Archiv der Kategorie: Düsseldorf

Lichtbild (10): Der Gerichtssaal in der Tannenstraße

Die Turnhalle der Schutzpolizei in der Tannenstraße, die als Gerichtssaal im Fall Kürten diente.[1]

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[1] Hölling: Blick auf die Turnhalle in der Polizeikaserne an der Tannenstraße in der ab 13.4.1931 der Prozeß gegen den Massenmörder Peter Kürten stattfand, Aufnahmedatum 1931, Bildersammlung des Stadtarchivs Düsseldorf, Bildnummer: 093 700 007.
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Die 20er Jahre (4): Hier spicht der Westdeutsche Rundfunk

Es war der 8.Mai 1926 als am Rhein in Düsseldorf die Gesolei eröffnet wurde. Die feierliche Eröffnungsfeier wurde vom jungen Westdeutschen Rundfunk von den Sendestellen Münster, Dortmund und Bielefeld übertragen. Am selben Tag fiel im Reichspostministerium die Entscheidung den Sender Langenberg einzurichten und dazu in Köln und Düsseldorf „Besprechungsräume“. Das erste Studio in Düsseldorf befand sich im ehemaligen Offizierskasino an der Roßstraße.[1]
Die technische Vorgeschichte des Radios umfasst die Speicherung und Aussendung von akustischen Informationen. Die Meilensteine dafür waren die Erfindung der Telegrafie (1844), der Telefonie (1876), die drahtlose Übertragung mittels Radiowellen (1886) und schließlich die Schall- platte (Schellackplatte, ab 1895 massenhaft verbreitet). Am 12.12.1901 stellte der Italiener Marconi die erste drahtlose Radiowellen-Verbindung zwischen Amerika und Europa her. Die drahtlose Telegrafie, wie man den neuen, revolutionären Dienst nannte, fand zunächt vor allem beim Militär und besonders der Marine Verbreitung. Im Ersten Weltkrieg wurde Funk dann so bedeutend, dass hunderttausend Soldaten zu Funkern wurde und die „Telegrafentruppe“, bzw. die „Nachrichtentruppe“  wurde sogar zu einer eigenen Waffengattung. Einige dieser Funker, die im Arbeiter- und Soldatenrat aktiv waren, stürmten während der Novemberrevolution das Wolffsche Telegraphenbureau in Berlin und verkündeten den Sieg der Revolution. Mangels allgemein zugänglichen Empfangsgeräten verhallte diese Nachricht weitgehend ungehört. Die Konsequenz daraus war, dass die Reichsregierung den Rundfunk dem „Postregal“ unterstellte und Sendung und Empfang 1919-1923 verboten waren. 1923 folgte dann die Zulassung des „Unterhaltungs-Rundfunks“ unter zahlreichen Auflagen. So mussten alle politischen Nachrichten vom Wolffschen Telegraphenbureau abgenommen werden und wurden von einer staatlichen Kontrollstelle überprüft.  Das Radio sollte nicht zu Mobiliserung und Eskalation beitragen, sondern in die Gegenrichtung wirken: Das Radio sollte die Massen ablenken und gut zu Hause (und nicht auf der Straße) unterhalten. 1924 startete die „Westdeutsche Funkstunde“ aus Münster als letzte Regionalsendestation.
Der Start des Rundfunks in den 20er Jahren löste eine kulturelle Revolution in Deutschland aus. Es entstand eine neue „massenmediale“ Öffentlichkeit, die zwar von der Zeitung bekannt war, aber noch gesteigert wurde. Wort und Musik trafen den Hörer direkt und wirkten als sinnliche Ansprache. Der Rundfunk ermöglichte zudem die „Live-Übertragung“, die eine unmittelbare Teilhabe an gesell- schaftlichen und kulturellen Ereignissen ermöglichte. Die Öffentlichkeit drang über die Lautsprecher des Empfängers in die Privatspähre der Wohnung ein. Gleichzeitig konnte man in Berlin hören, was in München geschah. Zudem verallgemeinerte der Rundfunk durch seinen Anspruch „für alle“ zu senden Kunst und Kultur.
Auch die Musik erfuhr eine neue Dimension. Sie war beliebig erzeugbar und beliebig empfangbar und nicht mehr ein singuläres Ereignis wie bei einem Konzert. Wie heute auch diente sie als musikalischer Stimmungsbegleiter durch den Tag. Im Gegensatz dazu war die Sprache im Vergleich zu heute völlig anders. Knut Hickethier urteilt:
„Sprache und Sprachweise der politischen Bericht- erstattung waren staatstragend, ernst, voller Pathos. Emphase und pathetische Überhöhung kennzeichneten die Übertragung von großen kulturellen Ereignissen sowie vom Sport; selbst in Unterhaltungsformen blieb noch – und dies bis in die 1950er Jahre – vom Gestus her ein autoritativer Stil bestimmend. Der Rundfunk hatte den für mehr oder weniger unwissend gehaltenen Hörer immer etwas mitzuteilen, und dagegen hatte es keinen Widerspruch zu gegen.“[2]
Zu Beginn des Radios sendete man nur am Abend, wenn das Publikum zu Hause war. Dann folgten Sendung am Mittag, wenn viele Arbeitnehmer ihre Mittagspause zu Hause verbrachten und schließlich baute man das Programm immer weiter aus. Dieses bestand im wesentlichen aus verschiedenen Musiksendungen, für die neben den Schallplattenaustrahlungen auch Salonkapellen engagiert wurden. Besonderen Wert legte man auf Übertragungen von Veranstaltungen aus Opern, Konzertsälen, usw. Der Rundfunk wirkte auch selber auf die Musik zurück und beeinflusste sie. Ein weiterer wichtiger Programmpunkt waren Romane, Erzählungen und Hörspiele. Immer öfter gab es Kabarett und „bunte Abende“. Darüber hinaus gab es Bildungssendungen, naturwissenschaftliche Vorträge und Ratgebersendungen. Sportsendungen gehörten schon früh zum Programm der Rundfunksender. Insgesamt war die „Rundfunklandschaft durch eine große Angebotsvielfalt und regionale Unterschiede“ geprägt.
Für den Hörer, der Anfangs zum Empfang noch eine Lizenz bei der Post beantragen musste, wurde der Rundfunk immer mehr zu einem Alltagsbegleiter. Anfangs führte die Neuartigkeit des Mediums  und die schlechte Qualität der Empfänger dazu, dass man konzentriert zuhören musste. Mit röhrenverstärkten Radios und einer besseren Programm- qualität verschwand dies. Der Rundfunk ermöglichte jeden Tag den Zugang zu Kultur und Musik, Nachrichten und Teilhabe an der Gesellschaft.[3]
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[1] Hugo Weidenhaupt: Kleine Geschichte der Stadt Düsseldorf, Düsseldorf 6.Auflage 1976, S.162.
[2] Knut Hickethier: Die Erfindung des Rundfunks in Deutschland, in: Werner Faulstich (Hg.): Die Kultur der zwanziger Jahre, München 2008, S.225.
[3] Knut Hickethier: Die Erfindung des Rundfunks in Deutschland, in: Werner Faulstich (Hg.): Die Kultur der zwanziger Jahre, München 2008, S.217-235.

