Archiv der Kategorie: Die 20er

Die 20er Jahre (4): Hier spicht der Westdeutsche Rundfunk

Es war der 8.Mai 1926 als am Rhein in Düsseldorf die Gesolei eröffnet wurde. Die feierliche Eröffnungsfeier wurde vom jungen Westdeutschen Rundfunk von den Sendestellen Münster, Dortmund und Bielefeld übertragen. Am selben Tag fiel im Reichspostministerium die Entscheidung den Sender Langenberg einzurichten und dazu in Köln und Düsseldorf „Besprechungsräume“. Das erste Studio in Düsseldorf befand sich im ehemaligen Offizierskasino an der Roßstraße.[1]
Die technische Vorgeschichte des Radios umfasst die Speicherung und Aussendung von akustischen Informationen. Die Meilensteine dafür waren die Erfindung der Telegrafie (1844), der Telefonie (1876), die drahtlose Übertragung mittels Radiowellen (1886) und schließlich die Schall- platte (Schellackplatte, ab 1895 massenhaft verbreitet). Am 12.12.1901 stellte der Italiener Marconi die erste drahtlose Radiowellen-Verbindung zwischen Amerika und Europa her. Die drahtlose Telegrafie, wie man den neuen, revolutionären Dienst nannte, fand zunächt vor allem beim Militär und besonders der Marine Verbreitung. Im Ersten Weltkrieg wurde Funk dann so bedeutend, dass hunderttausend Soldaten zu Funkern wurde und die „Telegrafentruppe“, bzw. die „Nachrichtentruppe“  wurde sogar zu einer eigenen Waffengattung. Einige dieser Funker, die im Arbeiter- und Soldatenrat aktiv waren, stürmten während der Novemberrevolution das Wolffsche Telegraphenbureau in Berlin und verkündeten den Sieg der Revolution. Mangels allgemein zugänglichen Empfangsgeräten verhallte diese Nachricht weitgehend ungehört. Die Konsequenz daraus war, dass die Reichsregierung den Rundfunk dem „Postregal“ unterstellte und Sendung und Empfang 1919-1923 verboten waren. 1923 folgte dann die Zulassung des „Unterhaltungs-Rundfunks“ unter zahlreichen Auflagen. So mussten alle politischen Nachrichten vom Wolffschen Telegraphenbureau abgenommen werden und wurden von einer staatlichen Kontrollstelle überprüft.  Das Radio sollte nicht zu Mobiliserung und Eskalation beitragen, sondern in die Gegenrichtung wirken: Das Radio sollte die Massen ablenken und gut zu Hause (und nicht auf der Straße) unterhalten. 1924 startete die „Westdeutsche Funkstunde“ aus Münster als letzte Regionalsendestation.
Der Start des Rundfunks in den 20er Jahren löste eine kulturelle Revolution in Deutschland aus. Es entstand eine neue „massenmediale“ Öffentlichkeit, die zwar von der Zeitung bekannt war, aber noch gesteigert wurde. Wort und Musik trafen den Hörer direkt und wirkten als sinnliche Ansprache. Der Rundfunk ermöglichte zudem die „Live-Übertragung“, die eine unmittelbare Teilhabe an gesell- schaftlichen und kulturellen Ereignissen ermöglichte. Die Öffentlichkeit drang über die Lautsprecher des Empfängers in die Privatspähre der Wohnung ein. Gleichzeitig konnte man in Berlin hören, was in München geschah. Zudem verallgemeinerte der Rundfunk durch seinen Anspruch „für alle“ zu senden Kunst und Kultur.
Auch die Musik erfuhr eine neue Dimension. Sie war beliebig erzeugbar und beliebig empfangbar und nicht mehr ein singuläres Ereignis wie bei einem Konzert. Wie heute auch diente sie als musikalischer Stimmungsbegleiter durch den Tag. Im Gegensatz dazu war die Sprache im Vergleich zu heute völlig anders. Knut Hickethier urteilt:
„Sprache und Sprachweise der politischen Bericht- erstattung waren staatstragend, ernst, voller Pathos. Emphase und pathetische Überhöhung kennzeichneten die Übertragung von großen kulturellen Ereignissen sowie vom Sport; selbst in Unterhaltungsformen blieb noch – und dies bis in die 1950er Jahre – vom Gestus her ein autoritativer Stil bestimmend. Der Rundfunk hatte den für mehr oder weniger unwissend gehaltenen Hörer immer etwas mitzuteilen, und dagegen hatte es keinen Widerspruch zu gegen.“[2]
Zu Beginn des Radios sendete man nur am Abend, wenn das Publikum zu Hause war. Dann folgten Sendung am Mittag, wenn viele Arbeitnehmer ihre Mittagspause zu Hause verbrachten und schließlich baute man das Programm immer weiter aus. Dieses bestand im wesentlichen aus verschiedenen Musiksendungen, für die neben den Schallplattenaustrahlungen auch Salonkapellen engagiert wurden. Besonderen Wert legte man auf Übertragungen von Veranstaltungen aus Opern, Konzertsälen, usw. Der Rundfunk wirkte auch selber auf die Musik zurück und beeinflusste sie. Ein weiterer wichtiger Programmpunkt waren Romane, Erzählungen und Hörspiele. Immer öfter gab es Kabarett und „bunte Abende“. Darüber hinaus gab es Bildungssendungen, naturwissenschaftliche Vorträge und Ratgebersendungen. Sportsendungen gehörten schon früh zum Programm der Rundfunksender. Insgesamt war die „Rundfunklandschaft durch eine große Angebotsvielfalt und regionale Unterschiede“ geprägt.
Für den Hörer, der Anfangs zum Empfang noch eine Lizenz bei der Post beantragen musste, wurde der Rundfunk immer mehr zu einem Alltagsbegleiter. Anfangs führte die Neuartigkeit des Mediums  und die schlechte Qualität der Empfänger dazu, dass man konzentriert zuhören musste. Mit röhrenverstärkten Radios und einer besseren Programm- qualität verschwand dies. Der Rundfunk ermöglichte jeden Tag den Zugang zu Kultur und Musik, Nachrichten und Teilhabe an der Gesellschaft.[3]
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[1] Hugo Weidenhaupt: Kleine Geschichte der Stadt Düsseldorf, Düsseldorf 6.Auflage 1976, S.162.
[2] Knut Hickethier: Die Erfindung des Rundfunks in Deutschland, in: Werner Faulstich (Hg.): Die Kultur der zwanziger Jahre, München 2008, S.225.
[3] Knut Hickethier: Die Erfindung des Rundfunks in Deutschland, in: Werner Faulstich (Hg.): Die Kultur der zwanziger Jahre, München 2008, S.217-235.

