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Peter Kürtens Rezeption in der Musik (2): Vampire of Düsseldorf (Macabre)

Die amerikanische Death-Metal-Band Macabre, die in vielen Liedern Massen- und Serienmörder thematisiert und dies „Murder Metal“ nennt, veröffentlichte 1993 in ihrem Album „Sinister Slaugther“ ein Stück über Peter Kürten: „Vampire of Düsseldorf“ (Der Liedtext findet sich hier.)

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[1] http://www.youtube.com/watch?v=HHYhG805eKA (abgerufen am 17.03.2011)

Faszination Serienmörder (6): Fünf Fragen an Wolfgang Wirringa

Wolfgang A. Wirringa, 1957 in Düsseldorf geboren, ist Schauspieler, Regisseur und Autor. Für den Altstadtherbst 2008 verfasste er das Krimi-Kammerspiel „Wer ist der Mörder?“ und führte auch Regie. Hintergrund des Stücks ist die Geschichte des Serienmörder Peter Kürten. Ein Auszug aus der Ankündigung im Programmheft:
Die lebensgeschichtliche Entwicklung von Peter Kürten bildet die Grundlage der Handlung in diesem Fünf-Personen-Stück, das Wirringa in der ärmlichen Frühzeit der Weimar Republik in einer „Wartehalle“ spielen lässt. Dieser Ort des Geschehens wird zum Sinnbild eines Ortes, „an dem wir“, so Wirringa, „so lange verweilen müssen, bis wir lernen zu verstehen, was in unserem Leben geschehen ist. Erst dann lässt sich auf die eine oder andere Weise Verantwortung übernehmen“. In dieser Wartehalle begegnet man Peter. Aber Peter ist nicht allein. Mit ihm „warten“ sein Vater, seine Ehefrau und eine namenlose Frau. In der Wartehalle befinden sich einige wenige Gegenstände, die den Wartenden an sein früheres Leben erinnern sollen. Und jede Wartehalle hat einen „weißen“ Wächter, der geduldig darauf wartet, dass man Verantwortung übernimmt. Angesichts der heute unvermindert präsenten Berichte über Serienmörder schärft dieses Theaterstück somit auch den Blick auf die aktuellen Fragen nach Schuld und Sühne.[1]

Auf W.A.Wirringas Homepage findet sich auch folgender, bei Youtube eingestellter Prolog des Theaterstücks: [2]

Auch Wolfgang A.Wirringa war so freundlich fünf Fragen zur Frage nach der Faszination des Serienmörders zu beantworten.

 

1. Herr Wirringa, Ihr Theaterstück „Wer ist der Mörder?“ wurde beim Altstadtherbst ’08 aufgeführt. Wovon handelt es?
 
Wie wird man eigentlich zu einem Serienmörder? Um diese zentrale Frage ringen die Figuren im imaginären Wartesaal zur Ewigkeit des Düsseldorfer Serienmörders Peter Kürten. In einer Art Verhandlung ohne Richter lassen Peter Kürten, Peter der Ältere (Vater von Kürten), Auguste (Ehefrau von Kürten) und die sprach- und namenlose Mutter ihr Leben Revue passieren, legen Rechenschaft ab und versuchen zu begreifen – oder auch nicht.
In diesem Prozess der Ernüchterung sprechen sie alle. Der Vater, gewalttätiger Tyrann und Trinker, der sich keiner Schuld bewusst ist. Die Mutter, stumm in der Fron der Hausarbeit gefangen, die nur durch ihre Lieder verrät, dass da noch Gefühle sind. Die Ehefrau, die selbst einen Menschen tötete, und spät begreift, auf wen sie sich da eingelassen hat. Und Kürten, der nur schweigend hatte handeln können, plötzlich aus freiem Entschluss redet und allmählich aus seinem Wahn erwacht.
Der Wächter, Erzähler, Chronist und manchmal philosophischer Deuter, der die Handlung vorantreibt und auf ein Ende drängt.

