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Faszination Serienmörder (6): Fünf Fragen an Wolfgang Wirringa

Wolfgang A. Wirringa, 1957 in Düsseldorf geboren, ist Schauspieler, Regisseur und Autor. Für den Altstadtherbst 2008 verfasste er das Krimi-Kammerspiel „Wer ist der Mörder?“ und führte auch Regie. Hintergrund des Stücks ist die Geschichte des Serienmörder Peter Kürten. Ein Auszug aus der Ankündigung im Programmheft:
Die lebensgeschichtliche Entwicklung von Peter Kürten bildet die Grundlage der Handlung in diesem Fünf-Personen-Stück, das Wirringa in der ärmlichen Frühzeit der Weimar Republik in einer „Wartehalle“ spielen lässt. Dieser Ort des Geschehens wird zum Sinnbild eines Ortes, „an dem wir“, so Wirringa, „so lange verweilen müssen, bis wir lernen zu verstehen, was in unserem Leben geschehen ist. Erst dann lässt sich auf die eine oder andere Weise Verantwortung übernehmen“. In dieser Wartehalle begegnet man Peter. Aber Peter ist nicht allein. Mit ihm „warten“ sein Vater, seine Ehefrau und eine namenlose Frau. In der Wartehalle befinden sich einige wenige Gegenstände, die den Wartenden an sein früheres Leben erinnern sollen. Und jede Wartehalle hat einen „weißen“ Wächter, der geduldig darauf wartet, dass man Verantwortung übernimmt. Angesichts der heute unvermindert präsenten Berichte über Serienmörder schärft dieses Theaterstück somit auch den Blick auf die aktuellen Fragen nach Schuld und Sühne.[1]

Auf W.A.Wirringas Homepage findet sich auch folgender, bei Youtube eingestellter Prolog des Theaterstücks: [2]

Auch Wolfgang A.Wirringa war so freundlich fünf Fragen zur Frage nach der Faszination des Serienmörders zu beantworten.

 

1. Herr Wirringa, Ihr Theaterstück „Wer ist der Mörder?“ wurde beim Altstadtherbst ’08 aufgeführt. Wovon handelt es?
 
Wie wird man eigentlich zu einem Serienmörder? Um diese zentrale Frage ringen die Figuren im imaginären Wartesaal zur Ewigkeit des Düsseldorfer Serienmörders Peter Kürten. In einer Art Verhandlung ohne Richter lassen Peter Kürten, Peter der Ältere (Vater von Kürten), Auguste (Ehefrau von Kürten) und die sprach- und namenlose Mutter ihr Leben Revue passieren, legen Rechenschaft ab und versuchen zu begreifen – oder auch nicht.
In diesem Prozess der Ernüchterung sprechen sie alle. Der Vater, gewalttätiger Tyrann und Trinker, der sich keiner Schuld bewusst ist. Die Mutter, stumm in der Fron der Hausarbeit gefangen, die nur durch ihre Lieder verrät, dass da noch Gefühle sind. Die Ehefrau, die selbst einen Menschen tötete, und spät begreift, auf wen sie sich da eingelassen hat. Und Kürten, der nur schweigend hatte handeln können, plötzlich aus freiem Entschluss redet und allmählich aus seinem Wahn erwacht.
Der Wächter, Erzähler, Chronist und manchmal philosophischer Deuter, der die Handlung vorantreibt und auf ein Ende drängt.

 

Der Text für Kürten, seinem Vater und seiner Ehefrau wurde historischen Protokollen entnommen und geringfügig dramaturgisch ver-dichtet. Das Gesprochene entspricht der Wahrheit, fügt Mosaikstein zu Mosaikstein, treibt die Figuren zur Konfrontation und choreografiert subtil ein Mit- und Gegeneinander, das zum Nachdenken anregt.
2. Wie sind Sie darauf gekommen ein Theaterstück über Peter Kürten zu machen?
Ich hörte zufällig, dass die Dramaturgie des ‚Düsseldorfer Altstadtherbst‘ den Wunsch hatte, ein „kriminales Stück“ ins Programm aufzunehmen. Nach einem kurzem Gespräch, bekam ich den Auftrag, einen Vorschlag zu machen und bei Gefallen, diesen auch zu inszenieren. Ich wühlte mich ohne Erfolg (nichts gefiel mir) durch vorhandenes kriminales Bühnenmaterial. „Es sollte doch etwas mit Düsseldorf zu tun haben“, war mein nächster Gedanke. Und so stößt man unweigerlich auf Peter Kürten. Zunächst war mir der Fall zu „blutrünstig“, ich wollte irgendwie nicht. Je mehr ich jedoch über den Fall las, desto neugieriger wurde ich. Es gab viele örtliche Gemeinsamkeiten zw. Kürten und meiner Düsseldorfer Geschichte. Die Orte der Handlungen, der Wohnort waren mir allzu bekannt. Kürten machte in seinen jungen einige Dinge, die auch ich in ähnlicher Weise tat. Und da fragte ich mich: Wie wird man eigentlich zu einem Menschen, der in der Lage ist, so viele natürliche Grenzen zu überschreiten? Ich wollte wissen: „Wer IST (dieser Mensch) der Mörder?“ und warum wurde er, was er wurde…?
3. Wie geht man es an einen Serienmörder auf die Bühne zu bringen?
Mich hat eigentlich nur der psychologische Prozess des Werdens dieses Menschen und die allgemeine philosophische Frage nach dem Bösen im Menschen interessiert. Und das habe ich versucht auf die Bühne zu bringen.
4. Ist es eigentlich gerecht einem Serienmörder so viel Aufmerksamkeit zu widmen?
Gerecht!? Wenn man diesem Menschen schon in seiner Kindheit keine Aufmerksamkeit schenkte! Dann denke ich, ist es mehr als („gerecht“) wichtig, uns die Geschichten des Werdens solcher Kreaturen anzuschauen, denn diese Menschen werden weiterhin überall auf dieser Welt „gemacht“!!
5. Wieso übt der Serienmörder Peter Kürten 80 Jahre nach seiner Hinrichtung immer noch eine Faszination auf uns aus?
Für mich gibt es da keine Faszination. Nur der Glaube an die Notwendigkeit uns auch mit diesen Dingen der menschlichen Existenzen beschäftigen zu müssen. Denn wir sind ja verantwortlich!!
Ich bedanke mich bei W.A.Wirringa, dass er die Zeit gefunden hat, die Fragen zu beantworten.

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[1] Wer ist der Mörder? Krimi-Kammerspiel über den Düsseldorfer Mörder Peter Kürten von Wolfgang Wirringa, Programm des Altsatdtherbsts 2008, http://www.altstadtherbst.de/2008/programm/WerIstDerMoerder_2.htm (abgerufen am 13.03.2011)

[2]Peter Kürten Doku-Drama „Wer ist der Mörder?,  http://www.youtube.com/watch?v=lKHmmXcPmFQ (abgerufen am 13.03.2011)

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