Archiv der Kategorie: Faszination Serienmord

Faszination Serienmörder (6): Fünf Fragen an Wolfgang Wirringa

Wolfgang A. Wirringa, 1957 in Düsseldorf geboren, ist Schauspieler, Regisseur und Autor. Für den Altstadtherbst 2008 verfasste er das Krimi-Kammerspiel „Wer ist der Mörder?“ und führte auch Regie. Hintergrund des Stücks ist die Geschichte des Serienmörder Peter Kürten. Ein Auszug aus der Ankündigung im Programmheft:
Die lebensgeschichtliche Entwicklung von Peter Kürten bildet die Grundlage der Handlung in diesem Fünf-Personen-Stück, das Wirringa in der ärmlichen Frühzeit der Weimar Republik in einer „Wartehalle“ spielen lässt. Dieser Ort des Geschehens wird zum Sinnbild eines Ortes, „an dem wir“, so Wirringa, „so lange verweilen müssen, bis wir lernen zu verstehen, was in unserem Leben geschehen ist. Erst dann lässt sich auf die eine oder andere Weise Verantwortung übernehmen“. In dieser Wartehalle begegnet man Peter. Aber Peter ist nicht allein. Mit ihm „warten“ sein Vater, seine Ehefrau und eine namenlose Frau. In der Wartehalle befinden sich einige wenige Gegenstände, die den Wartenden an sein früheres Leben erinnern sollen. Und jede Wartehalle hat einen „weißen“ Wächter, der geduldig darauf wartet, dass man Verantwortung übernimmt. Angesichts der heute unvermindert präsenten Berichte über Serienmörder schärft dieses Theaterstück somit auch den Blick auf die aktuellen Fragen nach Schuld und Sühne.[1]

Auf W.A.Wirringas Homepage findet sich auch folgender, bei Youtube eingestellter Prolog des Theaterstücks: [2]

Auch Wolfgang A.Wirringa war so freundlich fünf Fragen zur Frage nach der Faszination des Serienmörders zu beantworten.

 

1. Herr Wirringa, Ihr Theaterstück „Wer ist der Mörder?“ wurde beim Altstadtherbst ’08 aufgeführt. Wovon handelt es?
 
Wie wird man eigentlich zu einem Serienmörder? Um diese zentrale Frage ringen die Figuren im imaginären Wartesaal zur Ewigkeit des Düsseldorfer Serienmörders Peter Kürten. In einer Art Verhandlung ohne Richter lassen Peter Kürten, Peter der Ältere (Vater von Kürten), Auguste (Ehefrau von Kürten) und die sprach- und namenlose Mutter ihr Leben Revue passieren, legen Rechenschaft ab und versuchen zu begreifen – oder auch nicht.
In diesem Prozess der Ernüchterung sprechen sie alle. Der Vater, gewalttätiger Tyrann und Trinker, der sich keiner Schuld bewusst ist. Die Mutter, stumm in der Fron der Hausarbeit gefangen, die nur durch ihre Lieder verrät, dass da noch Gefühle sind. Die Ehefrau, die selbst einen Menschen tötete, und spät begreift, auf wen sie sich da eingelassen hat. Und Kürten, der nur schweigend hatte handeln können, plötzlich aus freiem Entschluss redet und allmählich aus seinem Wahn erwacht.
Der Wächter, Erzähler, Chronist und manchmal philosophischer Deuter, der die Handlung vorantreibt und auf ein Ende drängt.

 

