Archiv der Kategorie: Die Person

Hinter Gittern (4): Das Gnadengesuch

Am 22.Mai 1931 stellte der Verteidiger Peter Kürtens in dessen Auftrag den Antrag „die über den verurteilte verhängte Todesstrafe im Gnadengesuch in lebenslängliche Zuchthausstrafe umzuwandeln.“[1] Diesen Worten stellte er die Bitte seines Mandanten voran, der ihm am 27.April 1931 geschrieben hatte. Kürten führte in dem Brief aus, dass er einige Gesichtspunkte der Verteidigungsrede dafür noch einmal vortragen solle: die Frage nach der „Überlegung“ zum Tatzeitpunkt (schließlich könne kein Mensch be- urteilen, wie es in ihm selbst ausgesehen habe), seine erbliche Belastung, das „Martyrium seiner Jugend“ und die Folgen des Strafvollzugs. Kürten schreibt: „Es wäre wohl niemand, der in meinen Kinderschuhen gesteckt hätte, unbeschadet durchs Leben gegangen, aber höchstwahr- scheinlich auch schwer verunglückt.“[2]
Am 3.Juni 1931 folgte dann die Stellungnahme des Ober- staatsanwalts. Dieser stellt fest, dass das Urteil (zugestellt am 29.5.1931) in „tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht“ ohne Makel sei. Er geht dann auf das Geständnis ein und bestätigt noch einmal, dass das Urteil angemessen war. Er spricht sich für die Vollstreckung der Strafe aus, da Kürten einer Begnadigung unwürdig sei. Der Oberstaatsanwalt beschreibt ihn als sittliche verkommen, als Verachter von Menschenleben und als grausamen Kindermörder. Reue oder Mitleid habe Kürten nicht gezeigt, die Schlußworte im Prozeß seien unecht und mit Berechnung auf das Gnadengesuch ausgesprochen, was auch in der Urteilsbegründung so gesehen werde. Die Gesellschaft hätte einen Anspruch auf dauerhaften Schutz gegenüber einem solchen Verbrecher, wie sie nur die Todesstrafe gewähren würde. Kürten hätte mehrfach in seinem Leben die Gelegenheit gehabt sich zu bessern, doch diese Chancen habe er allesamt nicht wahrgenommen. Er sei überhaupt nur aus einem Grund von Altenburg nach Düsseldorf gekommen: um neue Straftaten zu begehen. Außerdem, so führte der Oberstaatsanwalt aus, würde das Volk eine Begnadigung nicht verstehen und auch die Presse sei überwiegend dafür, lediglich prinzipielle Gegner der Todesstrafe sprächen sich dagegen aus. Dies sei aber in diesem Fall zu vernachlässigen, da ein Rechtsirrtum ausgeschlossen sei.[3]
Der Stellungnahme des Oberstaatsanwalts ist eine Stellungnahme des Polizeipräsidenten beigefügt. Sie datiert vom 19.Juni 1931. Der Polizeipräsident führt aus, dass die Stimmung im Volke für eine Vollstreckung der Todesstrafe sei, auch wenn die Presse sich mit grundsätzlichen Erwägungen zur Todesstrafe zu Wort melde. Außerdem sei das Volk für Kürten zu schützen. Kürten sei es ohne weiteres zuzutrauen aus dem Gefängnis auszu- brechen, wie es einem Mörder am 15.6.31 in Lüttringhausen gelungen sei. Ebenfalls sprächen sich die Angehörigen der ermordeten Kinder für den Vollzug der Todesstrafe aus.[4]
Auch der Direktor der Strafanstalt äußert sich am 19.Juni 1931 zum Gnadengesuch. Die Anstaltskonferenz stimmte am selben Tag für Ablehnung des Gnadengesuch, nur der katholische Pfarrer habe sich der Stimme enthalten. Es folgt darauf ein Bericht über die Haftzeit Kürtens seit dem 7.Juni 1930, der einen Einblick in seine Gemütsverfassung gibt. Kürten benahm sich als sei er Herr der Situation und verlangte zahlreiche Extra-Wünsche, die ihm gewährt wurden, wenn er drohte die Aussage zu verweigern. Unter anderem verlangte er Kautabak einer anderen Marke, einen neuen Zellenanstrich, andere Matratzen oder eine Zelle zur Sonnenseite hin. Diese Wünsche wären ihm aber alle nicht gewährt worden. Als im Herbst 1930 ein Gutachter aus Bonn auf Antrag des Verteidigers ihn untersuchte, brachte dieser seine Privatsekretärin mit. Kürten erklärte daraufhin, dass die Frau einen schönen Hals habe und er nicht garantieren könne, dass er sich einmal auf sie stürzen könne. Der Gutachter verzichten anschließend darauf die Sekretärin weiterhin mitzubringen. Auch der Verteidiger hätte seinerseits größte Probleme mit Kürten gehabt und habe nur mit ihm reden können, wenn er ihm Rauchwaren, Genußmittel, Zeitungen oder ein bestimmtes Weißbrot mitbrachte. Seit Dezember 1930 besuchte er den Gottesdienst. Trotz nächtlichem Licht und Bewachung durch einen Beamten schlafe er seelenruhig und hätte den ersten Verhandlungstag verschlafen, wäre er nicht geweckt worden. An den Verhandlungstagen achtete er darauf perfekt frisiert und gekleidet zu sein. Nach dem Urteil wurde Kürten auf Anordnung des Präsidenten des Strafvollzugsamts in Sträflingskleidung gesteckt und aller Vergünstigungen wurden ihm entzogen, worauf er bereute das Urteil angenommen zu haben. Er sprach dann auf oft Reue und Mitleid mit den Opfer, was aber „entsprechend seiner andersgearteten Persönlichkeit […] von der Reue anderer Menschen wohl zu unterscheiden sei.“ Er stellte auch dar, dass die jetzige Staatsregierung aufgrund ihrer Einstellung die einzige Gewähr für ein erfolgreiches Gnadengesuch sei, was -so erklärte der Anstaltsdirektor- der wahre Grund für die unverzügliche Annahme des Urteils gewesen sei. Außerdem äußert der Anstaltsdirektor die Sorge, dass sich Kürten trotz strengster Sicherungs- maßnahmen an einem Mitgefangenen oder Beamten vergreifen könnte.[5]
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[1] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.260.

[2] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.260..
[3] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.261ff..
[4] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.264f..
[5] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.267ff..

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Die vollen bibliographischen Angaben, soweit hier nicht genannt, sind am unteren Ende der Seite aufgeführt.

