Archiv der Kategorie: 1930

Ehe (5): Auguste und Peter Kürten nach dem 25.Mai 1930

Für Auguste Kürten müssen die Ereignisse des 22., 23. und 24.Mai wie ein Albtraum gewesen sein. Erst der Verdacht der Vergewaltigung gegenüber ihrem Mann, das Auftauchen der Polizei auf der Arbeitsstelle, das Geständnis ihres Mannes und das Versprechen darüber zu schweigen, die Vernehmung bei der Kriminalpolizei, das Warten auf die Rückkehr ihres Mannes in die Adlerstraße und schließlich die Festnahme an der Rochus-Kirche vor ihren Augen. Binnen weniger Stunden zerschlagen sich ihre Hoffnungen, die aufgrund der Vergangenheit beider Eheleute schon nicht sehr hoch flogen.
Am 30.Mai 1930 sprach Oberregierungsrat Dr. Kopp mit Peter Kürten. Über seine Frau sagte er, dass ihr Schicksal das einzige sei, was ihm noch Gedanken mache. Er schilderte seine Liebe zu ihr, die sich trotz seiner Vergangenheit für ihn aufgeopfert habe. Wörtlich vermerkt der Bericht des Regierungsrats diese Aussage Kürtens: „Herr Rat, die Frau ist eine Heldin.“ Dr. Kopp hatte erwartet, dass Kürten beim Gespräch über seine Frau emotionaler werden würde, wie er es beim Gespräch mit dem Hannoveraner Serienmörder Haarmann über dessen Mutter erlebt hatte. Doch er wurde enttäuscht und erkannte bei Kürten nur „dieselbe eiskalte Ruhe, die Kürten bei der förmlichen Vernehmung gezeigt hatte“. Die Worte Kürtens über seine Frau klangen für ihn eher wie die eines Vorgesetzten, der einen Untergebenen lobt.[1]
Doch wenn auch Kürtens Worte Dr. Kropp nicht zu überzeugen vermochten, sollten seine Taten das ganze doch etwas deutlicher machen. Am 16.Juni 1930 fertigte Unter- suchungsrichter Dr. Hertel eine Aktennotiz zur ersten Vernehmung Kürtens an. Dessen erste Sorge war die Beleuchtung der Zelle, weswegen der nicht schlafen könne. Anschließend erkundigte er sich nach seiner Frau und äußerte erneut, dass er sich nur noch um sie Sorge. Er erkundigte sich, ob es möglich wäre, dass seine Frau einen Teil der Belohnung von 25.000 RM erhalte. Eine Antwort darauf konnte ihm der Untersuchungsrichter nicht geben.[2]
Am 24.Juni 1930 kam es schließlich in Gegenwart des Untersuchungsrichters und in Abwesenheit der Kriminal- beamten zu einer Begegnung mit Auguste Kürten, vermutlich im Gerichtsgebäude. Es war nicht Kürtens Wunsch seine Frau zu sehen. Der Richter fragte ihn erneut nach den Straftaten – und Kürten widerrief die Morde und Mordversuche, dafür wollte er keine Verantwortung übernehmen. Lediglich Brandstiftungen gab er zu. Am 27.Juni 1930 wurde dies noch einmal protokolliert. Kürten erklärte:
„Das sah ich […] den seelischen Zusammenbruch meiner Frau. Den wollte ich beendigen, und zwar so bald wie möglich.[…] Nach meiner Erinnerung saß doch die Frau zusammengekauert da, die Augen zu Boden geschlagen und schüttelte sich vor Schluchzen. Ich wiederhole also, ich würde mein Geständnis nicht widerrufen haben, wenn ich diese Gegenüberstellung nicht erlebt hätte.“[3]