Die 20er Jahre (3): Kino

Direkt neben dem Hauptbahnhof in Düsseldorf steht eines der beiden großen Kinos der Stadt: Der UFA-Palast. Der Name, den das Kino trägt, erinnert an eine Zeit, in der dieser Begriff gleichzusetzen war mit „Hollywood“. Die UFA stand in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts für große europäische Kinofilme, so wie es Hollywood bis heute für amerikanisch tut. Hollywood und UFA, das war in den 20er Jahren „großes Kino.“
Bis zum Ersten Weltkrieg war das Kino als Medium in Deutschland allerdings sehr schlecht angesehen und galt als „proletarischer Kunstersatz“. Doch die bis dahin beispiellose Propagandaschlacht des Krieges schuf einen Meinungswechsel im Land. Im Dezember 1917 wurde die Universum-Film A.G. (UFA) gegründet, um mit den französische, italienischen, dänischen, englischen und US-amerikanischen Produktionen mithalten zu können. Mit einem Stammkapital von 25 Millionen Goldmark war mit einem Schlag eine sehr konkurrenzfähiges Filmunternehmen entstanden. Mit dem wachsenden wirtschaftlichen Erfolg wurde das Medium Film in Deutschland immer beliebter und wurde auch im seriösen Bürgertum immer akzeptierter.
Bereits einer der ersten Filme wurde für die UFA zum Welterfolg: „Madame Dubarry“[1] (1919) von Ernst Lubitsch erzählt die Geschichte der Mätresse und späteren Gräfin Dubarry, bis sie in der französischen Revolution auf der Guillotine endet. Zusammen mit dem expressionistischen Film „Das Cabinet des Dr. Caligari„[2] (1920) von Robert Wiene begründete der Film die „Deutsche Filmklassik“.
Die folgende Inflationszeit war für die Filmindustrie kaum störend, man modernisierte die Studios und hatte Freiraum für künstlerische Experimente. Die deutschen Filme waren gut und günstig und konnte so im Ausland gegen harte Währung gut abgesetzt werden.
In der zweiten Hälfte der 20er Jahre erreichte der Stummfilm seinen künstlerischen Höhepunkt und schafft es abendfüllende „Langfilme“ in den Lichtspielhäusern zu zeigen. Weltberühmt wird dabei vor allem ein gewisser Charly Chaplin, dessen Film „Goldrausch“[3] 1925 Premiere feierte. 1926 wurde Fritz Langs Epos „Metropolis“ [4] zum ersten Mal gezeigt. Neben den amerikanischen, deutschen und französischen Film kamen ab 1925 die sogenannten „Russenfilme“ in die Kinos der Welt. Eines der bekanntesten Werke ist der Revolutionsfilm „Panzerkreuzer Potemkin“ [5] (1925) von Sergej M.Eisenstein.
Mit den 20er Jahren endete auch die Stummfilmära. Es war ein nicht unerheblicher Einschnitt für die Filmemacher, als sich zwischen 1927 und den frühen 30er Jahren der Tonfilm durchsetzte. Lichtspielhäuser und Produktions- studios mussten unter hohen Kosten umgerüstet werden, Schallschutz spielte auf einmal eine Rolle, die gleichzeitige Aufnahme von Ton und Bild stellte alle Beteiligte vor neue Herausforderungen, denen nicht jeder gewachsen war. Mancher Stummfilmstar hatte nicht die richtige Stimme für die neue Zeit und der Tonfilm erforderte auch eine neue Form des Schaupielens, sodass einige Karrieren endeten. Unglücklicherweise setzte mitten im Umstellungsprozeß auf den teureren Tonfilm die Weltwirtschaftskrise ein und erschöpfte die Mittel der Zuschauer. Die Filme dienten in dieser Zeit meist einem eskapistischen Ziel, „Sorgenbrecher“, Komödien, Romanzen und die neue „Tonfilmoperette“ sollten von Problemen der Zeit ablenken. In Deutschland war ein bis heute bekannter Film im Jahr 1930 am erfolgreichsten: „Die Drei von der Tankstelle“[6] von Wilhelm Thiele mit Willy Fritsch, Oskar Karlweis und Heinz Rühmann.