Der Text für Kürten, seinem Vater und seiner Ehefrau wurde historischen Protokollen entnommen und geringfügig dramaturgisch ver-dichtet. Das Gesprochene entspricht der Wahrheit, fügt Mosaikstein zu Mosaikstein, treibt die Figuren zur Konfrontation und choreografiert subtil ein Mit- und Gegeneinander, das zum Nachdenken anregt.
2. Wie sind Sie darauf gekommen ein Theaterstück über Peter Kürten zu machen?
Ich hörte zufällig, dass die Dramaturgie des ‚Düsseldorfer Altstadtherbst‘ den Wunsch hatte, ein „kriminales Stück“ ins Programm aufzunehmen. Nach einem kurzem Gespräch, bekam ich den Auftrag, einen Vorschlag zu machen und bei Gefallen, diesen auch zu inszenieren. Ich wühlte mich ohne Erfolg (nichts gefiel mir) durch vorhandenes kriminales Bühnenmaterial. „Es sollte doch etwas mit Düsseldorf zu tun haben“, war mein nächster Gedanke. Und so stößt man unweigerlich auf Peter Kürten. Zunächst war mir der Fall zu „blutrünstig“, ich wollte irgendwie nicht. Je mehr ich jedoch über den Fall las, desto neugieriger wurde ich. Es gab viele örtliche Gemeinsamkeiten zw. Kürten und meiner Düsseldorfer Geschichte. Die Orte der Handlungen, der Wohnort waren mir allzu bekannt. Kürten machte in seinen jungen einige Dinge, die auch ich in ähnlicher Weise tat. Und da fragte ich mich: Wie wird man eigentlich zu einem Menschen, der in der Lage ist, so viele natürliche Grenzen zu überschreiten? Ich wollte wissen: „Wer IST (dieser Mensch) der Mörder?“ und warum wurde er, was er wurde…?
3. Wie geht man es an einen Serienmörder auf die Bühne zu bringen?
Mich hat eigentlich nur der psychologische Prozess des Werdens dieses Menschen und die allgemeine philosophische Frage nach dem Bösen im Menschen interessiert. Und das habe ich versucht auf die Bühne zu bringen.
4. Ist es eigentlich gerecht einem Serienmörder so viel Aufmerksamkeit zu widmen?
Gerecht!? Wenn man diesem Menschen schon in seiner Kindheit keine Aufmerksamkeit schenkte! Dann denke ich, ist es mehr als („gerecht“) wichtig, uns die Geschichten des Werdens solcher Kreaturen anzuschauen, denn diese Menschen werden weiterhin überall auf dieser Welt „gemacht“!!
5. Wieso übt der Serienmörder Peter Kürten 80 Jahre nach seiner Hinrichtung immer noch eine Faszination auf uns aus?
Für mich gibt es da keine Faszination. Nur der Glaube an die Notwendigkeit uns auch mit diesen Dingen der menschlichen Existenzen beschäftigen zu müssen. Denn wir sind ja verantwortlich!!
Ich bedanke mich bei W.A.Wirringa, dass er die Zeit gefunden hat, die Fragen zu beantworten.

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[1] Wer ist der Mörder? Krimi-Kammerspiel über den Düsseldorfer Mörder Peter Kürten von Wolfgang Wirringa, Programm des Altsatdtherbsts 2008, http://www.altstadtherbst.de/2008/programm/WerIstDerMoerder_2.htm (abgerufen am 13.03.2011)

[2]Peter Kürten Doku-Drama „Wer ist der Mörder?,  http://www.youtube.com/watch?v=lKHmmXcPmFQ (abgerufen am 13.03.2011)

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Faszination Serienmörder (5): Fünf Fragen an Cornelius Schumann II