 

Der Text für Kürten, seinem Vater und seiner Ehefrau wurde historischen Protokollen entnommen und geringfügig dramaturgisch ver-dichtet. Das Gesprochene entspricht der Wahrheit, fügt Mosaikstein zu Mosaikstein, treibt die Figuren zur Konfrontation und choreografiert subtil ein Mit- und Gegeneinander, das zum Nachdenken anregt.
2. Wie sind Sie darauf gekommen ein Theaterstück über Peter Kürten zu machen?
Ich hörte zufällig, dass die Dramaturgie des ‚Düsseldorfer Altstadtherbst‘ den Wunsch hatte, ein „kriminales Stück“ ins Programm aufzunehmen. Nach einem kurzem Gespräch, bekam ich den Auftrag, einen Vorschlag zu machen und bei Gefallen, diesen auch zu inszenieren. Ich wühlte mich ohne Erfolg (nichts gefiel mir) durch vorhandenes kriminales Bühnenmaterial. „Es sollte doch etwas mit Düsseldorf zu tun haben“, war mein nächster Gedanke. Und so stößt man unweigerlich auf Peter Kürten. Zunächst war mir der Fall zu „blutrünstig“, ich wollte irgendwie nicht. Je mehr ich jedoch über den Fall las, desto neugieriger wurde ich. Es gab viele örtliche Gemeinsamkeiten zw. Kürten und meiner Düsseldorfer Geschichte. Die Orte der Handlungen, der Wohnort waren mir allzu bekannt. Kürten machte in seinen jungen einige Dinge, die auch ich in ähnlicher Weise tat. Und da fragte ich mich: Wie wird man eigentlich zu einem Menschen, der in der Lage ist, so viele natürliche Grenzen zu überschreiten? Ich wollte wissen: „Wer IST (dieser Mensch) der Mörder?“ und warum wurde er, was er wurde…?
3. Wie geht man es an einen Serienmörder auf die Bühne zu bringen?
Mich hat eigentlich nur der psychologische Prozess des Werdens dieses Menschen und die allgemeine philosophische Frage nach dem Bösen im Menschen interessiert. Und das habe ich versucht auf die Bühne zu bringen.
4. Ist es eigentlich gerecht einem Serienmörder so viel Aufmerksamkeit zu widmen?
Gerecht!? Wenn man diesem Menschen schon in seiner Kindheit keine Aufmerksamkeit schenkte! Dann denke ich, ist es mehr als („gerecht“) wichtig, uns die Geschichten des Werdens solcher Kreaturen anzuschauen, denn diese Menschen werden weiterhin überall auf dieser Welt „gemacht“!!
5. Wieso übt der Serienmörder Peter Kürten 80 Jahre nach seiner Hinrichtung immer noch eine Faszination auf uns aus?
Für mich gibt es da keine Faszination. Nur der Glaube an die Notwendigkeit uns auch mit diesen Dingen der menschlichen Existenzen beschäftigen zu müssen. Denn wir sind ja verantwortlich!!
Ich bedanke mich bei W.A.Wirringa, dass er die Zeit gefunden hat, die Fragen zu beantworten.

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[1] Wer ist der Mörder? Krimi-Kammerspiel über den Düsseldorfer Mörder Peter Kürten von Wolfgang Wirringa, Programm des Altsatdtherbsts 2008, http://www.altstadtherbst.de/2008/programm/WerIstDerMoerder_2.htm (abgerufen am 13.03.2011)

[2]Peter Kürten Doku-Drama „Wer ist der Mörder?,  http://www.youtube.com/watch?v=lKHmmXcPmFQ (abgerufen am 13.03.2011)

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Die 20er Jahre (4): Hier spicht der Westdeutsche Rundfunk