Die Angstpsychose: Eine Stadt in Furcht vor dem Serienmörder

Spricht man einen alteingessenen Düsseldorfer heute auf den Vampir von Düsseldorf an, so ist der Name jedem ein Begriff. Auch wenn die wenigsten, die heute noch leben, die Zeit als Erwachsene erlebt haben, so ist auch bei denen, die damals Kindern waren, die bedrückende Atmosphäre des halben Jahrs der Serienmorde zwischen August und November, die Furcht vor einem scheinbar übermächtigen Mörder, immer noch präsent. Auch bei deren Kindern ist der Name Peter Kürten eng mit der Vorstellung einer Stadt im Angstzustand verbunden. Was lässt sich in den zeitgenössischen Quellen über die Angstzustände heraus finden?
Das Kriminal-Magazin leitete seine Sondernummer über den Fall mit folgenden Worten ein:
„Düsseldorf fiebert! Das Rheinland zittert in Spannung! Sagen wir ruhig: Ganz Deutschland stürzt in diesen Tagen von einer Sensation in die andere. Ein Massenmörder treibt seit Anfang des Jahres in Düsseldorf sein Unwesen. Wie ein Raubtier bricht er plötzlich aus seinem Versteck hervor, sticht mit einem langen Messer Kidner nieder und überfällt Frauen, die er mit einem seltsamen, hammerartigen Mordwerkezug niederschlägt.[…]“[1]

Im Folgenden schildert das Kriminal-Magazin dann die Wirkung auf die Bevölkerung:

