„Es fehlen alle die unmotivierten stereotypen, manierierten Absonderlichkeiten in Haltung und Bewegung von Gesichtsmimik, Ausdrucks- und anderen Bewegungen des Körpers und der Sprache, welche die Anzeichen katatoner Störungen, des Spanungs- irreseins oder Triebirreseines sind.“[1]
„Die Taten Kürtens stellen sich uns also in der Weise dar: Zum Zweck der sexuellen Befriedigung hat Kürten seine Taten geplant, unternommen und durchgeführt, die sexuelle Befriedigung war von ihm nur durch Gewalttaten vollendet möglich; die in der Sühneidee von ihm zusammengefaße denkerische Theorie ermöglichte es ihm, jede Hemmung beiseite zu schieben, die nach einer Tat für die nächste Tat entstehen konnte; Großmanns- sucht und Phantasieausmalung gaben ihm zu den Gesamthergängen das affektive Beharren.“[2]
Den Ergebnissen zur Geisteskrankheit, Motiven und dem freien Willen folgt dann eine ärztliche Einordnung der Persönlichkeit Kürtens. Prof.Sioli führte dazu eine Untersuchung der „Erbeigenschaften“ durch, die auf einem Ahnentafel eines Dr.Neustadt und der Charakterisierung Kürtens beruht. Es wird dabei klar, dass nur auf der väterliche Seite eine „außerordentliche Häufung gleicher Eigenschaften“ zu erkennen ist. Dazu gehören:
„Geisteskrankheit in geringem Maße, Kriminalität in stärkerem Maße, Trunksucht in noch stärkerem Maße und am stärksten verbreitet […] Großmannssucht, lebhafte[…] Phantasietätigkeit, Reizbarkeit und gesteigerte Sexualität.“[3]
Die Geisteskrankheiten, die dort festgestellt wurde, sind vermutlich keine, die vererbt, sondern während des Lebens erworben wurden, z.B. durch den Alkohol oder Syphilis- erkrankungen. Prof. Sioli erklärt im Anschluss daran noch einmal ausdrücklich, das das Vorhandensein von Erbeigenschaften nicht die Verantwortung für die Entwicklung im Leben ersetzt.
Als sicher steht für Prof.Sioli fest, dass Peter Kürten eine schlimme Jugendzeit hatte, die besonders von seinem prügelnden und trinkenden Vater beherrscht war. Alle seine wesentlichsten Eigenschaften wurde bis zu seinem 16 Lebensjahr – als er von zu Hause ausriß – entwickelt.
„Wir sehen in der Persönlichkeitsentwicklung Kürtens als wichtigste Eigenschaft die Entstehung und immer konsequentere Entwicklung der sadistische Perversion an, die in früher Jugend entstand, die in Phantasie und Handlung ihn dauernd beschäftigt […].“[4]
Auch Prof.Sioli betont, ebenso wie Prof.Berg, dass Kürten neben seinen negativen Eigenschaften auch andere besitzt. So seien ihm zarte Gefühle und Triebe nicht fremd, was sich besonders in seinem Verhältnis zu seiner Frau äußere. Auch schaffte er es „in seiner schrecklichtsten Zeit der Mordlust“ sich seinem Vater anzunähern und sich mit ihm auszusprechen. In seiner Phantasie stellte er sich auch die dankbare, jubelnde Stadt Düsseldorf vor, die nun vom Düsseldorfer Mörder befreit sei. Ein weitere positive Eigenschaft ist seine intellektuelle Geistesfähigkeit und seine Bildung.[5] Abschließend stellt Prof.Sioli fest:
„Für Menschen, in denen einzelne höhere Eigenschaften gerade das Triebleben zu einer besonderen Höhe entwickelt sind, hat die medizinische Wissenschaft den Begriff der Psychopathie, die Abartung im Seelischen, ohne daß dies Abartung von der medizinischen Wissenschaft als Krankheit im engeren Sinne oder als unabänderliche, dem freien Willen entzogene Veränderung betrachtet wird. Und so erscheint es uns medizinisch gesehen die Persönlichkeit Kürtens.“[6]
[2] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.241.
[3] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.244.
[4] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.251.
[5] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.232-253.
[6] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.252.