Es war der 8.Mai 1926 als am Rhein in Düsseldorf die Gesolei eröffnet wurde. Die feierliche Eröffnungsfeier wurde vom jungen Westdeutschen Rundfunk von den Sendestellen Münster, Dortmund und Bielefeld übertragen. Am selben Tag fiel im Reichspostministerium die Entscheidung den Sender Langenberg einzurichten und dazu in Köln und Düsseldorf „Besprechungsräume“. Das erste Studio in Düsseldorf befand sich im ehemaligen Offizierskasino an der Roßstraße.[1]
Die technische Vorgeschichte des Radios umfasst die Speicherung und Aussendung von akustischen Informationen. Die Meilensteine dafür waren die Erfindung der Telegrafie (1844), der Telefonie (1876), die drahtlose Übertragung mittels Radiowellen (1886) und schließlich die Schall- platte (Schellackplatte, ab 1895 massenhaft verbreitet). Am 12.12.1901 stellte der Italiener Marconi die erste drahtlose Radiowellen-Verbindung zwischen Amerika und Europa her. Die drahtlose Telegrafie, wie man den neuen, revolutionären Dienst nannte, fand zunächt vor allem beim Militär und besonders der Marine Verbreitung. Im Ersten Weltkrieg wurde Funk dann so bedeutend, dass hunderttausend Soldaten zu Funkern wurde und die „Telegrafentruppe“, bzw. die „Nachrichtentruppe“  wurde sogar zu einer eigenen Waffengattung. Einige dieser Funker, die im Arbeiter- und Soldatenrat aktiv waren, stürmten während der Novemberrevolution das Wolffsche Telegraphenbureau in Berlin und verkündeten den Sieg der Revolution. Mangels allgemein zugänglichen Empfangsgeräten verhallte diese Nachricht weitgehend ungehört. Die Konsequenz daraus war, dass die Reichsregierung den Rundfunk dem „Postregal“ unterstellte und Sendung und Empfang 1919-1923 verboten waren. 1923 folgte dann die Zulassung des „Unterhaltungs-Rundfunks“ unter zahlreichen Auflagen. So mussten alle politischen Nachrichten vom Wolffschen Telegraphenbureau abgenommen werden und wurden von einer staatlichen Kontrollstelle überprüft.  Das Radio sollte nicht zu Mobiliserung und Eskalation beitragen, sondern in die Gegenrichtung wirken: Das Radio sollte die Massen ablenken und gut zu Hause (und nicht auf der Straße) unterhalten. 1924 startete die „Westdeutsche Funkstunde“ aus Münster als letzte Regionalsendestation.
Der Start des Rundfunks in den 20er Jahren löste eine kulturelle Revolution in Deutschland aus. Es entstand eine neue „massenmediale“ Öffentlichkeit, die zwar von der Zeitung bekannt war, aber noch gesteigert wurde. Wort und Musik trafen den Hörer direkt und wirkten als sinnliche Ansprache. Der Rundfunk ermöglichte zudem die „Live-Übertragung“, die eine unmittelbare Teilhabe an gesell- schaftlichen und kulturellen Ereignissen ermöglichte. Die Öffentlichkeit drang über die Lautsprecher des Empfängers in die Privatspähre der Wohnung ein. Gleichzeitig konnte man in Berlin hören, was in München geschah. Zudem verallgemeinerte der Rundfunk durch seinen Anspruch „für alle“ zu senden Kunst und Kultur.
Auch die Musik erfuhr eine neue Dimension. Sie war beliebig erzeugbar und beliebig empfangbar und nicht mehr ein singuläres Ereignis wie bei einem Konzert. Wie heute auch diente sie als musikalischer Stimmungsbegleiter durch den Tag. Im Gegensatz dazu war die Sprache im Vergleich zu heute völlig anders. Knut Hickethier urteilt:
„Sprache und Sprachweise der politischen Bericht- erstattung waren staatstragend, ernst, voller Pathos. Emphase und pathetische Überhöhung kennzeichneten die Übertragung von großen kulturellen Ereignissen sowie vom Sport; selbst in Unterhaltungsformen blieb noch – und dies bis in die 1950er Jahre – vom Gestus her ein autoritativer Stil bestimmend. Der Rundfunk hatte den für mehr oder weniger unwissend gehaltenen Hörer immer etwas mitzuteilen, und dagegen hatte es keinen Widerspruch zu gegen.“[2]
Zu Beginn des Radios sendete man nur am Abend, wenn das Publikum zu Hause war. Dann folgten Sendung am Mittag, wenn viele Arbeitnehmer ihre Mittagspause zu Hause verbrachten und schließlich baute man das Programm immer weiter aus. Dieses bestand im wesentlichen aus verschiedenen Musiksendungen, für die neben den Schallplattenaustrahlungen auch Salonkapellen engagiert wurden. Besonderen Wert legte man auf Übertragungen von Veranstaltungen aus Opern, Konzertsälen, usw. Der Rundfunk wirkte auch selber auf die Musik zurück und beeinflusste sie. Ein weiterer wichtiger Programmpunkt waren Romane, Erzählungen und Hörspiele. Immer öfter gab es Kabarett und „bunte Abende“. Darüber hinaus gab es Bildungssendungen, naturwissenschaftliche Vorträge und Ratgebersendungen. Sportsendungen gehörten schon früh zum Programm der Rundfunksender. Insgesamt war die „Rundfunklandschaft durch eine große Angebotsvielfalt und regionale Unterschiede“ geprägt.
Für den Hörer, der Anfangs zum Empfang noch eine Lizenz bei der Post beantragen musste, wurde der Rundfunk immer mehr zu einem Alltagsbegleiter. Anfangs führte die Neuartigkeit des Mediums  und die schlechte Qualität der Empfänger dazu, dass man konzentriert zuhören musste. Mit röhrenverstärkten Radios und einer besseren Programm- qualität verschwand dies. Der Rundfunk ermöglichte jeden Tag den Zugang zu Kultur und Musik, Nachrichten und Teilhabe an der Gesellschaft.[3]
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[1] Hugo Weidenhaupt: Kleine Geschichte der Stadt Düsseldorf, Düsseldorf 6.Auflage 1976, S.162.
[2] Knut Hickethier: Die Erfindung des Rundfunks in Deutschland, in: Werner Faulstich (Hg.): Die Kultur der zwanziger Jahre, München 2008, S.225.
[3] Knut Hickethier: Die Erfindung des Rundfunks in Deutschland, in: Werner Faulstich (Hg.): Die Kultur der zwanziger Jahre, München 2008, S.217-235.