„Auf die leisesten Verdächtigungen hin enstehen Menschenansammlungen. In einem solchen Falle wurde ein harmloser Mann, der seine kleine Nichte auf der Straße spielen sah und sie fürsorglich mit sich nahm, damit sie von der Straße wegkäme, bei der Polizei der Kindesentführung verdächtigt und festgenommen. Nur das Überfallkommando konnte den Harmlosen vor „Richter Lynch“ bewahren. Ein ungerheurer Alpdruck lastet seit Monaten über der schönen, sinnenfrohen Garten- und Kunststadt am Niederrhein. Keiner traut mehr dem anderen. Freundschaften gehen auseinander, weil Verdachts- momente auftauchen.[2]

 Spielende Kinder sehe man in Düsseldorfs Straßen kaum noch, führt das Magazin weiter aus. Wenn es dunkel werde, sei jeder doppelt auf der Hut. Selbst ein Meisterclown, der ein Gastspiel im Apollotheater gab, könne nichts gegen die drückende Depression ausrichten, überall in der Stadt hingen Plakate mit Versprechungen von großen Belohnungen („15.000 Mark“ titelt das Kriminal-Magazin), doch die Menschen glaubten nicht mehr an einen Erfolg der systematische Suche der Polizei, die an den Grenzen ihrer Kräfte sei.[3]
Ernst Gennats Blick richtet sich auf die Rolle der Polizei während der Angstpsychose. Er spricht von einem „Kriegs- zustand“ in der Stadt, der allerdings nicht so schlimm sei, wie in den Sensationsmeldungen der Presse zu lesen war. Als Besipiel führt er Meldungen über das Tragen von stählernen Halskrausen oder von Stahlhelmen mit Rosen- verzierung an. Die Meldungen an die Polizei überschlugen sich:
„Während des Stadiums der „Ueberfall-Psychose“ verging fast kein Abend, an dem nicht Mitglieder der Mordkommission mit dem Ueberfall-Kommando ausrücken mußten, um neu gemeldete „Ueberfälle“ zu prüfen…“[4]
Viele Meldungen solte eigene Verfehlungen verdecken. So meldete ein 15jähriger Junge, dass er vom Rad gezerrt und in den Arm gestochen wurde. Nach wenigen Minuten gestand er, dass er einfach mit dem Rad in der Dunkelheit gestürzt war. Sein Vater hatte ihm verboten damit im Dunkeln zu fahren. Schließlich ging Polizei dazu über alle Fälle, die Geständnisse, Name und Anschrift der Personen in der Zeitung zu veröffentlichen und diese Phase ging vorüber.[5]
Es häuften sich in der Zeit ebenfalls die Vermißten- meldungen und behinderten die Arbeit der Polizei. Ernst Gennat erklärte, dass die Polizei dafür zwar Verständnis habe, aber sehr oft alle anderen Möglichkeiten beim Fernbleiben eines Kinders oder eine jungen Frau zu rasch ausgeschlossen wurden und die Polizei zu früh informiert wurde. Er nennt diesen Zustand „Vermißten-Psychose“. Ihr folgte als Reaktion auf die Mörderbriefe eine Brief-Psychose, in der zahlreiche falsche Hinweise und Bekenner-Schreiben die Polizei überfluteten.[6]
In der Rückschau kann ergänzt werden, dass zu allem Überfluß die Polizei auch noch  zweifelhafte „Unterstützung“ erhielt. Es gab Männer, die sich in Frauenkleidern als Opfer anboten, um den Täter auf frischer Tat zu ertappen. Hellseher, Heilmagnetiseure, Telepathen, Magnetopathen, Pendelforscher, Astrologen, Traumdeuter, Medien und Graphologen wollten mit ihren Fähigkeiten den Serienmörder zur Strecke bringen. „Eine sonst geleugnete, untergründige Welt des Aberglaubens kam 1929/1930 zum Vorschein und rief vielfachen Widerhall in der Öffentlichkeit hervor.“, urteilt Peter Hüttenberger.[7]
Auch nach der Aufklärung der Taten Kürtens und seiner Verhaftung blieb er als Gespenst erhalten. Eltern drohten ihren Kinder mit „Peter Kürten“, er war und blieb in Düsseldorf der Inbegriff des Bösen.[8]
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[1] Kriminal-Magazin: Der Massenmörder von Düsseldorf, S.13.
[2] Kriminal-Magazin: Der Massenmörder von Düsseldorf, S.13f..
[3] Kriminal-Magazin: Der Massenmörder von Düsseldorf, S.14.
[4] Ernst Gennat: Die Düsseldorfer Sexualverbrechen, S.54.
[5] Ernst Gennat: Die Düsseldorfer Sexualverbrechen, S.55f.
[6] Ernst Gennat: Die Düsseldorfer Sexualverbrechen, S.56.
[7] Peter Hüttenberger: Düsseldorf. Geschichte von den Anfängen bis ins 20.Jahrhundert. Band 3: Die Industrie- und Verwaltungsstadt (20.Jahrhundert), Düsseldorf, 2.Aufl. 1990, S.408f..
[8] Peter Hüttenberger: Düsseldorf. Geschichte von den Anfängen bis ins 20.Jahrhundert. Band 3: Die Industrie- und Verwaltungsstadt (20.Jahrhundert), Düsseldorf, 2.Aufl. 1990, S.411.
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Die vollen bibliographischen Angaben, soweit hier nicht genannt, sind am unteren Ende der Seite aufgeführt.

