Faszination Serienmörder (1): Fünf Fragen an Jürgen Ehlers

Jürgen Ehlers stammt aus Hamburg und arbeitet dort seit seiner Promotion 1978 als Geologe im Geologischen Landesamt. 1990 wurde er habilitiert. Seit 1992 schreibt er Kurzkrimis, 2006 erhielt er den Friedrich-Glauser-Preis in der Sparte Kurzgeschichten. 2005 veröffentlichte er seinen ersten großen Kriminalroman. Unter dem Titel „Mitgegangen“ (erschienen bei KVB-Krimis) schreibt er über den Fall Peter Kürten und erzählt aus Sicht des Kriminalkommissars Wilhelm Berger die Jagd auf den Vampir von Düsseldorf.  Freundlicher Weise hat er fünf Fragen zur Faszination des Serienmörders beantwortet:
1. Herr Ehlers, Sie haben den Roman „Mitgegangen“ verfasst. Wie kamen Sie darauf einen Kriminalroman über Peter Kürten zu schreiben?
Das war reiner Zufall. Ich hatte vor vielen Jahren in einem Hamburger Antiquariat vier Bücher aus den 1950er Jahren zum Thema „Kriminalistik“ billig erworben. Drei davon waren uninteressant, das vierte war „Der Fall Kürten“ von Steiner und Gay. Ich habe das Buch gelesen und dann wegen der schrecklichen Tatortfotos weit weggestellt, so dass unsere Kinder es nicht finden sollten. –
Damals hatte ich gerade erst angefangen, Kurzkrimis zu schreiben. Ich hatte das Gefühl, einen Roman könnte ich nicht schreiben, und einen historischen Stoff schon gar nicht. Dann kamen Anfragen wegen historischer Kurzkrimis, und ich habe festgestellt, dass ich das doch konnte. Und danach habe ich schließlich den Roman über den Fall Kürten in Angriff genommen.
2. Wie haben Sie versucht mit der Zeit um 1929 „Kontakt“ aufzunehmen? War es einfach oder eher schwierig?
Es war relativ einfach. Am wichtigsten waren zwei Quellen: Die Akten des Falles Kürten im Staatsarchiv und die Mikrofilme der Zeitungen, vor allem der „Düsseldorfer Nachrichten“, im Institut für Zeitungsforschung in Dortmund. Sowohl in den Akten als auch in den Zeitungen finden sich viele Hinweise, die man nutzen kann. Was für Filme sind damals gelaufen? „Mutterliebe“ zum Beispiel (mit Henny Porten) oder „Die Frau im Mond“ (von Fritz Lang). Welche Ereignisse haben die Menschen bewegt? Dazu gehört der Weltflug des Zeppelins L 127, und dazu gehört der „Schwarze Freitag“. Aktien des Siegen-Solinger Gußstahl-Aktienvereins hat mein Vater damals auch besessen, aber im Gegensatz zur Jutta in meinem Buch hat ihm niemand gesagt: „Sofort alles verkaufen!“ Da war das Geld dann weg.
3. Warum haben Sie die Perspektive des „Jägers“ gewählt und nicht die des Mörders?
Das Rätsel hat mich gereizt. Als Eiszeitforscher bin ich gewohnt, den Ablauf längst vergangener Ereignisse auf Grund von Spuren und Indizien zu rekonstruieren. Meine Polizisten tun das auch. Ich habe außerdem geglaubt, dass ich die Jäger frei gestalten könnte. Das stimmte nicht ganz, da sowohl Ernst Gennat als auch Otto Busdorf ziemlich bekannte Figuren sind, an denen ich nicht viel ändern konnte.
4. Durch Ihr Buch haben Sie Peter Kürtens Taten Aufmerksamkeit in einem breiteren Publikum verschafft. Sollte man ihn nicht lieber vergessen?
Ich bin der Meinung, dass es falsch wäre, unangenehme Dinge einfach auszuklammern. Man muss sich damit auseinandersetzen und versuchen zu verstehen, was da eigentlich abgelaufen ist. Wo sind Fehler gemacht worden? Kann man daraus etwas lernen?
5. Wieso übt der Serienmörder Peter Kürten 80 Jahre nach seiner Hinrichtung immer noch eine Faszination auf uns aus?
Das Böse ist immer faszinierend. In Goethes „Faust“ ist ja auch nicht der Herr Dr. Faust die interessante Figur, sondern der Mephisto. Man muss dabei aufpassen, dass man sich von der Faszination des Bösen nicht zu sehr gefangennehmen lässt. Kürten ist kein „Vampir“ und keine „Bestie“, sondern lediglich ein extrem gefährlicher Mensch, und die Aufgabe der Polizei ist es nicht, ihn zu töten, sondern ihn unschädlich zu machen.
Herr Ehlers, vielen Dank für Ihre Zeit.