Hinter Gittern (3): Die Untersuchung von Prof.Sioli

Nachdem gestern an dieser Stelle die Analyse von Karl Berg vorgestellt wurde, soll nun gleiches mit den Erkenntnissen des Leiters der Grafenberger Anstalt geschehen. Die Gespräche von Prof.Franz Sioli mit Peter Kürten dauerten vom 7.Oktober 1930 bis zum 2.November 1930. Die ärztliche Begutachtung teilt Prof.Sioli in drei Kapitel: Die Frage nach einer möglichen Geisteskrankheit, die Frage ob die freie Willensbewilligung aufgehoben wurde und schließlich eine ärztliche Ausführung zur Persönlichkeit Kürtens.
Wie Prof.Berg stellt Prof.Sioli fest, dass es keine körperlichen Anzeichen für eine Geisteskrankheit gibt und das er auch während der Untersuchung keinerlei Anzeichen dafür entdeckt hat. Es gab keine Anzeichen für eine krankhafte Affektstörung.
„Es fehlen alle die unmotivierten stereotypen, manierierten Absonderlichkeiten in Haltung und Bewegung von Gesichtsmimik, Ausdrucks- und anderen Bewegungen des Körpers und der Sprache, welche die Anzeichen katatoner Störungen, des Spanungs- irreseins oder Triebirreseines sind.“[1]
Zwei „geistige Vorgänge“ erörtert Prof.Sioli anschließend: Die „Sühneidee“ und die „Stimmen“ die Kürten gehört haben will. Zu letzterem Punkt stellt Sioli fest, dass dies keine Sinnestäuschungen waren, sondern Phantasie- vorstellungen Peter Kürtens, denen „die Möglichkeit der Verwechslung mit der Wirklichkeit völlig fehlt.“ Kürten war besser als anderen Menschen imstande sich Phantasie- vorstellungen lebendig auszumalen, was aber kein krankhaft Zug war.
Die Sühneidee, die Kürten erst in den Untersuchungen so formuliert und die in den polizeilichen Vernehmungen als Rachegedanke zu Tage kommt, ist für Prof.Sioli kein „krankhaft entstandender unkorrigierbarer Irrtum des Kürten, sondern eine von ihm selbst denkerisch gebildete  Rechtfertigungstheorie.“ Doch ebenso wie Karl Berg stellt Sioli fest, dass die Sühneidee lediglich ein Teil seiner sexuellen Befriedigung war und nicht zu den Tatmotiven zählt, sondern erst anschließend auftaucht.
Weiterhin untersuchte Prof.Sioli ob temporäre Bewußt- seinsstörungen bei Kürten vorliegen, ob er möglicherweise seine Geständnisse erfunden haben könnte oder ob er eine bestehende krankhafte Störung zu verheimlichen versucht. Prof.Sioli kommt zu dem Erkenntnis, dass keine dieser Möglichkeiten zutrifft, allerdings warnt er, dass seine Begutachtung nicht auf einer klinischen Dauerbeobachtung fußt, sondern auf mehrfachen Untersuchungen im Gefängnis. Er empfiehlt eine sechswöchige Anstaltsbeobachtung und schließt sich damit einem Antrag von Prof.Berg an.
Zur zweiten Frage, ob eine Bewußtseinsstörung während der Ausführung der Taten vorlag, liegen Prof.Sioli ebenfalls keine Anzeichen vor. Die Erinnerung Kürtens ist vollständig und wird von den Zeugen bestätigt, so dass ein Zustand von Bewußtlosigkeit ausgeschlossen wird. Zusammen- fassen stellt Prof.Sioli fest:
„Die Taten Kürtens stellen sich uns also in der Weise dar: Zum Zweck der sexuellen Befriedigung hat Kürten seine Taten geplant, unternommen und durchgeführt, die sexuelle Befriedigung war von ihm nur durch Gewalttaten vollendet möglich; die in der Sühneidee von ihm zusammengefaße denkerische Theorie ermöglichte es ihm, jede Hemmung beiseite zu schieben, die nach einer Tat für die nächste Tat entstehen konnte; Großmanns- sucht und Phantasieausmalung gaben ihm zu den Gesamthergängen das affektive Beharren.“[2]