Cornelius Schumann II wurde 1951 in Bad Godesberg geboren und studierte zwischen 1977 und 1982 Kunstgeschichte, Völkerkunde und Rechtswissenschaften an der Universität zu Köln. 1982-1985 leistete er sein Referendariat am Landgericht Köln ab und beteiligte sich an der Konzeption des Drehbuchs seines Freundes und Kollegen Ulrich Hermanski für eine Dokumentation des WDR über Peter Kürten und übernahm sogar die Rolle des Verteidigers in der Umsetzung der Dokumentation. Seit 1987 ist er als Rechtsanwalt in Düsseldorf tätig, seit 2000 ist er Fachanwalt für Strafrecht. Sein Tätigkeitsbereich umfasst allgemeines und besonderes Strafrecht, Kapitaldelikte, Steuerstraftaten, Wirtschaftsstraftaten, Umweltstraftaten, Maßregelvollzugsrecht und Revisionsrecht.
Auch wenn seine Beschäftigung mit dem Fall Peter Kürten schon etwas länger zurück liegt (wenn man von einem Besuch im Projektseminar an der Heinrich-Heine-Universität in diesem Semester absieht), war er so freundlich fünf Fragen dazu zu beantworten.
1. Herr Schumann, Sie sind Rechtsanwalt und Strafverteidiger in Düsseldorf. Würden Sie das Mandat für die Verteidigung Peter Kürtens annehmen?
Ja, natürlich würde ich ein solches Mandat annehmen. Was sollte dagegen sprechen? Die Grausamkeiten der jeweiligen Taten? Die hohe Anzahl der Taten? Als Verteidiger mache ich mich doch nicht zum Spießgesellen des Täters. Es geht –auch in solchen Fällen- immer nur darum, der Rechtsprechung und damit der Gerechtigkeit auf die Füße zu helfen und dafür Sorge zu tragen, dass die strafprozessualen Rechte eines Angeklagten und das materielle Strafrecht von der Justiz beachtet werden.
2. Sie haben in einer WDR-Dokumentation den Verteidiger Kürtens gespielt. Wie verteidigt man einen Serienmörder?
Die Frage ist schwierig zu beantworten. Wenn man davon ausgeht, dass heute die Taten auf Grund der modernen technischen Möglichkeiten sicherlich leichter und überzeugender nachgewiesen werden würden, ist vermutlich ‚Schweigen‘ nicht der richtige Weg. ‚Schön reden‘ kann man die Taten aber auch nicht. Vermutlich würde ich eher versuchen wollen, im Bereich der Schuldfähigkeit anzusetzen. Dies könnte als Folge die Einweisung in die Psychiatrie nach sich ziehen, was gegebenenfalls auch die „angenehmere“ Form des Strafvollzuges sein könnte. Bei einer Verurteilung, die, wie das LG Düsseldorf seinerzeit von Schuldfähigkeit ausgeht, hätte der Täter heute mit lebenslanger Haft und anschließender Sicherungsverwahrung zu rechnen.
3. Sie haben zusammen mit Ihrem Freund Ullrich Hermanski am Drehbuch der Dokumentation gearbeitet: Was ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Ich erinnere mich besonders gerne an das spannende Aufarbeiten der damaligen Ermittlungsakten (Dokumente, Bilder, Zeitungsausrisse etc.) in den Räumen des Hauptstaatsarchives im Schloss Kalkum und die wirklich netten und kompetenten Mitarbeiter dort.

4. Hat die Beschäftigung mit dem Fall Peter Kürten Einfluss auf Ihre Arbeit als Strafverteidiger gehabt?
Natürlich erinnere ich mich das eine oder andere Mal an Dinge, die mit dem Fall Kürten in Berührung stehen. Dies aber weniger im Zusammenhang mit meiner Arbeit als Strafverteidiger, denn als Bürger dieser Stadt.
Wir hatten damals bei der Vorarbeit zum Film die Tatorte aufgesucht, auch um die jeweiligen Drehmöglichkeiten zu eruieren. Ich glaube, ich würde auch heute noch jeden Tatort finden. Jedenfalls weiß ich immer schön schaurige Geschichten zu erzählen, wenn ich an diesen Orten auf Spaziergängen vorbeikomme.
5. Wieso übt der Serienmörder Peter Kürten 80 Jahre nach seiner Hinrichtung immer noch eine Faszination auf uns aus?
Wir sind als Menschen wohl alle immer noch manchmal wie Kinder, die sich gerne gruseln wollen und die Vorstellung, dass es da jemanden gab, der Brände gelegt, Schwänen den Hals aufgeschlitzt, Blut getrunken und andere Menschen mit Hämmern und Scheren verletzt und getötet hat, erfüllt wohl dieses Bedürfnis. Anders als Dracula, Das Pendel und Freitag, der 13. ist „Kürten“ tatsächlich geschehen und gewesen und zeigt damit auch, was der Mensch fähig ist zu tun und nicht nur zu denken. Diese Erkenntnis und das damit verbundene Erschauern, denke ich, ist das Fesselnde an Geschichten über wahre Verbrechen.

