anfängen bis ins 20.Jahrhundert. Band 3: Die Industrie- und Verwaltungsstadt (20.Jahrhundert), Düsseldorf, 2.Aufl. 1990, S.406.
[3] Peter Hüttenberger: Düsseldorf. Geschichte von den Anfängen bis ins 20.Jahrhundert. Band 3: Die Industrie- und Verwaltungsstadt (20.Jahrhundert), Düsseldorf, 2.Aufl. 1990, S. 395-408.
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Tatort (9): Fall Schulte

Karte von Neuss und Düsseldorf.

Die gelbe Markierung im Südwesten markiert den Kirmesplatz in Neuss, im Nordosten ist der Luegplatz zu sehen. Den ungefähren Ort des Überfalls auf Gertrud Schulte markiert die nördliche blaue Markierung, die in der Mitte der Karte zeigt den ungefähren Ort des Überfalls auf Maria Maas.

Anmerkung: Aufgrund der Recherchen zum Fall Ida Reuter wurde die Markierung für den Tatort des Überfalls auf Gertrud Schulte auf die Wiesen nördlich der Oberkasseler Brücke gelegt und die Karte entsprechend verändert. (23.02.2011, 19:30 Uhr)

Die Akte (7): Anna Goldhausen, Olga Mantel, Heinrich Kornblum (21.August 1929)

Am 20.August 1929 fand in Lierenfeld ein Schützenfest und/oder eine Kirmes statt. In der folgenden Nacht, also in den frühen Morgenstunden des 21.August, kam es zu einer Serie von Überfällen auf heimkehrende Festbesucher. Die genaue Reihenfolge der Überfälle ist schwer zu ermitteln, daher wird hier Kürtens Sicht des Abends, wie er sie gegenüber Karl Berg äußerte, vertraut.[1]
Gegen 2.15 Uhr wurde die 18jährige Anna Goldhausen, nachdem sie sich von ihrer Freundin getrennt hatte, überfallen und in der Nähe ihrer Wohnung in der Gumbertstraße in den Bauch gestochen.[2] Sie lief zu ihrer Freundin zurück und wurde von dieser aufgefangen, als sie zusammenbrach. Mit Hilfe der Freundin wurde sie ins Krankenhaus gebracht, wo es „ärztlicher Kunst“ gelang, „sie am Leben zu halten“.[3] Kürten hingegen berichtete, die junge Frau sei lautlos zusammengebrochen und habe dann anschließend nach Hilfe gerufen.[4] Prof. Berg notierte später einen Stich in den „6.Zwischenrippenraum links, [der] Leber und Magen durchdrang und zu einem langwierigen Krankenlager führte.“[5]
Kürten ging anschließend zur Erkrather Straße, wo er auf Olga Mantel traf, die gegen 2.15 Uhr das Festgelände verlassen hatte. Er bot ihr seine Begleitung an, die 31jährige wechselte wortlos die Straßenseite und erhielt dann von Kürten einen Stich mit dem Dolch in den Rücken, links unter dem Schulterblatt. Die Wunde war nicht schwerwiegend.[6][7]
Der 30 Jahre alte Kaufmann Heinrich Kornblum verließ nach eigenen Angaben gegen 2 Uhr das Klubhaus des Sportvereins 04 Düsseldorf, wo sich das Festgelände befunden haben dürfte, als plötzlich ein Mann auf ihn zustürmte. Er floh und wurde schließlich beim Überklettern eines Zauns eingeholt und in den Rücken gestochen.[8] Mit dem Überfall auf Heinrich Kornblum beendete Kürten in dieser Nacht seine Aktivitäten., ohne das jemand tödlich verletzt worden war. Gegenüber Prof. Karl Berg sagte er zum restlichen Verlauf der Nacht:
„Den Dolch steckte ich in die Scheide und verbarg ihn an der Erkrather Straße. Ich sah noch, wie Arzt und und Krankenwagen ankamen und viele Neugierige herumstanden. Ich malte mir die Empörung der Bevölkerung aus und ging heim; es war 2 1/2 Uhr.“[9]
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[1] Karl Berg: Der Sadist, S.123f.
[2] Ernst Gennat: Die Düsseldorfer Sexualverbrechen, S.12.
[3] Kriminal-Magazin: Der Massenmörder von Düsseldorf, S.17
[4] Karl Berg: Der Sadist, S.124.
[5] Karl Berg: Der Sadist, S.80.
[6] Karl Berg: Der Sadist, S.124.
[7] Ernst Gennat: Die Düsseldorfer Sexualverbrechen, S.12.
[8] Ernst Gennat: Die Düsseldorfer Sexualverbrechen, S.12.
[9] Karl Berg: Der Sadist, S.124.
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Die vollen bibliographischen Angaben, soweit hier nicht genannt, sind am unteren Ende der Seite aufgeführt.