Hinter Gittern (3): Die Untersuchung von Prof.Sioli

Nachdem gestern an dieser Stelle die Analyse von Karl Berg vorgestellt wurde, soll nun gleiches mit den Erkenntnissen des Leiters der Grafenberger Anstalt geschehen. Die Gespräche von Prof.Franz Sioli mit Peter Kürten dauerten vom 7.Oktober 1930 bis zum 2.November 1930. Die ärztliche Begutachtung teilt Prof.Sioli in drei Kapitel: Die Frage nach einer möglichen Geisteskrankheit, die Frage ob die freie Willensbewilligung aufgehoben wurde und schließlich eine ärztliche Ausführung zur Persönlichkeit Kürtens.
Wie Prof.Berg stellt Prof.Sioli fest, dass es keine körperlichen Anzeichen für eine Geisteskrankheit gibt und das er auch während der Untersuchung keinerlei Anzeichen dafür entdeckt hat. Es gab keine Anzeichen für eine krankhafte Affektstörung.
„Es fehlen alle die unmotivierten stereotypen, manierierten Absonderlichkeiten in Haltung und Bewegung von Gesichtsmimik, Ausdrucks- und anderen Bewegungen des Körpers und der Sprache, welche die Anzeichen katatoner Störungen, des Spanungs- irreseins oder Triebirreseines sind.“[1]
Zwei „geistige Vorgänge“ erörtert Prof.Sioli anschließend: Die „Sühneidee“ und die „Stimmen“ die Kürten gehört haben will. Zu letzterem Punkt stellt Sioli fest, dass dies keine Sinnestäuschungen waren, sondern Phantasie- vorstellungen Peter Kürtens, denen „die Möglichkeit der Verwechslung mit der Wirklichkeit völlig fehlt.“ Kürten war besser als anderen Menschen imstande sich Phantasie- vorstellungen lebendig auszumalen, was aber kein krankhaft Zug war.
Die Sühneidee, die Kürten erst in den Untersuchungen so formuliert und die in den polizeilichen Vernehmungen als Rachegedanke zu Tage kommt, ist für Prof.Sioli kein „krankhaft entstandender unkorrigierbarer Irrtum des Kürten, sondern eine von ihm selbst denkerisch gebildete  Rechtfertigungstheorie.“ Doch ebenso wie Karl Berg stellt Sioli fest, dass die Sühneidee lediglich ein Teil seiner sexuellen Befriedigung war und nicht zu den Tatmotiven zählt, sondern erst anschließend auftaucht.
Weiterhin untersuchte Prof.Sioli ob temporäre Bewußt- seinsstörungen bei Kürten vorliegen, ob er möglicherweise seine Geständnisse erfunden haben könnte oder ob er eine bestehende krankhafte Störung zu verheimlichen versucht. Prof.Sioli kommt zu dem Erkenntnis, dass keine dieser Möglichkeiten zutrifft, allerdings warnt er, dass seine Begutachtung nicht auf einer klinischen Dauerbeobachtung fußt, sondern auf mehrfachen Untersuchungen im Gefängnis. Er empfiehlt eine sechswöchige Anstaltsbeobachtung und schließt sich damit einem Antrag von Prof.Berg an.
Zur zweiten Frage, ob eine Bewußtseinsstörung während der Ausführung der Taten vorlag, liegen Prof.Sioli ebenfalls keine Anzeichen vor. Die Erinnerung Kürtens ist vollständig und wird von den Zeugen bestätigt, so dass ein Zustand von Bewußtlosigkeit ausgeschlossen wird. Zusammen- fassen stellt Prof.Sioli fest:
„Die Taten Kürtens stellen sich uns also in der Weise dar: Zum Zweck der sexuellen Befriedigung hat Kürten seine Taten geplant, unternommen und durchgeführt, die sexuelle Befriedigung war von ihm nur durch Gewalttaten vollendet möglich; die in der Sühneidee von ihm zusammengefaße denkerische Theorie ermöglichte es ihm, jede Hemmung beiseite zu schieben, die nach einer Tat für die nächste Tat entstehen konnte; Großmanns- sucht und Phantasieausmalung gaben ihm zu den Gesamthergängen das affektive Beharren.“[2]

Den Ergebnissen zur Geisteskrankheit, Motiven und dem freien Willen folgt dann eine ärztliche Einordnung der Persönlichkeit Kürtens. Prof.Sioli führte dazu eine Untersuchung der „Erbeigenschaften“ durch, die auf einem Ahnentafel eines Dr.Neustadt und der Charakterisierung Kürtens beruht. Es wird dabei klar, dass nur auf der väterliche Seite eine „außerordentliche Häufung gleicher Eigenschaften“ zu erkennen ist. Dazu gehören:

„Geisteskrankheit in geringem Maße, Kriminalität in stärkerem Maße, Trunksucht in noch stärkerem Maße und am stärksten verbreitet […] Großmannssucht, lebhafte[…] Phantasietätigkeit, Reizbarkeit und gesteigerte Sexualität.“[3]

Die Geisteskrankheiten, die dort festgestellt wurde, sind vermutlich keine, die vererbt, sondern während des Lebens erworben wurden, z.B. durch den Alkohol oder Syphilis- erkrankungen. Prof. Sioli erklärt im Anschluss daran noch einmal ausdrücklich, das das Vorhandensein von Erbeigenschaften nicht die Verantwortung für die Entwicklung im Leben ersetzt.
Als sicher steht für Prof.Sioli fest, dass Peter Kürten eine schlimme Jugendzeit hatte, die besonders von seinem prügelnden und trinkenden Vater beherrscht war. Alle seine wesentlichsten Eigenschaften wurde bis zu seinem 16 Lebensjahr – als er von zu Hause ausriß – entwickelt.

„Wir sehen in der Persönlichkeitsentwicklung Kürtens als wichtigste Eigenschaft die Entstehung und immer konsequentere Entwicklung der sadistische Perversion an, die in früher Jugend entstand, die in Phantasie und Handlung ihn dauernd beschäftigt […].“[4]

Auch Prof.Sioli betont, ebenso wie Prof.Berg, dass Kürten neben seinen negativen Eigenschaften auch andere besitzt. So seien ihm zarte Gefühle und Triebe nicht fremd, was sich besonders in seinem Verhältnis zu seiner Frau äußere. Auch schaffte er es „in seiner schrecklichtsten Zeit der Mordlust“ sich seinem Vater anzunähern und sich mit ihm auszusprechen. In seiner Phantasie stellte er sich auch die dankbare, jubelnde Stadt Düsseldorf vor, die nun vom Düsseldorfer Mörder befreit sei. Ein weitere positive Eigenschaft ist seine intellektuelle Geistesfähigkeit und seine Bildung.[5] Abschließend stellt Prof.Sioli fest:

„Für Menschen, in denen einzelne höhere Eigenschaften gerade das Triebleben zu einer besonderen Höhe entwickelt sind, hat die medizinische Wissenschaft den Begriff der Psychopathie, die Abartung im Seelischen, ohne daß dies Abartung von der medizinischen Wissenschaft als Krankheit im engeren Sinne oder als unabänderliche, dem freien Willen entzogene Veränderung betrachtet wird. Und so erscheint es uns medizinisch gesehen die Persönlichkeit Kürtens.“[6]

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[1] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.232f..

[2] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.241.
[3] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.244.
[4] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.251.
[5] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.232-253.
[6] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.252.

