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Faszination Serienmörder (2): Fünf Fragen an Thomas Richhardt

Thomas Richhardt, 1971 in Neuss geboren, studierte in Düsseldorf und Bochum Diplom-Psychologie. Seit 1998 schreibt er Theaterstücke und arbeitete zunächst in dem von ihm gegründeten „Theater ungehindert“ mit professionellen und geistig-behinderten Schauspielern zusammen. Von 2000-2003 war er Dramaturg beim Kinder- und Jugendtheater der Städtische Bühnen Münster, anschließend war er bis 2006 beim Jungen Ensemble Stuttgart, wo im Januar 2006 sein Stück „Bonnie und Clyde – ein Stück für drei Schauspieler und einen Fluchtwagen“ uraufgeführt wurde. Thomas Richhardt ist seit Oktober 2006 freier Autor und Dozent des Literaturhauses Stuttgart, wo er auch lebt. Im Juli 2011 erscheint sein Handbuch „Szenisches Schreiben im Deutschunterricht“ für Lehrer und Pädagogen im Verlag Klett-Kallmeyer.
Im „Düsseldorfer Sommer“ 2000 wurde sein Stück „Schlachtfest oder Wie ich ein brauchbares Opfer werde“ im Düsseldorfer Schauspielhaus uraufgeführt. (Eine Inhalts- angabe, Pressestimmen und  eine „Leseprobe“ findet sich auf Thomas Richhardts Homepage: Dramawerkstatt.de) Auch er war so freundlich mir fünf Fragen zur Faszination des Serienmörders – und seiner Ehe – zu beantworten:
1. Herr Richhardt, worum geht es in Ihrem Stück „Schlachtfest – Oder wie ich ein brauchbares Opfer werde?“
„Schlachtfest“ ist ein Erstling für eine städtische Bühne gewesen. In einem Erstling eines Autors geht es natürlich grundsätzlich erst mal um Alles. Es geht um das Verhältnis von Peter Kürten zu seiner Frau Auguste. Es geht darum, wie viel ein Mensch in einer Liebesbeziehung ignorieren kann, es geht um das Schweigen, es geht um ein Verlangen, das sich jenseits der Vernunft abspielt, es geht um Macht, um Rausch, um Größenwahn. Ganz konkret handelt das Stück von einem Paar, das sich in einer ganz normalen Wohnung befindet und eine Lebensabrechnung verhandelt – in der Nacht vor der Verhaftung des Ehemanns.
2. Welche Reaktionen haben Sie auf Ihr Theaterstück bekommen?
Die Verlage, denen ich damals das Stück zugesendet habe, waren durchweg interessiert und die Lektoren schrieben mir – ungewöhnlich bei Ablehnungen – sogar ein paar ausführliche Rückmeldungen. „Dieses Schlachtfest findet weniger in der Realität statt, als vielmehr in einem Vorstellungsraum, einer Sehnsucht- und Angstwohnung.“ Auf der Bühne des Düsseldorfer Schauspielhaus hatte ich dann im Juli 2000 das Glück, meine Wunschbesetzung zu sehen: Irene Christ als Auguste und Hans-Werner Leupelt als Peter Kürten. Unglücklich war es hingegen, dass sich die formale Sprache des Stücks und die sehr formale Inszenierung von Frank Hörner dann gedoppelt haben. Die aufgeladene Beziehungsatmosphäre hat sich nicht so sehr ins Publikum übertragen, wie das möglich gewesen wäre. Und so fallen natürlich auch die handwerklichen Mängel eines Erstlings mehr ins Gewicht.
3. Welches Bild haben Sie von Auguste Kürten?
Ich kann mich an ein Foto aus dem Düsseldorfer Archiv erinnern, das mich merkwürdig berührt hat. Das dürfte vor ihrer Heirat mit Kürten gewesen sein: Eine blonde Frau, die ein offenes, attraktives Gesicht hat. Sie steht in da in einem Bäuerinnenkittel, der sie wahrscheinlich fülliger wirken lässt, als dies sein müsste. Sehr erdig. Aber in dem Blick, den sie wie zufällig in die Kamera richtet, liegt – ja, Verachtung. So habe ich das empfunden. Und dann habe ich mich eingehender mit dieser Frau beschäftigt. „Schlachtfest“ ist vielmehr ein Stück über Auguste als über Peter Kürten. Ich kann die obige Frage also nicht in Kürze beantworten – ich habe immerhin ein ganzes Stück gebraucht, um zu merken, dass ich sie letztendlich nicht beantworten kann.
4. Serienmörder sind eigentlich immer Männer. Warum eigentlich?
Es gibt da – glaube ich – irgendeine Theorie zu, die etwas mit dem Aggressionsverhalten von Männern zu tun hat. Aber das interessiert mich eigentlich nicht. Ich glaube, Frauen morden einfach anders. Oder sie werden nicht geschnappt.
5. Wieso übt der Serienmörder Peter Kürten 80 Jahre nach seiner Hinrichtung immer noch eine Faszination auf uns aus?
Nein, K. selbst übt keine Faszination mehr aus. Es ist das Monströse der Taten, das Unbegreifliche seiner Beziehungen, die Unfassbarkeit, warum er so lange unentdeckt geblieben ist, sein ewiges Nasenbluten, wenn er nach Hause zu seiner Frau kam – das übt immer noch Faszination aus.
Herr Richhardts, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, die Fragen zu beantworten.