Er erklärte weiter, dass er das Geständnis gemacht hätte, da er bei seinen Vorstrafen auch für einen Notzuchtversuch 15 Jahre bekommen würde und er deshalb weitere Mordtaten zugegeben habe, um seiner Frau die Belohnung für den Düsseldorfer Mörder zukommen zu lassen. Jedoch hätten ihn einige Äußerungen von Kriminalbeamten, Dr. Bergs und des Anstaltsarzts diese Hoffnung genommen, das dies geschehen werde. Also, so seine Aussage, gab es keinen Grund mehr ein „falsches“ Geständnis aufrecht zu halten. [4]
Der seelischen Zusammenbruch, den Kürten bei seiner Frau feststellte, blieb nicht ohne Folgen. Nach der Verhaftung Kürtens bat Auguste die Kriminalpolizei, so Kriminal-Polizeirat Momberg, um Hilfe bei der Suche nach einer neuen Wohnung, was außerordentlich schwierig war, da niemand eine Frau mit dem Namen „Kürten“ aufnehmen wollte. Auch wegen Arbeitslosen- bzw. Wohlfahrtsunterstützung sprach Auguste beim Amt in Begleitung eines Kriminal- beamten vor, allerdings war sie beim Arbeitsamt „nicht in bester Erinnerung.“ Am 26.Juli 1930 (das Datum scheint fraglich, s.u.) erschien sie erneut bei der Kriminal- polizei. Sie war in großer Aufregung, schrie und weinte, war nicht mehr zu beruhigen, verlangte ihren Mann zu sehen, um ihm etwas zu sagen und dann fortzugehen. Die Kriminalisten zogen ärztliche Hilfe hinzu. Dr. Baumeister bescheinigte:
„Frau Kürten befindet sich ein einem starken Erregungszustande und bedarf wegen der Gefahr eines Selbstmords (will weit weggehen, wo sie allein ist, hat keine Menschen nötig) sofortiger Anstaltsbehandlung.“[5]
Auguste Kürten wurde daraufhin in die Anstalt Grafenberg gebracht. Am 30.August 1930 kehrte ihr Mann zu seinem ursprünglichen Geständnis zurück.[6]
In den Gesprächen mit Prof. Sioli äußerte Kürten am 10.10.1930, dass seine Frau bereits am Tag nach der Festnahme zusammengebrochen sei und für zwei Wochen in die Anstalt nach Grafenberg gekommen sei. Danach entschloss sie sich zu Verwandten nach Leipzig zu fahren, wurde aber am Tag ihrer Abreise zu jenem geschilderten Gespräch mit ihrem Mann in Anwesenheit des Untersuchungsrichters gebeten. [7a] In der vierten Aussage am 5.7.1930 äußert sie, dass sie aus Leipzig kam, um in Düsseldorf auszusagen, sodass unklar bleibt, ob Mombachs oder Kürtens Zeitangaben zutreffender sind.[7b]
Am 27.10.1930 bat Peter Kürten Prof. Sioli, das Mitleid, dass er für ihn empfände auf seine Frau zu übertragen. Es wäre doch ungerecht, wenn seine Frau für das Büßen müsste, was er getan hätte.
„Ich habe mir schon manchmal hier gewissermaßen Vorwürfe gemacht, in letzter Zeit allerdings nicht mehr, daß ich meine Frau nicht auch umgebracht habe, dann hätte sie Ruhe gehabt und ich auch. Ich hatte damals [als er die Bitte zum ersten Mal äußerte, Anm. J.N.K.] darauf hingewiesen, daß dieses alles, dieser Berg von Schmach und Schande, den ich über meine Frau gebracht und womit ich meine Frau überhäuft habe, meine Frau besonders schwer treffen würde und sie besonders schwer zu leiden habe mit Rücksicht darauf, daß sie im Grunde genommen eine sehr empfindliche Seele ist, […]“[8]
Weitere Informationen über Auguste Kürten liegen nicht vor, auch sagen die vorhandenen Quellen nichts zur Frage der Auszahlung der Belohnung.
– – – – – – – – – – – – – – – –
[1] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.50.