Den Ergebnissen zur Geisteskrankheit, Motiven und dem freien Willen folgt dann eine ärztliche Einordnung der Persönlichkeit Kürtens. Prof.Sioli führte dazu eine Untersuchung der „Erbeigenschaften“ durch, die auf einem Ahnentafel eines Dr.Neustadt und der Charakterisierung Kürtens beruht. Es wird dabei klar, dass nur auf der väterliche Seite eine „außerordentliche Häufung gleicher Eigenschaften“ zu erkennen ist. Dazu gehören:

„Geisteskrankheit in geringem Maße, Kriminalität in stärkerem Maße, Trunksucht in noch stärkerem Maße und am stärksten verbreitet […] Großmannssucht, lebhafte[…] Phantasietätigkeit, Reizbarkeit und gesteigerte Sexualität.“[3]

Die Geisteskrankheiten, die dort festgestellt wurde, sind vermutlich keine, die vererbt, sondern während des Lebens erworben wurden, z.B. durch den Alkohol oder Syphilis- erkrankungen. Prof. Sioli erklärt im Anschluss daran noch einmal ausdrücklich, das das Vorhandensein von Erbeigenschaften nicht die Verantwortung für die Entwicklung im Leben ersetzt.
Als sicher steht für Prof.Sioli fest, dass Peter Kürten eine schlimme Jugendzeit hatte, die besonders von seinem prügelnden und trinkenden Vater beherrscht war. Alle seine wesentlichsten Eigenschaften wurde bis zu seinem 16 Lebensjahr – als er von zu Hause ausriß – entwickelt.

„Wir sehen in der Persönlichkeitsentwicklung Kürtens als wichtigste Eigenschaft die Entstehung und immer konsequentere Entwicklung der sadistische Perversion an, die in früher Jugend entstand, die in Phantasie und Handlung ihn dauernd beschäftigt […].“[4]

Auch Prof.Sioli betont, ebenso wie Prof.Berg, dass Kürten neben seinen negativen Eigenschaften auch andere besitzt. So seien ihm zarte Gefühle und Triebe nicht fremd, was sich besonders in seinem Verhältnis zu seiner Frau äußere. Auch schaffte er es „in seiner schrecklichtsten Zeit der Mordlust“ sich seinem Vater anzunähern und sich mit ihm auszusprechen. In seiner Phantasie stellte er sich auch die dankbare, jubelnde Stadt Düsseldorf vor, die nun vom Düsseldorfer Mörder befreit sei. Ein weitere positive Eigenschaft ist seine intellektuelle Geistesfähigkeit und seine Bildung.[5] Abschließend stellt Prof.Sioli fest:

„Für Menschen, in denen einzelne höhere Eigenschaften gerade das Triebleben zu einer besonderen Höhe entwickelt sind, hat die medizinische Wissenschaft den Begriff der Psychopathie, die Abartung im Seelischen, ohne daß dies Abartung von der medizinischen Wissenschaft als Krankheit im engeren Sinne oder als unabänderliche, dem freien Willen entzogene Veränderung betrachtet wird. Und so erscheint es uns medizinisch gesehen die Persönlichkeit Kürtens.“[6]

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[1] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.232f..