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Hinter Gittern (2): Die Untersuchung von Prof.Berg

Nachdem Kürten in Haft genommen worden war und die kriminalistischen Voruntersuchungen abgeschlossen waren, wurde er von mindestens drei Ärzten untersucht: Gerichtsmediziner Prof.Berg, der Leiter der Grafenberger Anstalt Prof.Sioli und ein Dr.Raether begutachteten Peter Kürten. Von Prof.Berg und Prof.Sioli sind Gespräche, Berichte und Protokolle überliefert, in diesem Beitrag sollen die Schlussfolgerungen Karl Bergs aus seiner Untersuchung Kürtens vorgestellt werden.
Karl Berg beschreibt Kürten als von seiner Umwelt als harmlos und unauffällig wahrgenommener Mensch. Eine der wenigen herausragenden Eigenschaften war seine Eitelkeit. Selbst im Gefängnis bemühte er sich gut auszusehen und wirkte so auf seine Umgebung jünger als er war. Außer einer unauffälligen Narbe an der Wange und einer Rißwunde in der Kopfhaut, die durch ein Eisenstück herrührte, das ihm auf den Kopf fiel und ihm noch Jahre später Kopfschmerzen verursachte, war er ohne „körperliche Abweichungen“. Während der Haft war Kürten gegenüber seiner Umwelt freundlich und zugänglich, zu Berg „sogar zutraulich“. Auch nach langen Gesprächen zeigte er keine Anzeichen von Ermüdung oder Gereiztheit.
Gegenüber der Polizei und vor Gericht lehnte Kürten jede „sexuelle Triebfeder“ als Motiv für sein Handeln entschieden ab, er wollte nicht als „Lustmörder“ gelten. Gegenüber Berg, der ihm ärztliche Verschwiegenheit zusicherte und deren Status ihm auch der Untersuchungs- richter bestätigte, äußerte er sich offener. Berg zitiert Kürtens Äußerungen über sich selbst ausführlich, so beschreibt dieser beispielsweise seinen Drang zum Töten:
„Ich hatte eigentlich dauernd die Stimmung, Sie werden es Drang nennen, zum Umbringen. Je mehr, um so lieber. Ja, wenn ich die Mittel dazu gehabt hätte, dann hätte ich ganze Massen umgebracht, Katastrophen herbeigeführt. Jeden Abend, wenn meine Frau Spätdienst hatte, bin ich herum- gestreift nach einem Opfer. Es war aber nicht so leicht, eins zu finden.“[1]
Den sexuellen Trieb beschreibt Kürten bei sich selbst als sehr stark, der sich durch seine Taten noch verstärkte und weitere Überfälle provozierte. Befriedigung seiner sexuellen Erregung fand er nicht im Mißbrauch sondern in der Gewalt, beim Würgen oder Stechen seiner Opfer, was erklärt, warum er Frauen unterschiedlichen Alters, Kinder und einen Mann überfiel und tötete. Ein besonderes Vergnügen war für ihn,  wenn er blutende Wunden sehen konnte. Sein Trieb war nicht periodisch, sondern immer gleich stark, die unterschiedliche Auswirkungen erklärte er mit geglückten oder eben nicht geglückten Überfällen, Brandstiftungen oder Haftzeiten. Zu den Brandstiftungen erklärte er:
„In meinen Vorstellungen spielten die Brände dieselbe Rolle wie andere Massenunglücke, wenn die Leute dabei so durcheinander liefen und schrien, das war mein Vergnügen. Auch der grelle Feuerschein nachts war erregend.[…] Ich habe regelmäßig den Brand beobachtet, meist aus nächster Nähe, so daß ich schon zur Hilfeleistung herangezogen wurde. Ich befand mich sonst immer unter den Zuschauern auf der Straße […] Bei großen Bränden kam es dann immer zum Samenerguß.“[2]
Ausgehend von Kürtens Äußerungen stellt Karl Berg fest, dass Kürten als Sadist einzuordnen ist, der allerdings im Gegensatz zu anderen bekannten Sadisten und Verbrechern nie die gleiche „Arbeitsmethode“ anwandte, was das Besondere an Kürten war. Die ersten Anzeichen für den Sadismus Kürtens findet sich in dessen Kindheit, als er „Freude an Tierschlachtungen“ bemerkte. Gleichzeitig damit kamen ein kurze Phase der Sodomie. Berg urteilt:
„Sein von ihm geschildertes Tierquälen war schon sadistisch gerichtet. […] Aber er bestätigt doch die alte Erfahrung, daß frühzeitige Tierquälerei das Vorzeichen einer Künftigen Kriminalität ist.“[3]
Besonders wichtig war ihm, wie aus den Äußerungen schon deutlich geworden ist, der Anblick des austretenden Blutes:
„Das war das unfehlbare Reizmittel, um den Orgasmus auch dann noch hervorzurufen, wenn andere auch sonst oft erprobte Mittel, wie das Würgen, die Hammerschläge, nicht oder nicht schnell genug wirkten.“[4]
Karl Berg stellte fest, dass Kürten auch nicht der Mörder war, als der er sich bei der Polizei darstellte. Sein Zweck war allein die „Befriedigung des Geschlechtstriebs“. Bei Opfern, bei denen Blut floss, als sie noch lebten oder bei denen Kürten durch Würgen zur Befriedigung kam, verlor er sofort danach das Interesse. Eine Tötungsabsicht gab es nach der Ejakulation nicht mehr. Eines der vielen Beispiele dafür ist der Fall Hau. Nachdem Kürten seinem Opfer das Blut von der Lippe geküsst hatte und es zur Ejakulation gekommen war, handelten sie noch die Kosten für den Kaffee aus und Kürten verschwandt. In einigen Fällen, wie bei Maria Budlies, führte Kürten seine Opfer zurück zur Straßenbahn und verhielt sich wie ein höflicher Kavalier. Seine wiederholten Besuche an Tatorten oder auch Gräbern, zum Beispiel dem des Mädchen Christine Klein in Mülheim, fanden zu dem gleichen Zweck – der Befriedigung des Geschlechtstrieb- statt.
Dieser Betrachtung das Sadismus‘ Kürtens folgt bei Karl Berg ein weiteres Kapitel, dass den Blick auf die Person Peter Kürten noch vertieft. Er hält ihn nicht für geisteskrank im Sinne des § 51 StGB. Ein Zwang zur Ausübung war nicht vorhanden. Berg urteilt:
„Im Grunde war es doch nur eine Gewohnheit geworden, abends und an den Feiertagen auszugehen und nach einem geeigneten Opfer auszuspähen. Fand er keins, und das war glücklicherweise die Regel, so ging er eben unbefriedigt heim.“[5]
Dazu stellt Berg fest, dass Kürten auch im Moment der Ausführung der Tat wachsam war und wie im Fall Schulte bei einer Störung oder Gefahr für sich selbst sofort von seinem Vorhaben abließ.
Prof.Berg bezeichnet Peter Kürten als Psychopathen, dessen Charakter vom trunksüchtigen Vater und Vatersvater negativ beeinflusst wurde. Der Sadismus sei nur die Teil- erscheinung einer allgemeinen Psychopathie. Dazu gehört auch „sein Hang zur Lüge und Verstellung“, die er zu ungeahnter Meisterschaft kultiviert habe. Die Wirkung seiner Fähigkeiten als Schauspieler wurde durch seine Geistesgegenwart und Dreistigkeit verstärkt. Als Beispiel dient Berg hier unter anderem der Fall des Mädchens aus Herne, das ihn in der Steinstraße erkennt und anzeigen will, was er durch Androhung eine Gegenanzeige vermeiden kann.
Der Verlogenheit in Kürtens Wesen steht eine erstaunliche Offenheit gegenüber, die er gegenüber den Ärzten zeigte. Die Mischung aus Offenheit und Lüge bedingte auch die über ein halbes Jahr dauernde Voruntersuchung der Staats- anwaltschaft. Die schon angesprochene Eitelkeit, die er pflegte, spiegelte sich in seinem Innern durch seine Selbstgefälligkeit, die auch sein ausführliches Geständnis erklärt. Reue oder Mitleid  mit seinen Opfern empfand Kürten in den Gesprächen mit Prof.Berg nie.
Zu den „schätzenswerten“ Eigenschaften Kürtens zählt Berg dessen selbsterworbene Allgemeinbildung, das gute Gedächtnis, welches durch die Überprüfung des Geständnisses bestätigt wurde, und seinen scharfen Blick für alle Nebenumstände. Das Alter seiner Opfer schätzte er auch bei nur kurzem Zusammensein in der Regel sehr genau ein. [6]
Karl Bergs Analyse endet mit folgenden Worten:
„Wer sich nach den Zeitungsberichten über die entsetzlichen Verbrechen des Kürten ein Bild von ihm zurecht legt, der stellt sich ihn als einen gefühlskalten, rohen Menschen vor, als die Bestie in Menschengestalt. Der Zeitungsleser erfährt eben nur das Schreckhafte. Wer sich aber näher mit diesem seltsamen Menschen beschäftigt und zu scheiden vermag zwischen dem Sadisten Kürten und dem Menschen Kürten, der wird zu seiner Verwunderung in diesem Menschen Kürten neben manchen Mängeln auch Werte entdecken just in ähnlicher Mischung wie bei anderen Mitmenschen auch, einen zugänglichen, freundlichen Plauderer mit vielseitigen Kenntnissen und zutreffendem Urteil, der vergessen macht, daß wir dem Düsseldorfer Mörder gegenübersitzen.[7]
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[1] Karl Berg: Der Sadist, S. 145.
[2] Karl Berg: Der Sadist, S. 152f.
[3] Karl Berg: Der Sadist, S. 161.
[4] Karl Berg: Der Sadist, S. 160.
[5] Karl Berg: Der Sadist, S. 166.
[6] Karl Berg: Der Sadist, S. 143-176.
[7] Karl Berg: Der Sadist, S. 176.
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Hinter Gittern (1): Kürten im Urteil seiner Umwelt.