[2] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.55.
[3] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.59.
[4] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.59ff.
[5] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.66.
[6] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.64 ff..
[7a] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.121.
[7b] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.94.
[8] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.172.

– – – – – – – – – – – – – – – –
Die vollen bibliographischen Angaben, soweit hier nicht genannt, sind am unteren Ende der Seite aufgeführt.

Tatort (18): Fall Budlies

Kürten traf Maria Budlies am Hauptbahnhof südöstlich der Stadtmitte. Der Weg ging dann über Graf-Adolf-Straße, Karlstraße, Klosterstraße und Kölner Straße einmal nördlich am Hauptbahnhof vorbei und dann zum Volksgarten im Süden dieses Kartenausschnitts. Kürtens Wohnung in Flingern in der Mettmanner Straße 71 ist mit einer lila Markierung versehen. Den Überfall im Grafenberger Wald markiert die östlichste Nadel im Nordosten. Das Gertrudisheim, wo Maria Budlies anschließend unterkam, findet sich an der Ulmenstraße im Nordwesten.

Die Akte (18): Maria Budlies (14.Mai 1930)

Am 14.Mai 1930 kam die wohnungs- und arbeitslose Maria Budlies von Köln nach Düsseldorf und traf am Bahnhof eine „Frau Brückner“, mit der sie sich für 20 Uhr verabredete. Doch die Frau tauchte nicht auf. Stattdessen sprach ein Mann sie an und bot ihr eine Wohnung an. Diese Szene beobachtete Peter Kürten und folgte dem Paar über die Graf-Adolf-Straße, Karlstraße, Klosterstraße, Kölner Straße und Stoffeler Straße zum Volksgarten. Der Mann wollte mit dem Mädchen in den dunklen Park gehen, dieses wehrte sich dagegen. Kürten trat hinzu und Maria Budlies erzählte, der Mann habe ihr eine Übernachtungsmöglichkeit bei seiner Schwester in der Achenbachstraße angeboten. Diese liegt jedoch nördlich der Grafenberger Allee und nicht am Volkspark. Der Mann entfernte sich und Maria Budlies kam vom Regen in die Traufe. Vom Düsseldorfer Serienmörder wurde sie vor einem Mann mit zweifelhaften Motiven gerettet.
Peter Kürten brachte sie zunächst in seine Wohnung in der Mettmanner Straße 71, wo sie gegen 23 Uhr ankamen. Dort fühlte sich Maria Budlies aber nicht mehr wohl und Kürten bot an sie woanders unterzubringen. Er führte sie in den Grafenberger Wald durch die Wolfsschlucht. Dort legte er die Hände an den Hals der Frau, küsste sie und drängte sie zum Geschlechtsverkehr, der im Stehen vollzogen wurde. Laut Kürten verneinte sie ihm gegenüber Schmerzen verspürt zu haben. Anschließend brachte er sie zur Straßenbahn, blieb allerdings in Sichtweite der Haltestelle zurück, da er fürchtete, dass sie zur nahen Polizeistation laufen würde.
Maria Budlies irrte in der Nacht durch die Stadt und strandete schließlich im Getrudisheim. Von dort schrieb sie ihrer Bekannten, Frau Brückner, einen Brief, in dem sie das Geschehen schilderte.
Tatort (18): Fall Budlies
– – – – – – – – – – – – – – – –
[1] Karl Berg: Der Sadist, S.103ff.
– – – – – – – – – – – – – – – –
Die vollen bibliographischen Angaben, soweit hier nicht genannt, sind am unteren Ende der Seite aufgeführt.

Tatort (17): Die Fälle Mädchen aus Herne, Hau, Ulrich, Bell

Die Karte der Kürtenschen Mord- und Überfälle. Genaue Informationen zu den einzelnen Markierungen und Fällen finden sich beim Klick darauf.
Einige Anmerkungen zu den Fällen des Mädchens aus Herne, Hau, Ullrich und Bell sollen hier aber noch gemacht werden:
Das Mädchen aus Herne: Die Steinstraße, wo das Mädchen Kürten wiedererkannte, findet sich im Südwesten der Karte.
Der Überfall auf Frau Hau fand im Hofgarten statt, die symbolisiert die blaue Markierung im Südwesten.
Den Überfall auf Charlotte Ullrich an der Schönen Aussicht zeigt die mittlere Markierung im Grafenberger Wald im Nordosten der Stadt an.
Im Fall Bell markieren die gelben Markierungen am Rheinpark und am Nordfriedhof, beide im Nordwesten, Orte, wo beide sich trafen.

