Am 30.Mai 1930 sprach Oberregierungsrat Dr. Kopp mit Peter Kürten. Über seine Frau sagte er, dass ihr Schicksal das einzige sei, was ihm noch Gedanken mache. Er schilderte seine Liebe zu ihr, die sich trotz seiner Vergangenheit für ihn aufgeopfert habe. Wörtlich vermerkt der Bericht des Regierungsrats diese Aussage Kürtens: „Herr Rat, die Frau ist eine Heldin.“ Dr. Kopp hatte erwartet, dass Kürten beim Gespräch über seine Frau emotionaler werden würde, wie er es beim Gespräch mit dem Hannoveraner Serienmörder Haarmann über dessen Mutter erlebt hatte. Doch er wurde enttäuscht und erkannte bei Kürten nur „dieselbe eiskalte Ruhe, die Kürten bei der förmlichen Vernehmung gezeigt hatte“. Die Worte Kürtens über seine Frau klangen für ihn eher wie die eines Vorgesetzten, der einen Untergebenen lobt.[1]
Doch wenn auch Kürtens Worte Dr. Kropp nicht zu überzeugen vermochten, sollten seine Taten das ganze doch etwas deutlicher machen. Am 16.Juni 1930 fertigte Unter- suchungsrichter Dr. Hertel eine Aktennotiz zur ersten Vernehmung Kürtens an. Dessen erste Sorge war die Beleuchtung der Zelle, weswegen der nicht schlafen könne. Anschließend erkundigte er sich nach seiner Frau und äußerte erneut, dass er sich nur noch um sie Sorge. Er erkundigte sich, ob es möglich wäre, dass seine Frau einen Teil der Belohnung von 25.000 RM erhalte. Eine Antwort darauf konnte ihm der Untersuchungsrichter nicht geben.[2]
Am 24.Juni 1930 kam es schließlich in Gegenwart des Untersuchungsrichters und in Abwesenheit der Kriminal- beamten zu einer Begegnung mit Auguste Kürten, vermutlich im Gerichtsgebäude. Es war nicht Kürtens Wunsch seine Frau zu sehen. Der Richter fragte ihn erneut nach den Straftaten – und Kürten widerrief die Morde und Mordversuche, dafür wollte er keine Verantwortung übernehmen. Lediglich Brandstiftungen gab er zu. Am 27.Juni 1930 wurde dies noch einmal protokolliert. Kürten erklärte:
„Das sah ich […] den seelischen Zusammenbruch meiner Frau. Den wollte ich beendigen, und zwar so bald wie möglich.[…] Nach meiner Erinnerung saß doch die Frau zusammengekauert da, die Augen zu Boden geschlagen und schüttelte sich vor Schluchzen. Ich wiederhole also, ich würde mein Geständnis nicht widerrufen haben, wenn ich diese Gegenüberstellung nicht erlebt hätte.“[3]
Er erklärte weiter, dass er das Geständnis gemacht hätte, da er bei seinen Vorstrafen auch für einen Notzuchtversuch 15 Jahre bekommen würde und er deshalb weitere Mordtaten zugegeben habe, um seiner Frau die Belohnung für den Düsseldorfer Mörder zukommen zu lassen. Jedoch hätten ihn einige Äußerungen von Kriminalbeamten, Dr. Bergs und des Anstaltsarzts diese Hoffnung genommen, das dies geschehen werde. Also, so seine Aussage, gab es keinen Grund mehr ein „falsches“ Geständnis aufrecht zu halten. [4]
Der seelischen Zusammenbruch, den Kürten bei seiner Frau feststellte, blieb nicht ohne Folgen. Nach der Verhaftung Kürtens bat Auguste die Kriminalpolizei, so Kriminal-Polizeirat Momberg, um Hilfe bei der Suche nach einer neuen Wohnung, was außerordentlich schwierig war, da niemand eine Frau mit dem Namen „Kürten“ aufnehmen wollte. Auch wegen Arbeitslosen- bzw. Wohlfahrtsunterstützung sprach Auguste beim Amt in Begleitung eines Kriminal- beamten vor, allerdings war sie beim Arbeitsamt „nicht in bester Erinnerung.“ Am 26.Juli 1930 (das Datum scheint fraglich, s.u.) erschien sie erneut bei der Kriminal- polizei. Sie war in großer Aufregung, schrie und weinte, war nicht mehr zu beruhigen, verlangte ihren Mann zu sehen, um ihm etwas zu sagen und dann fortzugehen. Die Kriminalisten zogen ärztliche Hilfe hinzu. Dr. Baumeister bescheinigte:
„Frau Kürten befindet sich ein einem starken Erregungszustande und bedarf wegen der Gefahr eines Selbstmords (will weit weggehen, wo sie allein ist, hat keine Menschen nötig) sofortiger Anstaltsbehandlung.“[5]
Auguste Kürten wurde daraufhin in die Anstalt Grafenberg gebracht. Am 30.August 1930 kehrte ihr Mann zu seinem ursprünglichen Geständnis zurück.[6]
In den Gesprächen mit Prof. Sioli äußerte Kürten am 10.10.1930, dass seine Frau bereits am Tag nach der Festnahme zusammengebrochen sei und für zwei Wochen in die Anstalt nach Grafenberg gekommen sei. Danach entschloss sie sich zu Verwandten nach Leipzig zu fahren, wurde aber am Tag ihrer Abreise zu jenem geschilderten Gespräch mit ihrem Mann in Anwesenheit des Untersuchungsrichters gebeten. [7a] In der vierten Aussage am 5.7.1930 äußert sie, dass sie aus Leipzig kam, um in Düsseldorf auszusagen, sodass unklar bleibt, ob Mombachs oder Kürtens Zeitangaben zutreffender sind.[7b]
Am 27.10.1930 bat Peter Kürten Prof. Sioli, das Mitleid, dass er für ihn empfände auf seine Frau zu übertragen. Es wäre doch ungerecht, wenn seine Frau für das Büßen müsste, was er getan hätte.
„Ich habe mir schon manchmal hier gewissermaßen Vorwürfe gemacht, in letzter Zeit allerdings nicht mehr, daß ich meine Frau nicht auch umgebracht habe, dann hätte sie Ruhe gehabt und ich auch. Ich hatte damals [als er die Bitte zum ersten Mal äußerte, Anm. J.N.K.] darauf hingewiesen, daß dieses alles, dieser Berg von Schmach und Schande, den ich über meine Frau gebracht und womit ich meine Frau überhäuft habe, meine Frau besonders schwer treffen würde und sie besonders schwer zu leiden habe mit Rücksicht darauf, daß sie im Grunde genommen eine sehr empfindliche Seele ist, […]“[8]
Weitere Informationen über Auguste Kürten liegen nicht vor, auch sagen die vorhandenen Quellen nichts zur Frage der Auszahlung der Belohnung.
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[1] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.50.
[2] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.55.
[3] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.59.
[4] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.59ff.
[5] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.66.
[6] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.64 ff..
[7a] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.121.
[7b] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.94.
[8] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.172.
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Die vollen bibliographischen Angaben, soweit hier nicht genannt, sind am unteren Ende der Seite aufgeführt.