Als am 24.Mai 1930 Peter Kürten gefasst wurde, verbreitet sich die Nachricht am nächsten Morgen in den Sonntags- ausgaben der Düsseldorfer Zeitungen. Am Montag erschienen dann weitere Artikel, die Düsseldorfer Nachrichten druckten ein Foto des Düsseldorfer Mörders ab. Nicht nur die Polizei ermittelte in seinem Umfeld, sondern auch die Journalisten versuchten sich ein Bild von dem Mann zu machen. Man stieß auf seine kriminelle Vergangenheit und befragte das Umfeld. Die Düsseldorfer Nachrichten berichteten, dass Kürten bei seiner letzten Arbeitsstelle nicht sonderlich beliebt gewesen war und unter den Kollegen keine Freunde gefunden hatte. Er galt als arbeitsscheu und ließ sich häufig krank schreiben. Er beteiligt sich nicht an Gesprächen – auch nicht an Unterhaltungen über den Düsseldorfer Mörder – und blieb verschlossen. Kürten war dafür bekannt „daß [er] seine Frau vernachlässigte und daß er lieber Mädchen nachstellte.“ Ein Arbeitskollege beobachtet einmal erstaunt, dass Kürten Mädchen gegenüber auf einmal sehr redegewandt sein konnte. Im Haus Mettmanner Straße 71 war man, so berichtet die Zeitung, ebenfalls sehr erstaunt. über die Festnahme und das Geständnis. Viel Kontakt mit Kürten hatten die Bewohner nicht mit ihm, er bemühte sich auch hier nicht um Anschluss. Im Gegensatz dazu suchte Auguste Trost bei den Nachbarn und klagte häufig über die Affairen ihres Mannes. Vier Monate vor der Verhaftung kam es zwischen dem Vermieter und Peter Kürten zu einem Streit, der zur Kündigung des Mietverhältnisses führte, nachdem Kürten dem Vermieter gedroht hatte. An einem der nächsten Abende kamen die Kürtens zu ihrem Vermieter und Peter Kürten „[…] bat diesen wie ein gescholtenes Kind demütig um Verzeihung.“[1]
Gegenüber der Polizei sagte ein Arbeitskollege aus der Zeit als Kürten im Februar 1929 bei Schiess-Defries angestellt wurde und der seinen Spind neben dem Kürtens hatte, dass Kürten sehr naturliebend war und sie häufig mit ihren Frauen nach Feierabend den Ostpark besuchten. Auch er stellte fest, dass Kürten „zu Frauen sehr freundlich“ war. Als sie einmal am Hellweg entlang gingen, zeigte Kürten auf eine Stelle und bezeichnete diesen als Ort, an dem der Invalide Scheer gelegen habe. Darüber hinaus beschrieb der Arbeitskollege Kürten noch als geizig, er habe nie etwas von ihm bekommen.[2]
Ein ehemaliger Nachbar aus der Zeit, als die Kürtens in Altenburg lebten, bezeichnete Kürten als sonderbaren und unruhigen Menschen. Auffällig oft habe sich mehrmals an einem Abend umgezogen, um dann wegzugehen. Darüber hinaus sei er misstrauisch und schreckhaft gewesen, wenn man plötzlich in der Stube auftauchte. Kürten brachte auch noch zwei weitere Schlösser an der Wohnungstür an. Der Nachbar beobachtete, dass Kürten viel rauchte aber nur wenig Alkohol zu sich nahm. Öfters sei es vorgekommen, dass man aus der Wohnung einen heftigen Aufschlag hören konnte, was Kürten mit Epilepsieanfällen seiner Frau erklärte.[3]
Niemand unter den Befragten hätte Kürten vor dem 24.Mai 1930 für den Düsseldorfer Mörder gehalten. Er war ein seltsamer, eigenwilliger Mensch mit einem Hang zu Liebschaften, ein Mensch mit Fehlern, der aber sonst nicht auffiel.
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[1] Kürten im Urteil der Umwelt, in: Düsseldorfer Nachrichten, 26.Mai 1930, Morgen-Ausgabe, Nr.265.

[2] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.77f..
[3] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.78f..
[4] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.79f..