Faszination Serienmörder (4): Fünf Fragen an Ulrich Hermanski

Ulrich Hermanski ist Leiter des Pressereferats im Justizministerium des Landes Nordrhein-Westfalen. Nachdem er 1985 sein zweites juristisches Staatsexamen ablegte, arbeitete er als Redakteur für die Rheinische Post, die Nachrichtenagenturen dpa und ddp, bis er sich sich 2002 dazu entschloss als freier Journalist und Rechtsanwalt zu arbeiten. Seit 2005 leitet er das Pressereferat im Justizministerium.
Bereits zu Beginn seiner journalistischen und juristischen Laufbahn bekam Ulrich Hermanski die Gelegenheit sich mit dem Thema Peter Kürten zu beschäftigen, als er für eine TV-Dokumentation des WDR das Drehbuch verfasste. Dabei wurde er von seinem Freund und Kollegen Cornelius Schumann II unterstützt. Er hat sich freundlicherweise die Zeit genommen, fünf Fragen zur Faszination Serienmörder zu beantworten.

1. Herr Hermanski, wie sind Sie dazu gekommen eine Dokumentation über Peter Kürten zu drehen?

Ein Kölner Fernsehproduzent suchte für sein Filmprojekt jemanden, der juristisch und journalistisch arbeiten kann. Über den Rechtsanwalt, bei dem ich damals während meiner Referendarzeit beschäftigt war und der von meinen journalistischen Aktivitäten wusste, kam der Kontakt zu mir zustande. Der Produzent und ich haben uns getroffen, einige Details gesprochen, und wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass ich das Drehbuch für einen Dokumentarfilm zum „Fall Kürten“ schreiben soll. Es war übrigens mein erstes Drehbuch und ist bis heute das einzige geblieben.

2. Die Geschichte von Peter Kürten in 45 Minuten Film – widmen wir ihm damit zu wenig oder zu viel Zeit?

Natürlich könnte man den „Fall Kürten“ wegen seiner ungeheuren Komplexität locker auch in drei Filmen zu je 45 Minuten abhandeln. Aber andererseits muss man sehen, dass 45 Minuten für eine Fernseh-Dokumentation schon eine ordentliche Sendezeit sind und man ein Sujet ja auch so aufbereiten muss, dass die Zuschauer bis zum Ende bei der Stange bleiben.

3. Sie hatten noch die Gelegenheit, mit einer Zeitzeugin zu sprechen. Wie beschrieb Sie die Atmosphäre in der Stadt zur damaligen Zeit?

Es war beeindruckend zu erleben, mit welchen Emotionen die alte Dame reagierte, als sie über ihre Eindrücke erzählte. Da wurde einiges von dem Schrecken und der Panik lebendig, die Kürten Ende der 20-er/ Anfang der 30-er Jahre in Düsseldorf entfacht hat. Unsere Zeitzeugin sprach ja auch davon, dass sie möglicherweise einmal abends auf dem Heimweg von Kürten verfolgt worden sei. Ob das stimmt, vermag ich nicht zu sagen, aber bei der Schilderung stand ihr – Jahrzehnte nach dem Erlebnis – die Angst noch immer in die Augen geschrieben. Und schon das allein ist, meine ich, bezeichnend.

4. Wie würden Sie heute versuchen, einen Film über Kürten zu drehen?

Grundsätzlich würde ich wohl nicht anders an das Projekt herangehen als in den 80-er Jahren. Die Quellenlage hat sich ja im Vergleich zu dieser Zeit nicht wirklich geändert. Zeitzeugen werden immer schwerer zu finden sein. Ob ich aber alle Elemente des Films noch einmal so übernehmen würde, weiß ich nicht, denn die Dramaturgie war uns von der zuständigen Redaktion des WDR vorgegeben. Heute würden wir natürlich auch die veränderten Sehgewohnheiten berücksichtigen und vielleicht die eine oder andere technische Möglichkeit nutzen, die es vor reichlich 25 Jahren noch nicht gab.