Weitere Angaben finden sich beim direkten Aufruf der Karte.

Die Akte (17): Das Mädchen aus Herne, Frau Hau, Charlotte Ullrich, Gertrud Bell (April – Mai 1930)

Wie schon im vorangegangen Eintrag sollen an dieser Stelle in einem Sammelbeitrag die Überfälle zwischen April und Mai kurz vorgestellt werden. Auch sie verliefen einigermaßen glimpflich für die Opfer.
Das Mädchen aus Herne konnte von der Polizei später nicht mehr ermittelt werden, weswegen sie diesen komischen Namen trägt. Auch die genaue Zeit konnte nicht ermittelt werden, der Überfall wird irgendwann zwischen Ende März und Anfang April stattgefunden haben. Peter Kürten sprach das 20jährige Mädchen am Bahnhof an und beide fuhren erst in ein Café und dann nach Oberkassel. Kürten würgte sie an einer nicht genannten abgelegenen Stelle. Das Mädchen rief laut um Hilfe und Kürten ließ von ihr ab. Kürten sagte aus:

„Am folgenden Sonntag sah ich sie wieder[…]. Ich bog in die Steinstraße ein. Plötzlich wurde ich am Arm gefaßt: ‚Kommen Sie mal mit zum Schutzmann!‘ Ich erkannte das Mädchen sofort wieder und sagte: ‚Wollen Sie auch mal mit zum Schutzmann kommen, um sich zu verantworten, daß Sie mir mein Porte- monnaie mit 30 Mark gestohlen haben!‘ Damit schüttelte ich sie ab.“[1]

Am 3.April 1930 traf Peter Kürten auf der Königsallee die 30jährige Frau Hau. Er ging mit ihr in ein Café und anschließend in den Hofgarten. Frau Hau sagte aus, dass sich Kürten als Bautechniker Franz Becker vorstellte und ihr im Hofgarten eine Liebeserklärung machte. Er griff ihr gegen 23 Uhr plötzlich unter die Röcke, woraufhin die Frau ihm ins Gesicht schlug. Kürten schlug zurück. Von seinem Schlag blutete sie aus dem Mund. Sie sagte gegenüber der Polizei:

„Er sagte mir, das sei nun der Dank dafür, daß er mich mit ins Café genommen hätte. Ich gab ihm 3 Mark, worauf er mir 2,15 Mark zurückgab. Er küßte mir das Blut vom Munde. Er wollte mich noch weiter anhalten, ich lief aber fort. Er rief mir noch nach: ‚Du kannst froh sein, daß wir nicht allein im Hofgarten sind!'“[2]

Am 30.April 1930 folgte der schwerste Überfall dieser Zeit. Kürten traf zwischen 21 und 24 Uhr Charlotte Ulrich, die aus Duisburg stammte und die letzte Bahn dorthin verpasst hatte. Kürten lud sie ins Schumacher ein, da sie nicht mit in seine Wohnung kommen wollte. Anschließend erzählte er ihr von einem Nachtcafé in Grafenberg und führte sie zur Schönen Aussicht im Grafenberger Wald. Dort schlug er mindestens zweimal mit einem Hammer auf sie ein, bis sie „laut schreiend“ zusammenbrach und ohnmächtig wurde. Kürten entfernte sich. Charlotte Ullrich stillte die Blutung mit ihrem zerrissenen Unterrock und ging dann auf eine nahe Straßenbahnhaltestelle zu. Dort wollte ein Herr sie zur Polizei bringen, was Charlotte Ulrich aber ablehnte, da sie wegen eines Rückfalldiebstahls gesucht wurde. Daraufhin brachte der Mann sie bei Bekannten unter, wo sie 14 Tage blieb.[3]
Der letzte Fall in diesem Sammeleintrag ist der von Gertrud Bell, der streng genommen kein Verbrechen darstellt. Sie traf am 16.Mai 1930 in der Schadowstraße auf Kürten, der sich als Franz Weidlich vom Straßenbahndepot vorstellte. Man verabredete sich für den folgenden Abend im Rheinpark, um dort miteinander zu verkehren, doch es war zu viel Publikum vor Ort. Am folgenden Sonntag traf man sich am Nordfriedhof, doch ein einsetzendes Gewitter verhinderte erneut das Vorhaben. Daraufhin verkehrten beide im Zimmer der Gertrud Bell, wobei sie zwischendurch von einem anderen „Fräulein“ gestört wurden. Man verabredete sich erneut für den 24.Mai, doch dieses Treffen kam nicht mehr zustande. Gertrud Bell berichtete gegenüber der Polizei noch von einem zufälligen Treffen am Worringer Platz, bei dem Kürten ihr sagte, dass sie viel zu schade für ihn sei, da er ein schlechter Mensch wäre.[4]