Die Akte (6): Maria Hahn (11.August 1929)

In den Tagen nach dem 11.August 1929 kam ein Mann irgendwo in Düsseldorf in ein Polizeirevier und gab eine Vermißtenmeldung auf. Er war Schriftsteller und hatte seinem Hausmädchen bereits gekündigt, weil er mit ihm nicht zufrieden war. An besagtem 11.August 1929, einem Sonntag, hatte das Hausmädchen Ausgang und war nicht zurückgekehrt. Man hatte es noch mit einem Mann in einem Sommerlokal zwischen Düsseldorf und Erkrath gesehen und seitdem war es verschwunden. Ins Elternhaus nach Bremen war es auch nicht zurückgekehrt. Die Vermißtenmeldung wurde aufgenommen, doch Maria Hahn blieb unauffindbar.[1][2]
Was war geschehen?
Mitte August, so die Angabe Peter Kürtens im Gespräch mit Prof. Sioli, habe er auf dem Hansaplatz ein Mädchen kennen gelernt, nachdem sie ihn angesprochen habe. Nach einer etwa halbstündigen Unterhaltung verabredeten die beiden einen Spaziergang am folgenden Sonntag im Neandertal. An diesem Tag fuhren die beiden ins Neandertal und gingen dann zurück in Richtung Erkrath. An der Stindermühle, einem bis heute[3] bekannten Ausflugslokal, machten sie zwei Stunden Rast. Dann ging es weiter und sie kamen zwischen Erkrath und Gerresheim am Haus Morp vorbei. Bei Papendell gingen beide in den Wald, um dort, so Kürten, einvernehmlich Geschlechtsverkehr auszuüben. Im Gegensatz zu Maria Hahn kam Kürten nicht zur sexuellen Befriedigung. Sie gingen dann ein Stück weiter und dann begann Kürten das Hausmädchen zu würgen. Anschließend stach er mit der Schere zu und trank aus der Halswunde.[4] Aus der Aussage Kürtens:
„Ich hatte der Hahn zuerst eine Verletzung am Halse beigebracht. Aus dieser Verletzung habe ich Blut in mich aufgenommen von der Hahn, größere Mengen. (Frage [von Prof. Sioli, Anm. JNK]: Sie meinen getrunken?) Ja. Hierbei trat die Auslösung der sexuellen Erregung ein. Das getrunkene Blut habe ich nachher wieder ausgebrochen.“[5]
Nach dem Mord nahm Kürten die Handtasche, in der unter anderem der Hausschlüssel und eine Uhr waren, an sich, warf sie aber in der Nähe in ein Feld.[6] Dann ging Kürten nach Hause und kam am nächsten Abend wieder. Die Leiche war unberührt und Kürten kam auf die Idee sie zu beerdigen. Also lief er wieder nach Hause, holte eine Schaufel und begann, als die Kirchen in Erkrath Mitternacht schlugen, in der Nähe ein Loch zu graben. Die Idee, den Leichnam mit Hilfe von Haken und Schnüren an einem Baum aufzuhängen, verwarf er. Nachdem er das Grab ausgehoben hatte, trug er die Leiche dorthin und begrub sie. Sein blutiges Hemd wusch er anschließend in einem nahen Bachlauf, versteckte die Schaufel und ging dann zur Arbeit.[7]
Da Kürten die Leiche der Maria Hahn vergrub, fiel der Mord nicht auf, erst im November wurde sie gefunden. Prof. Berg stellte bei der Obduktion drei Stichwunden in der Schläfe, sieben oberflächliche Stichwunden am Hals und zehn Stichwunden in der Brust, von denen zwei ins Herz drangen, fest. Ein sexueller Missbrauch wurde nicht fest- gestellt.[8]
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[1] Kriminal-Magazin: Der Massenmörder von Düsseldorf, S.24f.
[2] Karl Berg: Der Sadist, S.97.
[4] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.208f.
[5] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.209.
[6] Karl Berg: Der Sadist, S.122.
[7] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.210ff.
[8] Karl Berg: Der Sadist, S.98.
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Die vollen bibliographischen Angaben, soweit hier nicht genannt, sind am unteren Ende der Seite aufgeführt.

Die Akte (5): Witt, Maas, & das Mädchen aus der Freytagstraße (Juli 1929)

Nach den Februarmorden beging Kürten nach eigenen Angaben keine weiteren Straftaten und auch Versuche blieben aus. Erst im Juli 1929 wurde er wieder aktiv, doch es fiel zunächst nicht auf, da er keine Morde begang.