[7]
Im darauf folgenden Jahr war ein anderer Film in aller Munde: Fritz Langs „M -Eine Stadt sucht einen Mörder.“
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[3] später als Tonfilm mit Erzähler neu aufgeführt: http://www.youtube.com/watch?v=ZI38Fb6vpuo (abgerufen 22.02.2011)
[7] Helmut Korte: Filmkultur der 1920er Jahre, in: Werner Faulstich (Hg.): Die Kultur der zwanziger Jahre, München 2008, S.199-215.
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Die 20er Jahre (2) | Lichtbild (3): Düsseldorf International

Blick auf den Düsseldorfer Flughafen im Jahr 1932 (Blickrichtung: Westen). Während die Terminals heute in Unterrath liegen, lagen die Flughafengebäude damals noch bei Lohausen. Links die Abfertigung (früher Luftschifferkaserne), in der Mitte die Verwaltung, Rechts die Hangars und einige Flugzeuge. Darüber ist die heutige Stadtbahnlinie nach Duisburg (U79) zu erkennen, dahinter liegt die „Fliegersiedlung“, deren Straßen die Namen berühmter Flieger trugen. Ganz oben ist die Lohauser Kirche zu sehen.
Das Jahr 1926 war die Geburtsstunde von „Düsseldorf International“, dem Flughafen der Stadt. Schon früher hatten sich Stadt und vor allem die Oberschicht luftfahrtbegeistert gezeigt und im Ersten Weltkrieg war auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz Lohhausen ein militärisches Fluggelände entstanden. Doch auch hier brachte das Kriegsende einen Rückschlag. Das Reich verlor die Lufthoheit über dem Rheinland und die Besetzung durch die Franzosen tat ihr übriges, um die Pläne eines Flughafens zu verhindern. Flugplätze in Westdeutschland wurden als direkte Bedrohung Frankreichs wahrgenommen. Im August wurde das Areal in Lohausen immerhin zum Notlandeplatz hochgestuft. Am 6.Januar 1926 wurde die Deutsche Lufthansa gegründet und im Mai des Jahres rückte Düsseldorf-Lohausen zum Verkehrslandeplatz auf. Das Reich und der preußische Staat planten allerdings nicht mit Düsseldorf, sondern erkoren Köln und Essen-Mühlheim zu den zentralen Flughäfen für Rheinland und Ruhrgebiet. 1927 gründete die Stadt schließlich die Flughafenbetreiber- gesellschaft mbH und am 20./21.Mai des Jahres überquerte Charles Lindbergh den Atlantik. Dem Flugverkehr schien keine Grenzen mehr gesetzt. 1929 folgte schließlich der Durchbruch für Düsseldorf-Lohausen: Die belgische Fluggesellschaft Sabena flog den Flughafen nun an und auch die Lufthansa verlegte im März des Jahres nach Protesten aus der Wirtschaft sechs Linien nach Düsseldorf. In diesem Jahr kamen 1034 (1930:1799) Personen in Düsseldorf an, 976 (1930: 1923) flogen ab und 876 (1930: 1208)Passagiere stiegen um.[2]