Tatort (17): Die Fälle Mädchen aus Herne, Hau, Ulrich, Bell

– – – – – – – – – – – – – – – –
[1] Karl Berg: Der Sadist, S.132.
[2] Karl Berg: Der Sadist, S.132.
[3] Karl Berg: Der Sadist, S.133.
[4] Karl Berg: Der Sadist, S.134.
– – – – – – – – – – – – – – – –
Die vollen bibliographischen Angaben, soweit hier nicht genannt, sind am unteren Ende der Seite aufgeführt.

Tatort (16): Fälle Eid, dal Santo, Becker, Wil

Auf der Karte von Kürtens Überfällen sind nun auch die Fälle Eid, dal Santo, Becker und Wil eingetragen, wobei im Fall Eid kein Ort des Überfalls bekannt ist. Die drei anderen Fällen fanden im Grafenberger Wald  statt, dieser befindet sich im Nordosten der Stadt. Nur die südliche der drei blauen Markierungen dort ist einigermaßen genau platziert, sie kennzeichnet Hirschburg und Wolfsschlucht, wo Marianne dal Santo überfallen wurde. Weitere Ortsangaben zu den Fällen sind auch eingetragen und über den Link zur Karte Akte Peter Kürten abrufbar.

Die Akte (16): Hildegard Eid, Marianne dal Santo, Irma Becker, Sybillia Wil (Februar und März 1930)

Nach dem Mord an Gertrud Albermann Anfang November 1929 gab es (abgesehen vom Mord am Schwan im Hofgarten) keine weiteren Taten des „Düsseldorfer Serienmörders“, zumindest wurden keine weiteren Überfälle der Polizei gemeldet. Dennoch war Peter Kürten ab Ende Februar 1930 wieder aktiv, wenngleich keine weiteren Frauen ermordet wurden. Die Fälle von Februar bis März sollen hier in einem Sammeleintrag nun kurz vorgestellt werden, da die Informationen zu den einzelnen glimpflich verlaufenen Fällen auch nicht sehr zahlreich sind.
Am 23.Februar 1930 wurde die 34jährige Hildegard Eid von Peter Kürten in der Schadowstraße angesprochen. Beide gingen zunächst zur Brauerei Schumacher und anschließend nach Grafenberg. Dort versuchte er gegen Mitternacht die Frau zu würgen, die sich aber heftig wehrte. Anschließend übten beide auf einer Bank Geschlechtsverkehr aus und Kürten brachte sie anschließend nach Hause in die Cranachstraße nahe des Hellwegs. Die Frau versprach Kürten kein Wort über das Würgen zu verlieren. Am 3.März 1930 trafen sich beide wieder, kehrten in verschiedenen Lokalen ein und gingen anschließend zu Kürtens Wohnung, wo sie in flagranti von Auguste Kürten erwischt wurden, die früher als normal Feierabend hatte. Kürtens Ehefrau forderte die Nebenbuhlerin auf zu gehen und begleitete sie sogar noch nach Hause.
Marianne dal Santo [Nachname siehe: Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.118.] wurde Mitte März von Kürten auf ein Bier ins Schumacher eingeladen. Laut Kürten erzählte sie, dass sie zu Perversitäten neige. Marianne dal Santo erklärte hingegen, dass Kürten sich als vermögender Junggeselle mit Villa vorstellte. Daraufhin gingen sie in den Grafenberger Wald. Kürten griff sie von hinten an und würgte sie. Die Frau versuchte auf ihn einzureden und als das nicht funktionierte, trat sie ihn, als er gespreizt über ihr stand. Sie floh und versteckte sich von 22- 6 Uhr in einem Gebüsch, wo sie „stundenlang“ jemanden vorbeigehen hörte.
Ebenfalls im März 1930 lud Kürten die 22jährige Irma Becker, die er am Bahnhof traf, auf ein Bier ins Schumacher ein. Anschließend wollten beide in seine Wohnung, doch Kürten führte sie in den Grafenberger Wald zur Hirschburg. Dort wollte er sich an dem Mädchen vergehen, das sich jedoch wehrte und mit einem Schirm auf ihn einschlug. Kürten würgte sie, Irma Becker schrie laut und er stieß sie in die Wolfsschlucht hinab und ging.