5. Wieso übt der Serienmörder Peter Kürten 80 Jahre nach seiner Hinrichtung immer noch eine Faszination auf uns aus?

Wir haben es mit einem Sadisten zu tun, dem es gelungen ist, auf eine noch immer schwer fassbare Weise eine ganze Region zu tyrannisieren und zu traumatisieren. Das hat in dieser Form in Deutschland wohl niemand mehr geschafft. Daher hat das Faszinosum die Jahrzehnte überdauert. Andererseits ist es bemerkenswert, dass Grundstrukturen des Falls auch in unserer heutigen Gesellschaft weiterbestehen. Nur ein paar Beispiele: Der mediale Hype um spektakuläre Verbrechen, die dadurch angefeuerte Hysterisierung in der Bevölkerung und der Politik, der ungeheure Erwartungsdruck in Richtung Ermittler und Justiz, durchgeknallte „Trittbrettfahrer“ mit einer perversen Freude am Entsetzen ihrer Mitmenschen – da ist Vieles auch 80 Jahre nach Kürtens Hinrichtung aktuell.

Herr Hermanski, vielen Dank.

Faszination Serienmörder (3): Fünf Fragen an Hartmut Bühler

Hartmut Bühler ist Portraitfotograf und wohnt und arbeitet in Düsseldorf. Zu seinen Kunden gehören namhafte Zeitschriften wie DIE ZEIT, DIE WELT, der SPIEGEL und zahlreiche deutsche und internationale Unternehmen wie die Deutsche Bank, Lufthansa, Henkel, die Messe Düsseldorf, der Deutsche Olympische Sportbund und viele andere. 2008 stieß er auf Werbung für Straßenbahnfahrten zum Thema Kürten und auf Plakate für Theateraufführungen. Da er selbst in Flingern in der Nähe des damals berüchtigten „Mordgebiets“ wohnt, beschäftigte er sich mit Peter Kürten und den Tatorten der Mordfällen. Er war so freundlich fünf Fragen zur Faszination des Serienmords zu beantworten.
1. Herr Bühler, Sie haben versucht, die Tatorte Peter Kürtens mit der Kamera einzufangen. Was haben Sie gedacht, als Sie das erste Mal vor dem Haus des Mörders standen?
Das Haus in der Mettmanner Straße [Siehe Flyer für das Symposium rechts, Anm. JNK] ist unscheinbar, grau und banal. Jedoch kann eine unscheinbare Fassade ein Innenleben beherbergen, das sich von seiner Hülle „um 180 Grad“ unterscheidet. A là Raupe und Schmetterling. Nur, in diesem Falle ist der Schmetterling ein Teufel in Menschengestalt gewesen.
2. Sie hatten leider nicht die Zeit Ihr Projekt zu verwirklichen. Können Sie kurz skizzieren, wie Sie die Tatorte fotografisch darstellen wollten?
Ideal wäre gewesen, ohne Zeitdruck zu arbeiten:
  • mit historischer Kamera der damaligen Polizei, (z. B. Fotokamera Ermanox, hergestellt in Dresden) zu fotografieren.
  • Immer an den Tagen und Uhrzeiten, an dem die Mordopfer gefunden wurden bzw. von der Polizei fotografiert wurden, sollten die Fotos gemacht werden,  Wg. Licht und Vegetation…
  • Mit damaligen Absperrbändern oder dergleichen. Oder den heutigen bekannten Absperrungsfolien.Mit den Markierungs-Nummern bzw. Schildtafeln, mt denen diverse Tatdetails markiert und dann fotografiert werden.
  • Umrißlinien der Opfer auf Boden zeichnen: wäre zu sehr BILD-haft.
  • Tatwerkzeuge dazu legen
  • Personen in Größe und Alter der Mordopfer simulieren die Toten. (Zu aufwendig. Und Honorar hätte ich nicht zahlen können.)
Anfangs hatte ich immer ein Holzkreuz dazu mit Foto der Opfer… aber das läßt sich nicht durchziehen.
Herr Bühler war so freundlich einige Arbeitsfotos, die er in der Vorbereitung anfertigte, zur Verfügung zu stellen: 
Köln-Mühlheim, in dem Eckhaus ermordete Kürten 1913 Christine Klein.