Anfang Juli lernte er die Hausangestellte Maria Witt kennen und traf sich öfter mit ihr in der Heinrichstraße. Er stellte sich ihr als Kettler und pensionsberechtigter Schlosser beim Gaswerk vor. Am 11.Juli 1929 wollte er mit ihr nach Kaiserswerth gehen, als sie in der Graf-Recke-Straße plötzlich seiner Frau begegneten. Kürten schlug seiner Frau die Rose, die Maria Witt ihm mitgebracht hatte, ins Gesicht und ging davon. Seine Frau wiederum schlug nach Aussage der Hausangestellten dann der Nebenbuhlerin ins Gesicht. Vermutlich war Maria Witt nicht froh über den Ausgang des Sonntags, doch im Nachhinein wird sie Kürtens Fraus sehr dankbar gewesen sein: Peter Kürten hatte an diesem Tag seine Schere dabei.

 

Am 11.Juli 1929 oder 21.Juli (Karl Bergs Angaben und sein Kürten-Zitat zum Datum widersprechen sich hier) traf Kürten Maria Maas und ging mit ihr zur Heerdter Kirmes. Ihr hatte er sich als Fritz von der Post vorgestellt. Auf der Kirmes kaufte er ihr Pfirsiche und anschließend gingen sie zu den Rheinwiesen. Dort versuchte er sie zu würgen, doch die Frau wehrte sich und lief zu einem Zelt in der Nähe. Bei der Polizei meldete sie Kürtens Übergriff nicht.

Am 28.Juli 1929 lernte Kürten ein Mädchen in der Freytagstraße kennen und ging mit ihr zum Feuerwerk an die Rheinwiesen. Als er versuchte sie zu würgen, lief es schreiend davon. Ihren Namen wusste Kürten nicht.

Tatort (5): Witt, Maas & das Mädchen aus der Freytagstraße

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[1] Karl Berg: Der Sadist, S.120f.

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Die vollen bibliographischen Angaben, soweit hier nicht genannt, sind am unteren Ende der Seite aufgeführt.

Die 20er Jahre (2) | Lichtbild (3): Düsseldorf International

Blick auf den Düsseldorfer Flughafen im Jahr 1932 (Blickrichtung: Westen). Während die Terminals heute in Unterrath liegen, lagen die Flughafengebäude damals noch bei Lohausen. Links die Abfertigung (früher Luftschifferkaserne), in der Mitte die Verwaltung, Rechts die Hangars und einige Flugzeuge. Darüber ist die heutige Stadtbahnlinie nach Duisburg (U79) zu erkennen, dahinter liegt die „Fliegersiedlung“, deren Straßen die Namen berühmter Flieger trugen. Ganz oben ist die Lohauser Kirche zu sehen.
Das Jahr 1926 war die Geburtsstunde von „Düsseldorf International“, dem Flughafen der Stadt. Schon früher hatten sich Stadt und vor allem die Oberschicht luftfahrtbegeistert gezeigt und im Ersten Weltkrieg war auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz Lohhausen ein militärisches Fluggelände entstanden. Doch auch hier brachte das Kriegsende einen Rückschlag. Das Reich verlor die Lufthoheit über dem Rheinland und die Besetzung durch die Franzosen tat ihr übriges, um die Pläne eines Flughafens zu verhindern. Flugplätze in Westdeutschland wurden als direkte Bedrohung Frankreichs wahrgenommen. Im August wurde das Areal in Lohausen immerhin zum Notlandeplatz hochgestuft. Am 6.Januar 1926 wurde die Deutsche Lufthansa gegründet und im Mai des Jahres rückte Düsseldorf-Lohausen zum Verkehrslandeplatz auf. Das Reich und der preußische Staat planten allerdings nicht mit Düsseldorf, sondern erkoren Köln und Essen-Mühlheim zu den zentralen Flughäfen für Rheinland und Ruhrgebiet. 1927 gründete die Stadt schließlich die Flughafenbetreiber- gesellschaft mbH und am 20./21.Mai des Jahres überquerte Charles Lindbergh den Atlantik. Dem Flugverkehr schien keine Grenzen mehr gesetzt. 1929 folgte schließlich der Durchbruch für Düsseldorf-Lohausen: Die belgische Fluggesellschaft Sabena flog den Flughafen nun an und auch die Lufthansa verlegte im März des Jahres nach Protesten aus der Wirtschaft sechs Linien nach Düsseldorf. In diesem Jahr kamen 1034 (1930:1799) Personen in Düsseldorf an, 976 (1930: 1923) flogen ab und 876 (1930: 1208)Passagiere stiegen um.[2]