Am 30.März 1930 traf Kürten Sybilla Wil auf der Königsallee. Er unterhielt sich mit der 29jährigen im Hofgarten und verabredete sich mit ihr zu einem Sonntagsspaziergang „im Wald“, vermutlich ist auch hier der Grafenberger Wald gemeint. Während Kürten angab, dass es auf einer Bank zum Geschlechtsverkehr kam und er sie anschließend gewürgt habe, sagte Sybilla Wil aus, dass der Geschlechtsverkehr kaum zustande gekommen sei, da sie Kürten zurückgedrängt habe. Er hätte sie nicht gewürgt und noch bis Rath begleitet.[1]

Tatort (16): Fälle Eid, dal Santo, Becker, Wil

– – – – – – – – – – – – – – – –
[1] Karl Berg: Der Sadist, S. 130f..

– – – – – – – – – – – – – – – –

Die vollen bibliographischen Angaben, soweit hier nicht genannt, sind am unteren Ende der Seite aufgeführt.

Ermittlungen (10): Wer ist der Täter?

Die Jagd auf den Düsseldorf Serienmörder blieb im November 1929 erfolglos. Weder die Mörderbriefe noch die Personenbeschreibungen lieferten heiße Spuren, selbst ein Hinweis eines ehemaligen Gefängnisgenosssen  führte nicht zum Erfolg. Anfang des Jahres 1930 veröffentlichte man eine Sondernummer des Kriminal-Magazins, aus der hier auch schon zitiert wurde, um die Bevölkerung zu informieren und zur Mitarbeit anzuregen. Es erschien ebenfalls eine Sondernummer des Deutschen Kriminal-Polizeiblattes [1]. Auch Ernst Gennat stellt die Frage nach dem immer noch nicht gefassten Täter in den Kriminalistischen Monatsheften im Jahr 1930. Im Nachwort des Kriminal-Magazins wird der Sinn der Publikation der Verbrechen erklärt:
„Diese Sonderausgabe des Kriminal-Magazins erscheint, weil es geboten ist, nicht nur im Rheinland, sondern in ganz Deutschland auf das Treiben des Düsseldorfer Massenmörders aufmerksam zu machen. […] Um den Düsseldorfer Massenmörder zu fassen, braucht man an besonderer, an wichtigster, an allererster Stelle die Mitarbeit der großen Masse. […] Wir schließen mit dem nochmaligen Aufruf an alle:
‚Helft den Düsseldorfer Mörder unschädlich machen!‚“[2]
In der Zusammenfassung der Erkenntnisse stellt das Kriminal-Magazin fest, dass der Täter „in erster Linie Kinder und Frauen“ angreift. Die Mehrzahl der Überfälle auf Frauen geschehe mit einem Schlagwerkzeug, während Kinder mit dem Messer angegriffen werden. Er verfüge beim Überfall über eine „geradezu meisterliche Gewandheit“. Seine weiblichen Opfer suche er im Milieu der Hausangestellten, bei Prostituierten oder Frauen, die „für außerehelichen Verkehr zu haben sind.