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Ehe (5): Auguste und Peter Kürten nach dem 25.Mai 1930

Für Auguste Kürten müssen die Ereignisse des 22., 23. und 24.Mai wie ein Albtraum gewesen sein. Erst der Verdacht der Vergewaltigung gegenüber ihrem Mann, das Auftauchen der Polizei auf der Arbeitsstelle, das Geständnis ihres Mannes und das Versprechen darüber zu schweigen, die Vernehmung bei der Kriminalpolizei, das Warten auf die Rückkehr ihres Mannes in die Adlerstraße und schließlich die Festnahme an der Rochus-Kirche vor ihren Augen. Binnen weniger Stunden zerschlagen sich ihre Hoffnungen, die aufgrund der Vergangenheit beider Eheleute schon nicht sehr hoch flogen.
Am 30.Mai 1930 sprach Oberregierungsrat Dr. Kopp mit Peter Kürten. Über seine Frau sagte er, dass ihr Schicksal das einzige sei, was ihm noch Gedanken mache. Er schilderte seine Liebe zu ihr, die sich trotz seiner Vergangenheit für ihn aufgeopfert habe. Wörtlich vermerkt der Bericht des Regierungsrats diese Aussage Kürtens: „Herr Rat, die Frau ist eine Heldin.“ Dr. Kopp hatte erwartet, dass Kürten beim Gespräch über seine Frau emotionaler werden würde, wie er es beim Gespräch mit dem Hannoveraner Serienmörder Haarmann über dessen Mutter erlebt hatte. Doch er wurde enttäuscht und erkannte bei Kürten nur „dieselbe eiskalte Ruhe, die Kürten bei der förmlichen Vernehmung gezeigt hatte“. Die Worte Kürtens über seine Frau klangen für ihn eher wie die eines Vorgesetzten, der einen Untergebenen lobt.[1]
Doch wenn auch Kürtens Worte Dr. Kropp nicht zu überzeugen vermochten, sollten seine Taten das ganze doch etwas deutlicher machen. Am 16.Juni 1930 fertigte Unter- suchungsrichter Dr. Hertel eine Aktennotiz zur ersten Vernehmung Kürtens an. Dessen erste Sorge war die Beleuchtung der Zelle, weswegen der nicht schlafen könne. Anschließend erkundigte er sich nach seiner Frau und äußerte erneut, dass er sich nur noch um sie Sorge. Er erkundigte sich, ob es möglich wäre, dass seine Frau einen Teil der Belohnung von 25.000 RM erhalte. Eine Antwort darauf konnte ihm der Untersuchungsrichter nicht geben.[2]
Am 24.Juni 1930 kam es schließlich in Gegenwart des Untersuchungsrichters und in Abwesenheit der Kriminal- beamten zu einer Begegnung mit Auguste Kürten, vermutlich im Gerichtsgebäude. Es war nicht Kürtens Wunsch seine Frau zu sehen. Der Richter fragte ihn erneut nach den Straftaten – und Kürten widerrief die Morde und Mordversuche, dafür wollte er keine Verantwortung übernehmen. Lediglich Brandstiftungen gab er zu. Am 27.Juni 1930 wurde dies noch einmal protokolliert. Kürten erklärte:
„Das sah ich […] den seelischen Zusammenbruch meiner Frau. Den wollte ich beendigen, und zwar so bald wie möglich.[…] Nach meiner Erinnerung saß doch die Frau zusammengekauert da, die Augen zu Boden geschlagen und schüttelte sich vor Schluchzen. Ich wiederhole also, ich würde mein Geständnis nicht widerrufen haben, wenn ich diese Gegenüberstellung nicht erlebt hätte.“[3]
Er erklärte weiter, dass er das Geständnis gemacht hätte, da er bei seinen Vorstrafen auch für einen Notzuchtversuch 15 Jahre bekommen würde und er deshalb weitere Mordtaten zugegeben habe, um seiner Frau die Belohnung für den Düsseldorfer Mörder zukommen zu lassen. Jedoch hätten ihn einige Äußerungen von Kriminalbeamten, Dr. Bergs und des Anstaltsarzts diese Hoffnung genommen, das dies geschehen werde. Also, so seine Aussage, gab es keinen Grund mehr ein „falsches“ Geständnis aufrecht zu halten. [4]
Der seelischen Zusammenbruch, den Kürten bei seiner Frau feststellte, blieb nicht ohne Folgen. Nach der Verhaftung Kürtens bat Auguste die Kriminalpolizei, so Kriminal-Polizeirat Momberg, um Hilfe bei der Suche nach einer neuen Wohnung, was außerordentlich schwierig war, da niemand eine Frau mit dem Namen „Kürten“ aufnehmen wollte. Auch wegen Arbeitslosen- bzw. Wohlfahrtsunterstützung sprach Auguste beim Amt in Begleitung eines Kriminal- beamten vor, allerdings war sie beim Arbeitsamt „nicht in bester Erinnerung.“ Am 26.Juli 1930 (das Datum scheint fraglich, s.u.) erschien sie erneut bei der Kriminal- polizei. Sie war in großer Aufregung, schrie und weinte, war nicht mehr zu beruhigen, verlangte ihren Mann zu sehen, um ihm etwas zu sagen und dann fortzugehen. Die Kriminalisten zogen ärztliche Hilfe hinzu. Dr. Baumeister bescheinigte:
„Frau Kürten befindet sich ein einem starken Erregungszustande und bedarf wegen der Gefahr eines Selbstmords (will weit weggehen, wo sie allein ist, hat keine Menschen nötig) sofortiger Anstaltsbehandlung.“[5]
Auguste Kürten wurde daraufhin in die Anstalt Grafenberg gebracht. Am 30.August 1930 kehrte ihr Mann zu seinem ursprünglichen Geständnis zurück.[6]
In den Gesprächen mit Prof. Sioli äußerte Kürten am 10.10.1930, dass seine Frau bereits am Tag nach der Festnahme zusammengebrochen sei und für zwei Wochen in die Anstalt nach Grafenberg gekommen sei. Danach entschloss sie sich zu Verwandten nach Leipzig zu fahren, wurde aber am Tag ihrer Abreise zu jenem geschilderten Gespräch mit ihrem Mann in Anwesenheit des Untersuchungsrichters gebeten. [7a] In der vierten Aussage am 5.7.1930 äußert sie, dass sie aus Leipzig kam, um in Düsseldorf auszusagen, sodass unklar bleibt, ob Mombachs oder Kürtens Zeitangaben zutreffender sind.[7b]
Am 27.10.1930 bat Peter Kürten Prof. Sioli, das Mitleid, dass er für ihn empfände auf seine Frau zu übertragen. Es wäre doch ungerecht, wenn seine Frau für das Büßen müsste, was er getan hätte.
„Ich habe mir schon manchmal hier gewissermaßen Vorwürfe gemacht, in letzter Zeit allerdings nicht mehr, daß ich meine Frau nicht auch umgebracht habe, dann hätte sie Ruhe gehabt und ich auch. Ich hatte damals [als er die Bitte zum ersten Mal äußerte, Anm. J.N.K.] darauf hingewiesen, daß dieses alles, dieser Berg von Schmach und Schande, den ich über meine Frau gebracht und womit ich meine Frau überhäuft habe, meine Frau besonders schwer treffen würde und sie besonders schwer zu leiden habe mit Rücksicht darauf, daß sie im Grunde genommen eine sehr empfindliche Seele ist, […]“[8]
Weitere Informationen über Auguste Kürten liegen nicht vor, auch sagen die vorhandenen Quellen nichts zur Frage der Auszahlung der Belohnung.
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[1] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.50.

