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Herkunft (2): Der Weg zum Straftäter

1899 beging Peter Kürten seine erste Straftat, einen Diebstahl. Ihm sollten noch 78 weitere Straftaten und drei Entlassungen aus Gefängnissen folgen, bis er 1930 gefasst, verurteilt und hingerichtet wurde. Vor Gericht verhandelt wurde 9 Morde, 32 Mordversuche, 3 Überfälle, ein Fall von Notzucht und 27 Brandstiftungen. [1]
Eine Chronologie:
  • 1899 Diebstahl von Lohngeldern, zwei Monate Haft in Düsseldorf-Derendorf
  • 1900 Hausfriedensbruch, sieben Tage Haft
  • 1900 Zechprellerei, eine Woche Haft
  • 1900 Einbruchsdiebstahl, sechs Monate Haft
  • 1900 Diebstahl, sechs Wochen Haft
  • 1901 Diebstahl von zwei Fahrrädern, zwei Jahre Haft im Gefängnis Ulmer Höhe, Entlassung Januar 1903
  • Anfang April 1903 Gewalttätigkeit, ein Jahr und drei Wochen Haft
  • Ende 1904 Verhaftung wegen Fahnenflucht (war 1903 zum Militärdienst nach Metz eingezogen worden)
  • 1905 Kriegsgericht verurteilt Kürten zu 7 Jahren Haft, die er erst in Metz und dann in Münster verbüßt.
  • 1912 Revolverschießerei, sechs Monate Haft in Derendorf, Anrath und Lingen
  • 1913 Mord an Christine Klein, ungesühnt
  • 1913 wiederholter Diebstahl, sechs Jahre Haft, zusätzlich zwei Jahre wegen Gefängnismeuterei. Haft verbüßt in Siegburg, Rheinbach und Brieg.
  • 1921 – 1925 Entlassung, zieht nach Altenburg und arbeitet in Eisengießerei. Keine Straftaten Rückkehr nach Düsseldorf im Mai 1925.
  • 1926 mehrere Verfahren, Untersuchungshaft
  • 1926 Urkundenfälschung, fünf Monate Haft
  • 1927 Heiratsschwindel, zwei Monate Haft
  • 1928 Überfälle und Brandstiftungen, acht Monate Haft [2]
Schon früh machte er Bekanntschaft mit Sadismus, Tierquälerei und Grausamkeit, unter anderem bei eine Hundefänger, der in (Köln-)Mülheim im gleichen Haus wohnte und die Tiere quälte. Im Alter von 13 Jahren versuchte er nach eigenen Angaben zum ersten Mal mit einem Schaf Geschlechtsverkehr und tötete es, als er nicht erfolgreich war. Als er nach dem ersten Diebstahl auf der Flucht war, verkehrte er erstmal mit einem Mädchen.[2a]
Während der Zeit des Strafvollzugs, den er mit 16 Jahren zum ersten Mal kennen lernte, litt Kürten nach eigener Aussage im Gespräch mit Prof. Sioli  unter der Schwere und der Grausamkeit des „preußischen Systems“. Er erklärte, dass dies auch sein Motiv für die Mordserie ab 1929 sei, was aber zweifelhaft ist, da unter seinen Opfern keine Justizangehörigen sind.[3] Schon in diesen Jahren im Gefängnis flüchtete er sich, als er in Einzelhaft saß, in Vergewaltigungs- und Tötungsphantasien um die Realität zu vergessen. Kürten gibt an, dass er wie ein wildes Tier Gutsherren und deren Töchtern bei Gefängnisbesichtigungen vorgeführt wurde, als er gefesselt war.[4]
In den letzten Kriegsjahren saß Kürten in Brieg bei Breslau unter menschenunwürdigen Zuständen in Haft, wenn seine Aussagen zutreffen. So war die Versorgung der Insassen, unter denen auch viele russische Kriegsgefangene waren, äußerst karg. Die Hungerwinter 1917 und 1918 trafen die Strafgefangenen mit besonderer Härte, viele starben.[5] Nach seiner Verurteilung erklärt er in der Haft, dass er die Hinrichtung begrüßt, da ihm so eine weitere Zeit in der Haft erspart bliebe.[6]
Nach der Entlassung lebte Kürten vier Jahre ohne in Konflikt mit dem Gesetz zu kommen in Altenburg, wo er Auguste heiratete. Als er 1925 nach Düsseldorf zurückkehrt, um dort bessere Arbeit zu finden, „[…]ging hier das alte Leid wieder los, gleich als ob hier alles verwunschen gewesen sei, da wurde ich vom Unglück gewissermaßen verfolgt.“[7]
Warum wird Peter Kürten immer wieder straffällig? Professor Sioli, Professor für Psychiatrie an der Medizinischen Akademie Düsseldorf analysiert am Ende der Befragungen:
„Es ist aus der Ahnentafel das zu entnehmen, daß Kürten sehr belastet ist von der väterlichen Ahnenseite her mit Trinksucht, krimineller Neigung und der genannten besonderen Form der Psychopathie.[…] Kürten hat eine schlimme Jugendzeit gehabt, und zwar besonders durch die Person des Vaters. […] Unentschieden bleibt es für uns, ob sein Gefühl, daß er von den Geschwistern der war, der am meisten unter dem Vater leiden mußte, daß er in der Lehrzeit ein ganz besonders malträtierter Lehrling war, objektiv begründet ist oder ob er nur subjektiv so besonders litt aus einer empfindlichen Geltungsbedüftigkeit heraus. […] Die Altenburger Zeit ist in Kürtens Leben eine Art Idyll. Er wird Bürger und genießt es Bürger zu sein. […] 1925 verzog K. nach Düsseldorf […]. Sein Geschlechtstrieb trieb ihn zu Frauen, seine geltungsbedüftige Art ließ ihn von diesen besondere Rollen spielen.“[8]

Zur Geltungssucht bemerkt Karl Berg, dass Kürten sich immer sorgfältig kleidete und Pomade und Kölnisch Wasser verwendete.[9] Auch die zahlreichen Brandstiftungen beging Kürten, um Aufmerksamkeit und sich selbst zu erregen.[10]

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[1] Karl Berg: Der Sadist, S.109f.
[2] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.333ff.
[2a] Karl Berg: Der Sadist, S.148.

[3] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.102f. Siehe auch: Karl Berg, Der Sadist, S.139.
[4] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.104ff.
[5] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.110f.
[6] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.137f.
[7] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.112.
[8] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.244ff.
[9] Karl Berg: Der Sadist, S.143.
[10] Karl Berg: Der Sadist, S.153.

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Die vollen bibliographischen Angaben, soweit hier nicht genannt, sind am unteren Ende der Seite aufgeführt.