© Hartmut Bühler
Der Hellweg in Düsseldorf, an dem Rudolf Scheer im Februar 1929 ermordet wurde.

© Hartmut Bühler

 

In der Nähe der Grafenberger Allee fand man im November 1929 die Leiche des Kindes Gertrud Albermann.

© Hartmut Bühler
3. Können Sie – gerade im digitalen Zeitalter – als erfahrener Fotograf etwas zur Schwierigkeit der damaligen (Tatort)-Fotografie erklären?
Ich denke, mit den damaligen sehr großen Kameras und ihrer aus unserer Sicht heute schwerfälligen Handhabung war es bereits eine sportliche Leistung, Tatorte mit der Kamera festzuhalten. Daher größten Respekt vor den damaligen Fotografen und Polizisten. Sind wir nicht alle heute viel zu bequem und träge geworden?
4. Wenn Sie Fotografien von 1929 und von heute vergleichen: Wie hat sich das Bild der Stadt gewandelt?
Hm, die Autos und Gebäude von damals hatten Ausstrahlung und Magie. Mehr als das meiste, was heute fährt oder steht (bezieht sich auf die Gebäudesubstanz und Architektur). Das ist meine subjektive Sicht.
5. Wieso übt der Serienmörder Peter Kürten 80 Jahre nach seiner Hinrichtung immer noch eine Faszination auf uns aus?
Kriminelle und Verbrecher sind faszinierender als „Gutmenschen“. Ist es deshalb nicht schlimm um unsere Psyche, unsere Gedankengänge bestellt?
Herr Bühler, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, die Fragen zu beantworten und das sie die Bilder zur Verfügung gestellt haben. Wer mehr über die Arbeit Hartmut Bühlers erfahren möchte, kann seine Homepage besuchen: http://www.hsbuehler.com/