[2] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.55.
[3] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.59.
[4] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.59ff.
[5] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.66.
[6] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.64 ff..
[7a] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.121.
[7b] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.94.
[8] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.172.

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Die vollen bibliographischen Angaben, soweit hier nicht genannt, sind am unteren Ende der Seite aufgeführt.

Ehe (4): Kürtens erstes Geständnis

Nachdem die Ermittler der Kriminalpolizei bei Auguste Kürten gewesen waren, hatte sich das Ehepaar Kürten auf ein Treffen im Hofgarten verabredet. Von diesem Treffen berichtete Auguste Kürten in ihrer vierten Aussage am 5.Juli 1930 ausführlich. In der Seufzer-Allee an der Düssel begegneten sich die beiden gegen 11:30 Uhr und Peter Kürten überredete seine Frau in der nahen Duisburger Straße zu Mittag zu essen. Auguste Kürten war noch so erregt von dem Besuch der Polizei, dass sie kaum Appetit verspürte und wenig aß. Anschließend, etwa gegen zwei Uhr liefen sie zur Rheinbrücke und gingen auf den Oberkasseler Rheinwiesen spazieren. Hier fragte Auguste ihren Mann, was er am Morgen mit der Äußerung, er hätte alles getan, gemeint habe.  Kürten bat um  das Versprechen seiner Frau, nichts zu verraten, das er auch erhielt. Auguste Kürten schilderte ihre Erinnerung an diesen Moment in ihrer Aussage:

„Er: Alles habe ich gemacht, ich habe alles gemacht, was hier in Düsseldorf vorgefallen ist.
Ich: Ja, was willst Du damit sagen, die Morde?
Er: Ja, die Morde und die Überfälle.
Ich: Das mit den unschuldigen Kindern auch.
Er: Ja.
Ich: Warum hast Du das denn getan? Die Kinder haben dir doch nichts getan.
Er: Nein, getan haben die mir nichts.
Ich: Warum hast du das denn gemacht?
Er: Das weiß ich selbst nicht. Das ist so über mich gekommen.
Ich: Das mit der Rosa Ohliger und dem Scheer auch? Das kann ich doch gar nicht glauben.
Er: Dann ist es auch gar nicht wahr.“[1]

 Auguste gab an, dass sie glaubte, ihr Mann „sei nicht recht bei Verstand“ und das er phantasiere. Sie fragte ihn immer weiter nach Morden und musste irgendwann einsehen, dass er nicht log. Sie gab an, dass ihr Mann an diesem Tag so niedergeschlagen wie noch nie gewesen sei und selber sagte, dass er zum ersten Mal in seinem Leben am vorangegangenen Abend geweint habe, weil gewußt habe, dass er Auguste nun verlieren würde. Er sprach hastig und vermied es seiner Frau in die Augen zu sehen, was diese noch nie so erlebt hatte.
Auguste Kürten war so geschockt, dass sie von Selbstmord sprach und Peter Kürten ihr das Versprechen abnahm sich kein Leid anzutun. [2] Man verabredet sich noch einmal für den folgenden Tag, 24.Mai 1930, an der Rochus-Kirche.
Die Angaben über dieses Treffen der Eheleute Kürten unterscheidet sich in einem Punkt: Peter Kürten gab gegenüber Prof. Berg an, dass seine Frau sich Sorgen um ihre Zukunft machte, das sie sich nun selbst versorgen müsste und im Alter mittellos sein könnte. Daraufhin drängte Kürten sie nach ihrem Treffen am nächsten Tag zur Polizei zu gehen, ihn anzuzeigen, das Geständnis zu wiederholen und damit die hohe Belohnung oder zumindest einen Teil davon zu erhalten.[3]

 

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[1] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.98.

[2] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.94-100.
[3] Karl Berg: Der Sadist, S. 106.

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Die vollen bibliographischen Angaben, soweit hier nicht genannt, sind am unteren Ende der Seite aufgeführt.

Ehe (3): Die Frau des Serienmörders

„[…]Wenn ich wüßte, wer der Täter wäre, würde ich hingehen und mir die auf ihn gesetzte Belohnung verdienen. Dann braucht eich nicht mehr zu Hemesath zu gehen und arbeiten. Er hat sich aber darauf nichts anmerken lassen.“[1]

 Diese Worte sprach Auguste Kürten irgendwann im Jahr 1929 zu ihrem Mann, so ihre Aussage am 5.7.1930. Das wirft die Frage auf, warum sie nicht gemerkt hat, dass ihr Mann der Vampir von Düsseldorf ist. Drei Punkte scheinen zur Beantwortung dieser Frage wesentlich: Die Arbeitszeiten von Auguste Kürten, die Unabhängigkeit Peter Kürtens innerhalb der Ehe und sein gewöhnliches Auftreten, das auch die Nachbarschaft, seine Kollegen und die ersten Ermittlungen der Polizei überzeugen vermochte.
Von 1928 bis April 1929 war Auguste Kürten in einer Fischbräterei beschäftigt, ab Mitte August arbeitete sie beim Café Hemesath in der Graf-Adolf-Straße (Nr. 14) in der Nähe des Graf-Adolf-Platzes, in dem sie auch oft bis spät Abends und am Wochenende arbeiten musste. Was ihr Mann in der Zeit tat, konnte sie nicht verfolgen.[2][3]
Anfang August, als in Lierenfeld Schützenfest war, kam Peter Kürten einmal erst frühmorgens nach Hause und hatte nasse Strümpfe und schmutzige Schuhe an, dazu trug einen seinen Werktagsanzug. Er war allerdings schon gegen 24 Uhr „in fröhlicher Stimmung“ zurückgekehrt, um dann wieder loszuziehen. An Manschette und Jacket erkannte Auguste Kürten Blut und fragte ihn danach. Er gab an, dass es Nasenblut sei. Auf ihre Frage, ob er mit einem Mädchen zusammen gewesen sei, antwortete er mit Nein.[4] (Die Angaben erinnern an den Mord an Maria Hahn)
Einmal bemerkte Auguste Kürten, dass sie Angst vor dem Düsseldorfer Mörder hätte, worauf Peter ihr anbot, sie von der Arbeit abzuholen und wünschte, dass man den Täter bald fassen könnte. In den Jahren in Düsseldorf habe ihr Mann „viel außerehelichen Verkehr“ gehabt, was Auguste Kürten ertrug, da sie glaubte die Ehe mit Kürten sei ein Strafe für ihre Sünden.[5] Vermutlich war das für sie auch die Erklärung für andere Spuren und sein häufiges Fernbleiben. Für sie war er ein notorische Fremdgeher, aber kein Mörder:
„Daran, daß er Morde verübt hätte, habe ich zunächst nicht gedacht. Dazu hatte ich auch keinen Grund, weil ich ja die mehreren Mädchen, mit denen er verkehrt hatte, soweit sie mir bekannt waren,  lebend wußte. Ich habe niemals, hier in Düsseldorf sowenig wie in Altenburg, irgend etwas an meinem Manne bemerkt, das auf einem Mord hingedeutet hätte.“[6]
Nimmt man die Reaktion Auguste Kürtens nach dem Geständnis Peter Kürtens als Maßstab für ihre Redlichkeit, so scheint ihre Aussage zuzutreffen. Es mag schwer zu glauben zu sein, aber Kürten war auch gegenüber seiner Ehefrau unauffällig.
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[1] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.95.
[2] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.46f..
[3] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.92.
[4] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.46.
[5] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.92f..
[6] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.94.
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Die vollen bibliographischen Angaben, soweit hier nicht genannt, sind am unteren Ende der Seite aufgeführt.