Lichtbild (6): Die Gesolei

„Große Ausstellung Düsseldorf 1926 (Gesolei). Ausstellungsstraße am Rhein und Terrassenrestaurant“. So beschreibt diese Postkarte den Bildgegenstand. Hinter den Austellungshallen sieht man das Oberlandesgericht und die Gebäude der Bezirksregierung Düsseldorf, im Vordergrund die heute noch existierenden Rheinterrassen.[1]
 Drei Jahre bevor der Name der Stadt Düsseldorf mit einer Mordserie in Verbindung gebracht wurde und ein Jahr nachdem Düsseldorf eine von Franzosen besetzte Stadt gewesen war, fand an den heutigen Rheinwiesen nördlich der Rheinterrassen die Gesolei statt, die „Große Ausstellung Düsseldorf 1926 für Gesundheitspflege , soziale Fürsorge und Leibesübungen“. Die Ziele der Gesolei waren vielfältig. Man wollte die Tradition der Stadt als Austellungsstandort erneuern, den Lebenswillen der Stadt aufzeigen, Arbeitsplätze im Kunst- und Ausstellungs- handwerk schaffen, Touristen anlocken, um das Hotel- und Gaststättengewerbe zu stärken und das Image der Stadt wieder verbessern. Das Thema der Ausstellung war nicht zufällig gewählt. Die Gesundheit stand auch als Symbol für ein krankes, verletztes Volk, das einer Gesundung bedurfte. Die Volksgesundheit sollte ein Zeichen gegen den Druck des Marxismus, der Siegermächte und die gesellschaftlichen Umwälzungen der 20er Jahre setzten. Mit Hygiene, medizinischem Fortschritt und Sport sollte die Zukunft Deutschlands gesichert werden. Die Gesolei war ein Erfolg, 7 1/2 Millionen Besucher kamen und in ihrem Umfeld fanden 222 Veranstaltungen statt, von Kongressen und Tagungen,  über Sportveranstaltungen bis hinzu Regimanets- appellen.[2]

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[1] Gesolei 1926. Aufnahmedatum 1926, Bildersammlung des Stadtarchivs Düsseldorf, Bildnummer: 005 152 002.
[2] Peter Hüttenberger: Düsseldorf. Geschichte von den Anfängen bis ins 20.Jahrhundert. Band 3: Die Industrie- und Verwaltungsstadt (20.Jahrhundert), Düsseldorf, 2.Aufl. 1990, S.373-381.
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Tatort (14): Gertrud Albermann

Die Ermittlung des Tatorts im Fall Albermann ist besonders schwierig, da das Gelände heute anders aussieht. War früher die Bezeichnung „an der Mauer der Firma Haniel & Lueg“ für die Düsseldorfer sehr präzise, so fällt die Ermittlung heute schwer, da die Firma nicht mehr existiert und das Gelände neubebaut wurde. Heute erinnert nur noch ein alter Uhrenturm an den großen Industriekomplex. Die nördlichste rote Markierung steht für den Mord an Gertrud Albermann, die gelbe Markierung südwestlich zeigt den Wohnort des Kindes an,

Tatort (10): Fälle Her, Rück, Rad.