[2] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.241.
[3] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.244.
[4] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.251.
[5] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.232-253.
[6] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.252.

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Die vollen bibliographischen Angaben, soweit hier nicht genannt, sind am unteren Ende der Seite aufgeführt.

Hinter Gittern (2): Die Untersuchung von Prof.Berg

Nachdem Kürten in Haft genommen worden war und die kriminalistischen Voruntersuchungen abgeschlossen waren, wurde er von mindestens drei Ärzten untersucht: Gerichtsmediziner Prof.Berg, der Leiter der Grafenberger Anstalt Prof.Sioli und ein Dr.Raether begutachteten Peter Kürten. Von Prof.Berg und Prof.Sioli sind Gespräche, Berichte und Protokolle überliefert, in diesem Beitrag sollen die Schlussfolgerungen Karl Bergs aus seiner Untersuchung Kürtens vorgestellt werden.
Karl Berg beschreibt Kürten als von seiner Umwelt als harmlos und unauffällig wahrgenommener Mensch. Eine der wenigen herausragenden Eigenschaften war seine Eitelkeit. Selbst im Gefängnis bemühte er sich gut auszusehen und wirkte so auf seine Umgebung jünger als er war. Außer einer unauffälligen Narbe an der Wange und einer Rißwunde in der Kopfhaut, die durch ein Eisenstück herrührte, das ihm auf den Kopf fiel und ihm noch Jahre später Kopfschmerzen verursachte, war er ohne „körperliche Abweichungen“. Während der Haft war Kürten gegenüber seiner Umwelt freundlich und zugänglich, zu Berg „sogar zutraulich“. Auch nach langen Gesprächen zeigte er keine Anzeichen von Ermüdung oder Gereiztheit.
Gegenüber der Polizei und vor Gericht lehnte Kürten jede „sexuelle Triebfeder“ als Motiv für sein Handeln entschieden ab, er wollte nicht als „Lustmörder“ gelten. Gegenüber Berg, der ihm ärztliche Verschwiegenheit zusicherte und deren Status ihm auch der Untersuchungs- richter bestätigte, äußerte er sich offener. Berg zitiert Kürtens Äußerungen über sich selbst ausführlich, so beschreibt dieser beispielsweise seinen Drang zum Töten:
„Ich hatte eigentlich dauernd die Stimmung, Sie werden es Drang nennen, zum Umbringen. Je mehr, um so lieber. Ja, wenn ich die Mittel dazu gehabt hätte, dann hätte ich ganze Massen umgebracht, Katastrophen herbeigeführt. Jeden Abend, wenn meine Frau Spätdienst hatte, bin ich herum- gestreift nach einem Opfer. Es war aber nicht so leicht, eins zu finden.“[1]
Den sexuellen Trieb beschreibt Kürten bei sich selbst als sehr stark, der sich durch seine Taten noch verstärkte und weitere Überfälle provozierte. Befriedigung seiner sexuellen Erregung fand er nicht im Mißbrauch sondern in der Gewalt, beim Würgen oder Stechen seiner Opfer, was erklärt, warum er Frauen unterschiedlichen Alters, Kinder und einen Mann überfiel und tötete. Ein besonderes Vergnügen war für ihn,  wenn er blutende Wunden sehen konnte. Sein Trieb war nicht periodisch, sondern immer gleich stark, die unterschiedliche Auswirkungen erklärte er mit geglückten oder eben nicht geglückten Überfällen, Brandstiftungen oder Haftzeiten. Zu den Brandstiftungen erklärte er:
„In meinen Vorstellungen spielten die Brände dieselbe Rolle wie andere Massenunglücke, wenn die Leute dabei so durcheinander liefen und schrien, das war mein Vergnügen. Auch der grelle Feuerschein nachts war erregend.[…] Ich habe regelmäßig den Brand beobachtet, meist aus nächster Nähe, so daß ich schon zur Hilfeleistung herangezogen wurde. Ich befand mich sonst immer unter den Zuschauern auf der Straße […] Bei großen Bränden kam es dann immer zum Samenerguß.“[2]