Ermittlungen (9): Kürten im Fokus

Nach dem Mord an Gertrud Albermann und dem Auffinden der Leiche von Maria Hahn meldete sich ein gewisser Wilhelm Hofer bei der Kriminalpolizei und verdächtigte den damals völlig unbekannten Peter Kürten der Tat. Er gab an, mit Peter Kürten 1928 einige Zeit in Untersuchungshaft in Düsseldorf-Derendorf gesessen zu haben. Die beiden waren Zellengenossen und waren „als Hausknechte“ im Gefängnis beschäftigt. Kürten vertraute Hofer und erzählte ihm von vergangenen „Liebesabenteuern“ und auch von einer der Haft vorangegangenen Bekannschaft eines Mädchens aus dem Zoo-Viertel. Er phantasierte auch von sexuellen Handlungen (u.a. von Bissen und von fließendem Blut), die Hofer als pervers bezeichnete. Eine Angewohnheit Kürtens in der Haft sei gewesen, jemandem, der ihm entgegen kam, plötzlich nach dem Geschlechtsteil zu greifen, was er auch bei seinem Zellengenossen tat.
Angeblich bekam Kürten in der Haft einmal einen Brief, in dem ihm angeboten wurde, dass ihm ein Teil der Haft entlassen würde, wenn er verspräche das Stadtgebiet zu verlassen. Darüber soll er sehr erbost gewesen sein und sprach von Rache an einem Staatsanwaltschaftsrat Jansen.
Während des Jahres 1929 und der Mordserie schöpfte Wilhelm Hofer zuerst keinen Verdacht und traf sogar einmal Kürten im Frühjahr im Hofgarten. Die Frau Hofers fürchtete sich vor Kürten und dessen Blicken und deswegen gab es keine weiteren Kontakte. Erst die Nachricht, dass die Ermordete in Papendell aus dem Zoo-Viertel stammte, ließ ihn Kürten verdächtigen. Er meldete seinen Verdacht unter Angebe der Äußerungen Kürtens der Polizei.[1]
Der Hinweis Wilhelm Hofers blieb bei der Polizei nicht unbearbeitet. Das erstaunliche ist, dass es der einzige Hinweis unter den tausenden eingegangen war, der Peter Kürten verdächtigte. Man zog nach der Aussage des Zellengenossen Erkundigungen über jenen Peter Kürten ein, „wobei ihm von den verschiedensten Stellen ein geradezu glänzendes Zeugnis ausgestellt wurde“, so Ernst Gennat. Auch in der Nachbarschaft und auf der Arbeitsstelle ließen sich keine Hinweise auf eine Täterschaft feststellen. Einige Fotos des Verdächtigen wurden Gertrud Schulte vorgelegt, doch sie erkannte ihn nicht. Peter Kürten wurde als Verdächtiger ausgeschlossen.[2] In den nächsten Wochen geschahen dann aber keine Morde mehr…
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[1] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.73-76.
[2] Ernst Gennat: Der Prozeß, S.205f..
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Die vollen bibliographischen Angaben, soweit hier nicht genannt, sind am unteren Ende der Seite aufgeführt.

Ermittlungen (8): Das Antlitz des Täters

Eines der fundamentalsten Mittel der Kriminalpolizei zur Ergreifung eines jeden Täters ist die Personenbeschreibung. Doch obwohl Peter Kürten nicht nur ein brutaler Mörder, sondern oft genug auch „nur“ ein brutaler Schläger war, führte dieses Mittel nicht zum Erfolg, was einerseits daran lag, das Kürten keine herausragenden körperliche Kennzeichen besaß, aber anderseits auch daran, dass sich die Zeugenaussagen widersprachen. Am genauesten und ausführlichsten schätzte die Polizei die Beobachtungen von Gertrud Schulte ein, da sie sehr lange mit Kürten zusammen war. Sie beschrieb ihn laut Ernst Gennats Angaben in den Kriminalistischen Monatsheften so:

„Alter: 34 Jahre (nach eigenen Angaben der Schulte gegenüber);
Stand: Anscheinend Arbeiter (früher angeblich bei der Post auf Paketausgabe beschäftigt gewesen);
Größe: Etwa 1,70m;
Gestalt: Schlank, kräftig;
Haar: Mittelblond;
Bart: Glatt rasiert;
Gesicht: blaß, länglich;
Stirn: hoch;
Augen: blau oder grau – nicht dunkel;
Nase: Schmal, spitz etwas nach aufwärts gebogen;
Zähne: Im Oberkiefer vollständig, im Unterkiefer fehlen – bis auf geringe Stümpfe – die beiden rechten Schneidezähne oder der zweite Schneidezahn und der daneben stehende Eckzahn;
Hände: Saubere Arbeiterhände
Sprache: Hochdeutsch, lispelt etwas, da die Zunge in die bezeichnete Zahnlücke kommt
Besondere Kennzeichen: Hält den Kopf meist etwas nach rechts schief
Bekleidung: Mittelgrauer Anzug mit dickeren Streifen; lange Hose – Schlips und Kragen – grauer Filzhut mit grauem Band – schwarze Schnürschuhe.“[1]