Die Karte der Über- und Mordfälle Kürtens in Düsseldorf wird immer voller. Die Roßstraße, wo Sofie Rück überfallen wurde, markiert die blaue Nadel im Nordwesten. Die gelbe Markierung südlich von Pempelfort zeigt die Düssel im Hofgarten, wo Kürten mit Lina Her war. Die Brauerei Schumacher wird durch die mittlere der gelben Nadeln im Südwesten gezeigt.  Den ungefähren Überfallort auf Lina Her zeigt die blaue Nadel südöstlich von Grafenberg. Den Überfall auf Maria Rad markiert die östlichste Nadel (ungefähr). Daneben findet sich der Überfall auf Apollonia Kühn, am Hellweg der Mord an Rudolf Scheer und im Süden der Mord an Rosa Ohliger.

 

Düsseldorf 1929 (3): Kommunale Neugliederung

Was sich hinter dem etwas sperrigen und sehr bürokratischen Begriff „Kommunale Neugliederung“ verbirgt, ist eines der großen Themen des Jahres 1929. In diesem Jahr endeten vielen Traditionen und Selbstständigkeiten, von diesem Zeitpunkt an werden die Alteingesessenen sagen, das wäre ein großer Fehler gewesen. Am 1.August 1929 trat das „Gesetz zur Kommunalen Neugliederung des rheinisch-westfälischen Industriegebietes“ in Kraft und veränderte damit die Stadtgrenzen in zahlreichen Städten des heutigen Nordrhein-Westfalens und schuf sogar aus fünf Städten eine neue in der Nachbarschaft Düsseldorfs: Wuppertal (erst Barmen-Elberfeld) wurde (zwangs)geboren.
Ursächlich für diese Neugliederung war, dass die größeren Städte an Rhein und Ruhr immer mehr ins Umland gewachsen waren. Dadurch waren mehrere Probleme entstanden, die nach dem Krieg immer dringender wurden. Die Verarmung von Teilen der Bevölkerung stellte vor allem kleinere Gemeinden im Umland großer Städte vor große Probleme, der aufkommende Individualverkehr und stärker werdende Pendlervekehre verlangten nach einer strategischen Verkehrsplanung und die starke Modernisierungsbedüftigkeit der Infrastruktur und die gleichzeitige Belastung durch die Reparationszahlungen rief den Ruf nach Rationalität hervor. Außerdem waren die großen Städte sehr daran interessiert, die Steuern besonders vermögender Steuerzahler aus dem nahen Umland zu erhalten.
Düsseldorf hatte bereits 1909 mit mehreren Verträgen sein Stadtgebiet vergrößert und war durch die Eingemeindung von Heerdt/Oberkassel, Stockum, Rath, Gerresheim, Eller und Himmelgeist gewachsen. Anfang April 1922 wandten sich die Städte Essen, Duisburg und Düsseldorf an die Staats- und an die Besatzungsbehörden, um sich weitere Gemeinden „einzuverleiben“. Kaiserswerth, Lohausen, Kalkum, Wittlaer, Benrath, Garath, Baumberg und Monheim sollten zur Stadt hinzukommen. Doch aus den Plänen wurde erst einmal nichts, sie verschwanden in den Schubladen. Doch da blieben sie nicht lange: am 6.Dezember 1927 gab der preußische Innenminister in einem Erlaß den Auftrag die kommunale Neugliederung vorzubereiten. Am 25.Mai 1928 stellte Oberbürgermeister Lehr die Denkschrift der Stadtverwaltung vor: „Vorschläge der Stadt Düsseldorf zur kommunalen Neugliederung“: Die Vorstellungen der Stadt zogen sich von Angermund im Norden über Hilden im Osten, Monheim und Dormagen im Süden  bis nach Meerbusch einmal um die Stadt, lediglich Neuss blieb unangetastet, wäre dafür aber fast eingekreist gewesen.
(Die Karte orientiert sich an den „Skizzen zur Eingemeindung 1929“ [1], Abb.82, S.401] und ist stark schematisch. In beige die Stadtgrenzen vor 1929, in blau die Pläne der Stadt)