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[1] Plan & Karte Münster: Luftaufnahme des Flughafens 1932, Aufnahmedatum 1932, Bildersammlung des Stadtarchivs Düsseldorf, Bildnummer: 056 700 007.
[2] Peter Hüttenberger: Düsseldorf. Geschichte von den Anfängen bis ins 20.Jahrhundert. Band 3: Die Industrie- und Verwaltungsstadt (20.Jahrhundert), Düsseldorf, 2.Aufl. 1990, S.383f.
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Die 20er Jahre (1): Karneval

Der Karneval ist auch in Düsseldorf keine Erfindung der 20er Jahre. Dennoch lohnt es sich einen Blick darauf zu werfen, schließlich begann Kürten seine Düsseldorfer Morde im Februar 1929. Doch entgegen der Erwartungen an die „Goldenen Zwanziger“, war Karneval – zumindest der Straßenkarneval – kein Teil von ihnen. Zwischen 1915 und 1927 gab es keinen Rosenmontagszug. Der letzte wurde vor dem Krieg gefeiert, im Frühjahr 1914. Mit dem Kriegsausbruch wurde Karneval, Kirmes und Schützenfeste verboten. Alfons Houben beschreibt die Lage nach dem Weltkrieg:
„Der Weltkrieg mit den Folgen einer gewaltigen Umwälzung auf so vielen Gebieten schuf dem rheinischen Karneval eine völlig veränderte Lage. Die Gegensätzlichkeiten der Anschauungen in politischer, wirtschaftlicher und welt- anschaulicher Richtung, die allgemeine Lockerung aller sittlichen Gebundenheit, vor allem die trostlose, durch das Unglück des Krieges geschaffene Situation des Vaterlandes mit der Besetzung des Rheinlandes durch fremde Mächte: All dies ließ den Karneval zu einem ernsten Problem werden.“[1]
Das Verbot des Karnevals wurde auch nach dem Krieg nicht aufgehoben. Die Karnevalsvereine versuchten das Verbot durch Bälle und Kabarettveranstaltungen zu umgehen. Erst 1925 fanden wieder große Sitzungen statt, die sogar vom Rundfunk übertragen wurden. Mit dem Abzug der Besatzungstruppen und dem leichten Wirtschaftsaufschwung begann der Karneval zu erblühen, wenn auch nicht ohne Kritik. So beschwerte sich eine Düsseldorfer Zeitung über das drei Monate dauernde Volksfest, das der Wirtschaft nicht zuträglich sei. Dennoch stellte man 1928, 29 und 30 wieder drei Rosenmonatagszüge auf die Beine, bis die  Weltwirtschaftskrise zuschlug. Die Züge liefen unter den Mottos:
  • 1928: „Düsseldorf, wie es wor, wie et es, wie et wöhd“
  • 1929: „Karikadzd“ (Karikatur der Zeit)
  • 1930: „Märchenzauber – alte, moderne und Zukunftsmärchen“
Bereits 1928 kamen bis zu 70.000 Gäste aus der näheren und weiteren Umgebung. 1929 gab es Finanzierungs- schwierigkeiten, die Stadt verweigerte eine Finanzhilfe von 10.000 RM (31 zu 29 Stimmen). Die Bevölkerung spendete daraufhin und konnte dann doch Rosenmontag schunkeln – trotz minus 18 Grad.

Und wann fand der Rosenmontagszug 1929 statt? Am 11. Februar. Drei Tage nach dem Mord an Rosa Ohliger und zwei Tage vor dem Mord an Rudolf Scheer – an Aschermittwoch.[2]

Lichtbild (1): Karneval 1929
Lichtbild (2): Rosenmontag 1929

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[1] Alfons Houben: 3x Düsseldorf Helau. Die Geschichte des Düsseldorfer Karnevals; 175 Jahre Comitee Düsseldorfer Carneval; 175 Jahre Rosenmontagszug; 175 Jahre Prinz Karneval, Meerbusch 1999, S.82.
[2] Alfons Houben: 3x Düsseldorf Helau. Die Geschichte des Düsseldorfer Karnevals; 175 Jahre Comitee Düsseldorfer Carneval; 175 Jahre Rosenmontagszug; 175 Jahre Prinz Karneval, Meerbusch 1999, S.82-89.

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