Im Fall Maria Hahn berichteten zwei Zeugen, die das Opfer im Ausflugslokal Stindermühle mit Kürten gesehen hatten, widersprüchliches über das Aussehen des Mannes. Eine Zeugin berichtete, dass er ca. 28 -30 Jahre alt sei, von kräftiger Gestalt war und dass er einen hellen Anzug und eine Hornbrille mit heller Einfassung trug. Die andere Zeugin (die „etwas phantastisch“ veranlagt war, so das Urteil der Polizei), berichtete von einem Mann im Alter vom 30 – 35 mit schwarzen Haaren und einem Englisch gestutzten Schnurrbart, einem ovalen Gesicht und stechenden Augen sowie einem dunklen Anzug. Übereinstimmend erklärten beide, der Mann hätte den Eindruck gemacht den höheren Ständen anzugehören.
Nach den Lierenfelder Überfällen berichtete Anna Goldhausen, dass der Täter 28 -33 Jahre alt war und einen hellen, grauen oder braunen Anzug getragen habe. Heinrich Kornblum erklärte, der Täter sei 22 -24 Jahre alt, 1,65 m groß und lispele. Das Gesicht sei rund gewesen und er habe eine graue Sportmütze und einen braunen Anzug getragen.
Hubertine Meurer beschrieb den Täter als etwa 30 Jahre alt, mittelgroß und ziemlich kräftig und bartlos. Er machte den Eindruck eines besseren Arbeiters und trug einen dunklen Schlapphut, einen dunkelbraunen oder dunkelgrünen Anzug, wahrscheinlich mit steifem Kragen und Schlips. Ernst Gennat vermerkt dazu: „Die Beschreibung ist mit besonderer Vorsicht aufzunehmen Frau M. hat schon einmal ein nicht in Betracht kommende Person als Täter ‚rekognosziert‘.“[2]
Im Fall Gertrud Albermann beobachtete die Nachbarin den Mann, der mit dem Kind wegging. Er machte auf sie den Eindruck eines besseren Angestellten, das Alter vermochte sie nicht zu bestimmen. Er trug einen dunklen Mantel mit Gürtel und einen ziemlich großen, breitrandigen Filzhut mit Schnitt. Zwei weitere Zeugen meinten nachträglich am Abend des Verschwindens die kleine Gertrud Albermann und einen Mann gesehen zu haben. Sie berichteten, dass der Mann 40-45 Jahre alt gewesen sei, einen schwarzen, herunterhängenden Schnurrbart gehabt habe, der möglicherweise angeklebt gewesen sei. Außerdem habe der Mann ein schmales eingefallenes Gesicht und eine einfache Metallbrille getragen.
Die kritische Beurteilung der Düsseldorfer und Berliner Kriminalisten um Ernst Gennat führte zu dem Schluß, dass kaum eine Personenbeschreibung der Zeugen geeignet war, daraus ein richtiges „Signalement“ zu erstellen. Man kam dem Täter nicht auf die Spur.[3]
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[1] Ernst Gennat: Die Düsseldorfer Sexualverbrechen, S.34.
[2] Ernst Gennat: Die Düsseldorfer Sexualverbrechen, S.37.
[3] Ernst Gennat: Die Düsseldorfer Sexualverbrechen, S.34-39.
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Die vollen bibliographischen Angaben, soweit hier nicht genannt, sind am unteren Ende der Seite aufgeführt.

Ehe (1): Die Heirat mit Auguste

„Am 12. Mai 1921 bin ich dann mit meinem jetzigen Mann zuerst zusammengetroffen. Er war mir von vornherein unsympathisch. Ich mochte ihn jedenfalls nicht. […] Als ich eines Samstags meine Schwester in Leipzig besuchte, wollte er mich abends am Bahnhof abholen. Um ihn los zu sein, gab ich an, daß mein Zug um 8 Uhr wieder in Altenburg sei. Ich wählte aber einen anderen Zug, der erst um 11 Uhr eintraf. Da stand er noch am Bahnhof in einer Ecke und erwartetet mich.“

Obiges Zitat stammt aus der zweiten Aussage Auguste Kürtens vom 23.Juni 1930.[1]
Diese wurde als Auguste Scharf am 20.2.1880 in Wilkowe (Schlesien) geboren. Der Vater war „Hausbesitzer“ und Schneider. 1892 brannte das Haus ab und Auguste kam zu einer Tante. Ab 1895 arbeitete sie als Hausmädchen in Rawitsch und ging 1896 nach Berlin, wo sie als Hausmädchen arbeitete, aber einem „Absteigequartier“ für Dirnen wohnte und so in Kontakt mit der Sittenpolizei der Hauptstadt kam. 1897 kam sie zu ihrem Bruder nach Leipzig, wo sie bis 1909 in einer Fabrik arbeitete. 1911 kam sie in Haft, worüber noch zu sprechen sein wird, und ging 1915 zu ihrer Schwester nach Leipzig, wo sie schneiderte. 1919 oder 1920 übernahm sie die Filiale einer Schokoladenfabrik in Altenburg, wo sie 1921 Peter Kürten kennen lernte.[2]
Wie aus dem Zitat hervorgeht, war Auguste nicht von Kürten begeistert. Sie wies ihn ab, versuchte später auch ihn mit einer anderen Frau zu verkuppeln. Schließlich, so stellt sie es dar, begannen sie ein Verhältnis, weil Kürten drohte, „ihr etwas zwischen die Rippe zu drücken“. Von seiner kriminellen Vergangenheit wusste  sie nichts, er stellte sich ihr als aus russischer Kriegsgefangen- schaft[3] entlassen vor. Sie allerdings verheimlichte ihm ihre Haft nicht. Im März 1923 heiratete Peter Kürten Auguste, auch aus den wirtschaftlichen Gründen[3a] der Inflationszeit. Die Ehe verlief in Altenburg, nachdem Kürten seine Frau einmal schlug und „Radau machte“, ohne Streit, da Auguste nun wusste, wie sie mit ihm umzugehen hatte. Im Gegenzug zeigte sich Kürten seiner Frau gegenüber als Gentleman und holte sie beispielsweise bei Gewitter ab und begleitete sie nach Hause. Die Ehe hielt Kürten nicht davon ab anderen Frauen nachzustellen.[4]
Auguste Kürten äußerte in der Vernehmung, dass Peter Kürten beim Geschlechtsverkehr nur den „üblichen Verkehr“ verlangte.[5] Nach dessen Aussage bei Prof. Sioli endeten die „Gelegenheiten der Beiwohnung“ mitunter so, dass sein Frau danach „schwarz und blau war an den Armen und anderen Körperteilen“.[6] Abgesehen davon (und von dem Verschwiegen der Haftstrafen) scheint Peter Kürten ein guter, ehrlicher und liebender Ehemann gewesen zu sein. Über seine Frau sagte er:

„Dann hat meine Frau auch eine gute Unterhaltungs- gabe gehabt, sie war auch bewandert auf vielen Gebieten, außerdem war sie auch schon etwas gereist, hatte schon was von der Welt gesehen, so daß es immer sehr interessant war ihr zuzuhören […]
Außerdem hat mir gefallen an meiner Frau, daß sie also im Vergleich zu mir gewissermaßen sittenrein war. Sie konnte nicht nicht einmal unanständige Gespräche hören oder dulden. Sie war weiterhin ordnungsliebend, fleißig und vor allen Dingen aufrichtig und ehrlich und hat immerhin in dieser Zeit [in Altenburg, Anm.J.N.K] auf mich starken Einfluß ausgeübt.“[7]

Gegenüber seiner Frau, sagte Kürten, habe er nie gewalttätige Vorstellungen gehabt, von Anfang an nicht.[8]

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[1] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.88.
[2] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.87ff.
[3] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.189ff.
[3a] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.202.
[4] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.89ff.
[5] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.93.
[6] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.189.
[7] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.190f.
[8] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.187f.
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Die vollen bibliographischen Angaben, soweit hier nicht genannt, sind am unteren Ende der Seite aufgeführt.