Es ist nicht verwunderlich, dass man damals angesichts dieser Vorstellungen der großen Städte vom „Kommunalen Imperialismus“ sprach. Der Oberbürgermeister argument- ierte, dass die Stadt Düsseldorf kaum noch Raum für Industrieansiedlung habe und deswegen Benrath/Reisholz brauche. Außerdem benötige die bergische Industrie einen neuen Industriehafen, der bei Urdenbach/Baumberg geschaffen werden sollte. Im Norden sollte vor allem neue, aufgelockerte Wohnbebauung entstehen, um die Mietskasernen in Düsseldorf zu entlasten, außerdem wollte er dort Industrieansiedlung verhindern, um deren Abgase bei Westwind nicht in der Stadt zu haben. Der Osten wurde ebenfalls zur „Wohn- und Erholungszone“ deklariert. Die Pläne stießen auf ein geteiltes Echo und Widerstände.
In Benrath bildete sich eine „bürgerliche Einheitsfront“ gegen die Eingemeindung, der Düsseldorf entgegen trat, indem es den Industriebetrieben (u.a. Henkel) Angebote und Versprechungen auf Vergünstigungen im Falle der Eingemeindung machte. Der Benrather Bürgermeister Custodis dachte derweil über eine Verfassungsklage nach. Im März sprachen sich Industrie- und Arbeitgeberverbände, das Handwerk, der Einzelhandel, DDP, DNVP, DVP und das Zentrum für die Selbstständigkeit der Stadt aus.
In Kaiserwerth standen sich Bürger und Geschäftsleute gegenüber. Die einen hofften auf Eigenständigkeit, die anderen tendierten zur Eingemeindung nach Düsseldorf. In Lohausen kämpfte man für einen Anschluss an ein selbstständiges Kaiserswerth und fürchtete beim Anschluss an Düsseldorf höhere Steuern und die „großstädtischen Immobilienmakler“.
Am 29.Juli 1929 waren schließlich alle Kämpfe vorüber. Der preußische Landtag beschloss in Abschnitt XII des „Gesetzes zur Kommunalen Neugliederung des rheinisch-westfälischen Industriegebietes“:

„§30. In die Stadtgemeinde Düsseldorf werden aus dem Landkreis Düsseldorf eingegliedert:
a) die Landgemeinde Benrath
b) die Landgemeinde Garath
c) die Landgemeinde Lohausen, die Stadtgemeinde Kaiserswerth und Teile der Landgemeinden Wittlaer und Kalkum gemäß Grenzbeschreibung der Anlage A des Gestzes unter XXVII
d) Teile der Landgemeinden Erkrath, Ludenberg, Schwarzbach und Eckkamp gemäß Grenzbeschreibung der Anlage A des Gestzes unter XXIX
§31. Die Grenze zwischen der Stadtgemeinde Düsseldorf und der Landgmeinde Büderich des Kreises Neuss wird (nur) berichtigt
§32. Das Amt Benrath des Landkreises Düsseldorf wird aufgelöst.“[2]

Link zur Karte bei Umap.Openstreetmap.fr.

(Die Karte orientiert sich an den „Skizzen zur Eingemeindung 1929“ [1], Abb.82, S.401] und ist stark schematisch. In rot die Altstadt innerhalb des alten Festungsrings, in blau die Stadtgrenzen bis 1909,  in beige  die Stadtgrenzen vor 1929 und in grün die Stadtgrenzen nach 1929)

Aber nicht nur für die eingemeindeten Städte und deren Traditionen war der 1.August 1929 ein tiefer Einschnitt. Auch die Düsseldorfer fürchteten sich um die Identität der Stadt. Bereits 1920 hatte sich die Bürgergesellschaft „Alde Düsseldorfer“ gegründet, 1922 entstand die Ortsgruppe „Heimatbund Alt-Düsseldorf“ des Rheinischen Heimatbundes, 1932 gründete sich der Heimatverein „Düsseldorfer Jonges“.[3]
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[1] Peter Hüttenberger: Düsseldorf. Geschichte von den Anfängen bis ins 20.Jahrhundert. Band 3: Die Industrie- und Verwaltungsstadt (20.Jahrhundert), Düsseldorf, 2.Aufl. 1990, S. 401.
[2] zitiert nach: Peter Hüttenberger: Düsseldorf. Geschichte von den Anfängen bis ins 20.Jahrhundert. Band 3: Die Industrie- und Verwaltungsstadt (20.Jahrhundert), Düsseldorf, 2.Aufl. 1990, S.406.
[3] Peter Hüttenberger: Düsseldorf. Geschichte von den Anfängen bis ins 20.Jahrhundert. Band 3: Die Industrie- und Verwaltungsstadt (20.Jahrhundert), Düsseldorf, 2.Aufl. 1990, S. 395-408.
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