Faszination Serienmörder (2): Fünf Fragen an Thomas Richhardt

Thomas Richhardt, 1971 in Neuss geboren, studierte in Düsseldorf und Bochum Diplom-Psychologie. Seit 1998 schreibt er Theaterstücke und arbeitete zunächst in dem von ihm gegründeten „Theater ungehindert“ mit professionellen und geistig-behinderten Schauspielern zusammen. Von 2000-2003 war er Dramaturg beim Kinder- und Jugendtheater der Städtische Bühnen Münster, anschließend war er bis 2006 beim Jungen Ensemble Stuttgart, wo im Januar 2006 sein Stück „Bonnie und Clyde – ein Stück für drei Schauspieler und einen Fluchtwagen“ uraufgeführt wurde. Thomas Richhardt ist seit Oktober 2006 freier Autor und Dozent des Literaturhauses Stuttgart, wo er auch lebt. Im Juli 2011 erscheint sein Handbuch „Szenisches Schreiben im Deutschunterricht“ für Lehrer und Pädagogen im Verlag Klett-Kallmeyer.
Im „Düsseldorfer Sommer“ 2000 wurde sein Stück „Schlachtfest oder Wie ich ein brauchbares Opfer werde“ im Düsseldorfer Schauspielhaus uraufgeführt. (Eine Inhalts- angabe, Pressestimmen und  eine „Leseprobe“ findet sich auf Thomas Richhardts Homepage: Dramawerkstatt.de) Auch er war so freundlich mir fünf Fragen zur Faszination des Serienmörders – und seiner Ehe – zu beantworten:
1. Herr Richhardt, worum geht es in Ihrem Stück „Schlachtfest – Oder wie ich ein brauchbares Opfer werde?“
„Schlachtfest“ ist ein Erstling für eine städtische Bühne gewesen. In einem Erstling eines Autors geht es natürlich grundsätzlich erst mal um Alles. Es geht um das Verhältnis von Peter Kürten zu seiner Frau Auguste. Es geht darum, wie viel ein Mensch in einer Liebesbeziehung ignorieren kann, es geht um das Schweigen, es geht um ein Verlangen, das sich jenseits der Vernunft abspielt, es geht um Macht, um Rausch, um Größenwahn. Ganz konkret handelt das Stück von einem Paar, das sich in einer ganz normalen Wohnung befindet und eine Lebensabrechnung verhandelt – in der Nacht vor der Verhaftung des Ehemanns.
2. Welche Reaktionen haben Sie auf Ihr Theaterstück bekommen?
Die Verlage, denen ich damals das Stück zugesendet habe, waren durchweg interessiert und die Lektoren schrieben mir – ungewöhnlich bei Ablehnungen – sogar ein paar ausführliche Rückmeldungen. „Dieses Schlachtfest findet weniger in der Realität statt, als vielmehr in einem Vorstellungsraum, einer Sehnsucht- und Angstwohnung.“ Auf der Bühne des Düsseldorfer Schauspielhaus hatte ich dann im Juli 2000 das Glück, meine Wunschbesetzung zu sehen: Irene Christ als Auguste und Hans-Werner Leupelt als Peter Kürten. Unglücklich war es hingegen, dass sich die formale Sprache des Stücks und die sehr formale Inszenierung von Frank Hörner dann gedoppelt haben. Die aufgeladene Beziehungsatmosphäre hat sich nicht so sehr ins Publikum übertragen, wie das möglich gewesen wäre. Und so fallen natürlich auch die handwerklichen Mängel eines Erstlings mehr ins Gewicht.
3. Welches Bild haben Sie von Auguste Kürten?
Ich kann mich an ein Foto aus dem Düsseldorfer Archiv erinnern, das mich merkwürdig berührt hat. Das dürfte vor ihrer Heirat mit Kürten gewesen sein: Eine blonde Frau, die ein offenes, attraktives Gesicht hat. Sie steht in da in einem Bäuerinnenkittel, der sie wahrscheinlich fülliger wirken lässt, als dies sein müsste. Sehr erdig. Aber in dem Blick, den sie wie zufällig in die Kamera richtet, liegt – ja, Verachtung. So habe ich das empfunden. Und dann habe ich mich eingehender mit dieser Frau beschäftigt. „Schlachtfest“ ist vielmehr ein Stück über Auguste als über Peter Kürten. Ich kann die obige Frage also nicht in Kürze beantworten – ich habe immerhin ein ganzes Stück gebraucht, um zu merken, dass ich sie letztendlich nicht beantworten kann.
4. Serienmörder sind eigentlich immer Männer. Warum eigentlich?
Es gibt da – glaube ich – irgendeine Theorie zu, die etwas mit dem Aggressionsverhalten von Männern zu tun hat. Aber das interessiert mich eigentlich nicht. Ich glaube, Frauen morden einfach anders. Oder sie werden nicht geschnappt.
5. Wieso übt der Serienmörder Peter Kürten 80 Jahre nach seiner Hinrichtung immer noch eine Faszination auf uns aus?
Nein, K. selbst übt keine Faszination mehr aus. Es ist das Monströse der Taten, das Unbegreifliche seiner Beziehungen, die Unfassbarkeit, warum er so lange unentdeckt geblieben ist, sein ewiges Nasenbluten, wenn er nach Hause zu seiner Frau kam – das übt immer noch Faszination aus.
Herr Richhardts, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, die Fragen zu beantworten.