“ Das Kriminal-Magazin vergleicht ihn in diesem Punkt mit Jack the Ripper. Als Zeitraum wird das Wochenende festgestellt, zwischen Donnerstag Abend und Sonntagabend, ab 7 Uhr abends bis 2 Uhr in der Nacht. Das hauptsächliche „Mordgebiet“ liegt zwischen dem Kern Düsseldorfs und den später eingemeindeten Vororten Grafenberg und Eller. In diesem Gebiet östlich von Flingern sind die Straßen und Wege noch nicht erschlossen, hier gibt es Bahndämme, Schrebergärten, Fabriken und industrielle Anlagen. Straßenlampen sind nicht vorhanden. Das Kriminal-Magazin stellt fest, dass der Mörder ein Sexualverbrecher und auch ein Fetischist sei, da er die Handtaschen und Hüte der Opfer mitnehme, aber er sei zu schlau, sie zu behalten. Entgegen früheren Überlegungen war das Magazin nun davon überzeugt, dass der Täter ein Alleingänger war und keinen weiblichen Zuträger für die Kindermorde hatte, worüber ein Zeitlang spekuliert wurde. Über seinen Stand erklärte man, dass er vielleicht ein selbstständiger Gewerbetreibender sei, vielleicht auch ein Spezialarbeiter. Sein Motiv sei nicht der Raub, sondern „Lust und Gier“. Das Kriminal-Magazin vermutet auch, dass der Mörder einen Kraftwagen oder ein Motorrad besäße, da er so schnell vom Tatort verschwände.[3]
Ernst Gennat „ergänzt“ einige Annahmen in den Kriminalistischen Monatsheften. So geht man davon aus, dass  der Mörder Ortskenntnis in Düsseldorf besitzt, ist sich aber nicht sicher, ob auch in der Stadt wohnt. Man verfolge ebenfalls den Hinweis im ersten Mörderbrief, wo er vom „Landsmann Gennat“ spricht, dass der Täter aus Berlin oder Ostpreußen stammen könne. Man geht außerdem davon aus, dass der Täter zwischen dem 11.August 1929 (Mord an Maria Hahn) und dem 7.November 1929 (Mord an Gertrud Albermann) in ein „Stadium des Blutrausches“ gekommen sei. Eine Geisteskrankheit schließt Gennat aus und führt als Beweis die Klarheit und Genauigkeit der Mörderbriefe an. Der Kriminalist geht auch davon aus, dass es den Mörder immer wieder zu den Tatorten hinziehe und er deshalb das Grab der Maria Hahn Preis gab, um sich selbst zu schützen.[4]
„Die Ermordung der kleinen A. ist die letzte vom Täter bisher bekannte Tat, -sein Brief vom 8.11.1929 – sein letztes (bekanntes) Lebenszeichen. […] Hat der Täter die Gegend verlassen? Ist er erkrankt, verstorben? Vielleicht durch Selbstmord aus dem Leben geschieden? Befindet er sich im Gefängnis? In einer Nervenheil- und Pflegeanstalt?“[5]
– – – – – – – – – – – – – – – –
[1] Ernst Gennat: Die Düsseldorfer Sexualverbrechen, S.62.
[2] Kriminal-Magazin: Der Massenmörder von Düsseldorf, S.37 (Hervorhebung im Original).
[3] Kriminal-Magazin: Der Massenmörder von Düsseldorf, S.28 ff.
[4] Ernst Gennat: Die Düsseldorfer Sexualverbrechen, S.62ff.
[5] Ernst Gennat: Die Düsseldorfer Sexualverbrechen, S.62.
– – – – – – – – – – – – – – – –
Die vollen bibliographischen Angaben, soweit hier nicht genannt, sind am unteren Ende der Seite aufgeführt.