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[1] Plan & Karte Münster: Luftaufnahme des Flughafens 1932, Aufnahmedatum 1932, Bildersammlung des Stadtarchivs Düsseldorf, Bildnummer: 056 700 007.
[2] Peter Hüttenberger: Düsseldorf. Geschichte von den Anfängen bis ins 20.Jahrhundert. Band 3: Die Industrie- und Verwaltungsstadt (20.Jahrhundert), Düsseldorf, 2.Aufl. 1990, S.383f.
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Düsseldorf 1929 (2): Wirtschaftslage

Wirtschaft und das Jahr 1929 in einer Überschrift, das ruft ein deutliches Bild hervor: Der schwarze Freitag. Aber zunächst soll die Blick auf den Anfang der Weimarer Republik gerichtet werden. Mit dem Kriegsausbruch 1914 gab es in der Düsseldorfer Konjunktur einen leichten Abfall, bevor dann der Rüstungsmotor des Ersten Weltkrieges ans Laufen kam. 532 metallverarbeitende Unternehmen produzierten zwischen 1914 und 1918 Rüstungsgüter und beschäftigten 90.000 Arbeitskräfte, das waren doppelt so viel wie 1913. Aufgrund dieses hohen Bedarfs an Arbeitskräften wurden zunehmend Frauen, Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter eingesetzt. 31% aller Arbeitskräfte waren 1918 in Düsseldorf Frauen. Die Haushaltsbelastungen der Stadt fielen trotz des Krieges vor allem aufgrund der Rüstungsbetriebe und ihrer Steuern gering aus, im Gegensatz zu anderen Städten im Kaiserreich. 
Mit dem Kriegsende folgte bei den Rüstungsbetrieben eine Entlassungswelle, gleichzeitig waren alte Außenhandels- beziehungen der Stadt verloren gegangen. Die Inflation setzte ein. Eine Erholung der Wirtschaft wollte nicht gelingen. Ein Facharbeiter verdiente 1913 einen Wochenlohn von 40 Mark, 1922 waren es 30.000, im September 1923 1.000.000 Mark. Acht große Düsseldorfer Banken litten unter Liquiditätsschwierigkeiten, die Stadt musste Notgeld drucken: 85 (vllt.auch 97) Trillionen Mark ließ die Stadt durch die Druckpresse laufen. Aber auf der anderen Seite war die Inflation für Stadt und Wirtschaft auch eine Chance: Alle Schulden verschwanden.
Mit der Besetzung Düsseldorfs durch die Franzosen gab es auch für die Wirtschaft Behinderungen. Die Franzosen führten eine Zollgrenze ein. Waren aus Düsseldorf und Waren nach Düsseldorf mussten nun verzollt werden. Als die Alliierten Anfang 1923 das Ruhrgebiet besetzten, rief man den Generalstreik aus. Nirgendwo wurde mehr gearbeitet und die Kosten dafür wurden aus der Reichskasse bezahlt, so dass für die Arbeitgeber kein Schaden entstand. In Düsseldorf gab es 110.000 Arbeitslose unter 420.000 Einwohnern. Erst am 3.Juli 1925 zogen die Franzosen ab, lange nachdem der passive Widerstand hatte aufgegeben werden müssen. Anfang 1926 folgten die Belgier, die das linke Rheinufer in Folge der Locarno-Verträge räumten.
Mitte der 20er Jahre begann Düsseldorf der Ausbau des tertiären Sektors, die Stadt wurde allmählich zum „Schreibtisch des Ruhrgebiets“. Die Zahl der Banken in Düsseldorf hatte sich seit dem Krieg verdreifacht. Eine bedeutende Änderung bei den metallverarbeitenden Betrieben ergab 1926 der Zusammenschluss verschiedener großer (Thyssen, Phoenix, Rheinmetall, u.a.) und kleiner Firmen zu den Vereinigten Stahlwerken mit Sitz in Düsseldorf.
Ein großes Ereignis war auch die „Große Ausstellung Düsseldorf für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen“ am Rheinufer nördlich der Oberkasseler Brücke im Jahr 1926. 7,5 Mio. Menschen besuchten die Ausstellung zwischen Mai und Oktober. 
Bis 1929 hielt sich eine vorsichtige aufstrebende Konjunktur, dann folgte die Weltwirtschaftskrise. 1929 gab es 16.829 Arbeitslose, im folgenden Jahr schon 31.044 und 1933 den Spitzenwert von 64.129, was eine Arbeits- losenquote von 27,3% bedeutete.
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[1] Hein Hoebink: Zwischen Anpassung und Moderne (1914-1945), in: Gesellschaft für Wirtschafts- dokumentationen (Hg.): Düsseldorfer Wirtschaftschronik, Wien 1996, S.I/169-I/186.