Faszination Serienmörder (1): Fünf Fragen an Jürgen Ehlers

Jürgen Ehlers stammt aus Hamburg und arbeitet dort seit seiner Promotion 1978 als Geologe im Geologischen Landesamt. 1990 wurde er habilitiert. Seit 1992 schreibt er Kurzkrimis, 2006 erhielt er den Friedrich-Glauser-Preis in der Sparte Kurzgeschichten. 2005 veröffentlichte er seinen ersten großen Kriminalroman. Unter dem Titel „Mitgegangen“ (erschienen bei KVB-Krimis) schreibt er über den Fall Peter Kürten und erzählt aus Sicht des Kriminalkommissars Wilhelm Berger die Jagd auf den Vampir von Düsseldorf.  Freundlicher Weise hat er fünf Fragen zur Faszination des Serienmörders beantwortet:
1. Herr Ehlers, Sie haben den Roman „Mitgegangen“ verfasst. Wie kamen Sie darauf einen Kriminalroman über Peter Kürten zu schreiben?
Das war reiner Zufall. Ich hatte vor vielen Jahren in einem Hamburger Antiquariat vier Bücher aus den 1950er Jahren zum Thema „Kriminalistik“ billig erworben. Drei davon waren uninteressant, das vierte war „Der Fall Kürten“ von Steiner und Gay. Ich habe das Buch gelesen und dann wegen der schrecklichen Tatortfotos weit weggestellt, so dass unsere Kinder es nicht finden sollten. –
Damals hatte ich gerade erst angefangen, Kurzkrimis zu schreiben. Ich hatte das Gefühl, einen Roman könnte ich nicht schreiben, und einen historischen Stoff schon gar nicht. Dann kamen Anfragen wegen historischer Kurzkrimis, und ich habe festgestellt, dass ich das doch konnte. Und danach habe ich schließlich den Roman über den Fall Kürten in Angriff genommen.
2. Wie haben Sie versucht mit der Zeit um 1929 „Kontakt“ aufzunehmen? War es einfach oder eher schwierig?
Es war relativ einfach. Am wichtigsten waren zwei Quellen: Die Akten des Falles Kürten im Staatsarchiv und die Mikrofilme der Zeitungen, vor allem der „Düsseldorfer Nachrichten“, im Institut für Zeitungsforschung in Dortmund. Sowohl in den Akten als auch in den Zeitungen finden sich viele Hinweise, die man nutzen kann. Was für Filme sind damals gelaufen? „Mutterliebe“ zum Beispiel (mit Henny Porten) oder „Die Frau im Mond“ (von Fritz Lang). Welche Ereignisse haben die Menschen bewegt? Dazu gehört der Weltflug des Zeppelins L 127, und dazu gehört der „Schwarze Freitag“. Aktien des Siegen-Solinger Gußstahl-Aktienvereins hat mein Vater damals auch besessen, aber im Gegensatz zur Jutta in meinem Buch hat ihm niemand gesagt: „Sofort alles verkaufen!“ Da war das Geld dann weg.
3. Warum haben Sie die Perspektive des „Jägers“ gewählt und nicht die des Mörders?
Das Rätsel hat mich gereizt. Als Eiszeitforscher bin ich gewohnt, den Ablauf längst vergangener Ereignisse auf Grund von Spuren und Indizien zu rekonstruieren. Meine Polizisten tun das auch. Ich habe außerdem geglaubt, dass ich die Jäger frei gestalten könnte. Das stimmte nicht ganz, da sowohl Ernst Gennat als auch Otto Busdorf ziemlich bekannte Figuren sind, an denen ich nicht viel ändern konnte.
4. Durch Ihr Buch haben Sie Peter Kürtens Taten Aufmerksamkeit in einem breiteren Publikum verschafft. Sollte man ihn nicht lieber vergessen?
Ich bin der Meinung, dass es falsch wäre, unangenehme Dinge einfach auszuklammern. Man muss sich damit auseinandersetzen und versuchen zu verstehen, was da eigentlich abgelaufen ist. Wo sind Fehler gemacht worden? Kann man daraus etwas lernen?
5. Wieso übt der Serienmörder Peter Kürten 80 Jahre nach seiner Hinrichtung immer noch eine Faszination auf uns aus?
Das Böse ist immer faszinierend. In Goethes „Faust“ ist ja auch nicht der Herr Dr. Faust die interessante Figur, sondern der Mephisto. Man muss dabei aufpassen, dass man sich von der Faszination des Bösen nicht zu sehr gefangennehmen lässt. Kürten ist kein „Vampir“ und keine „Bestie“, sondern lediglich ein extrem gefährlicher Mensch, und die Aufgabe der Polizei ist es nicht, ihn zu töten, sondern ihn unschädlich zu machen.
Herr Ehlers, vielen Dank für Ihre Zeit.