Ausgehend von Kürtens Äußerungen stellt Karl Berg fest, dass Kürten als Sadist einzuordnen ist, der allerdings im Gegensatz zu anderen bekannten Sadisten und Verbrechern nie die gleiche „Arbeitsmethode“ anwandte, was das Besondere an Kürten war. Die ersten Anzeichen für den Sadismus Kürtens findet sich in dessen Kindheit, als er „Freude an Tierschlachtungen“ bemerkte. Gleichzeitig damit kamen ein kurze Phase der Sodomie. Berg urteilt:
„Sein von ihm geschildertes Tierquälen war schon sadistisch gerichtet. […] Aber er bestätigt doch die alte Erfahrung, daß frühzeitige Tierquälerei das Vorzeichen einer Künftigen Kriminalität ist.“[3]
Besonders wichtig war ihm, wie aus den Äußerungen schon deutlich geworden ist, der Anblick des austretenden Blutes:
„Das war das unfehlbare Reizmittel, um den Orgasmus auch dann noch hervorzurufen, wenn andere auch sonst oft erprobte Mittel, wie das Würgen, die Hammerschläge, nicht oder nicht schnell genug wirkten.“[4]
Karl Berg stellte fest, dass Kürten auch nicht der Mörder war, als der er sich bei der Polizei darstellte. Sein Zweck war allein die „Befriedigung des Geschlechtstriebs“. Bei Opfern, bei denen Blut floss, als sie noch lebten oder bei denen Kürten durch Würgen zur Befriedigung kam, verlor er sofort danach das Interesse. Eine Tötungsabsicht gab es nach der Ejakulation nicht mehr. Eines der vielen Beispiele dafür ist der Fall Hau. Nachdem Kürten seinem Opfer das Blut von der Lippe geküsst hatte und es zur Ejakulation gekommen war, handelten sie noch die Kosten für den Kaffee aus und Kürten verschwandt. In einigen Fällen, wie bei Maria Budlies, führte Kürten seine Opfer zurück zur Straßenbahn und verhielt sich wie ein höflicher Kavalier. Seine wiederholten Besuche an Tatorten oder auch Gräbern, zum Beispiel dem des Mädchen Christine Klein in Mülheim, fanden zu dem gleichen Zweck – der Befriedigung des Geschlechtstrieb- statt.
Dieser Betrachtung das Sadismus‘ Kürtens folgt bei Karl Berg ein weiteres Kapitel, dass den Blick auf die Person Peter Kürten noch vertieft. Er hält ihn nicht für geisteskrank im Sinne des § 51 StGB. Ein Zwang zur Ausübung war nicht vorhanden. Berg urteilt:
„Im Grunde war es doch nur eine Gewohnheit geworden, abends und an den Feiertagen auszugehen und nach einem geeigneten Opfer auszuspähen. Fand er keins, und das war glücklicherweise die Regel, so ging er eben unbefriedigt heim.“[5]
Dazu stellt Berg fest, dass Kürten auch im Moment der Ausführung der Tat wachsam war und wie im Fall Schulte bei einer Störung oder Gefahr für sich selbst sofort von seinem Vorhaben abließ.
Prof.Berg bezeichnet Peter Kürten als Psychopathen, dessen Charakter vom trunksüchtigen Vater und Vatersvater negativ beeinflusst wurde. Der Sadismus sei nur die Teil- erscheinung einer allgemeinen Psychopathie. Dazu gehört auch „sein Hang zur Lüge und Verstellung“, die er zu ungeahnter Meisterschaft kultiviert habe. Die Wirkung seiner Fähigkeiten als Schauspieler wurde durch seine Geistesgegenwart und Dreistigkeit verstärkt. Als Beispiel dient Berg hier unter anderem der Fall des Mädchens aus Herne, das ihn in der Steinstraße erkennt und anzeigen will, was er durch Androhung eine Gegenanzeige vermeiden kann.
Der Verlogenheit in Kürtens Wesen steht eine erstaunliche Offenheit gegenüber, die er gegenüber den Ärzten zeigte. Die Mischung aus Offenheit und Lüge bedingte auch die über ein halbes Jahr dauernde Voruntersuchung der Staats- anwaltschaft. Die schon angesprochene Eitelkeit, die er pflegte, spiegelte sich in seinem Innern durch seine Selbstgefälligkeit, die auch sein ausführliches Geständnis erklärt. Reue oder Mitleid  mit seinen Opfern empfand Kürten in den Gesprächen mit Prof.Berg nie.
Zu den „schätzenswerten“ Eigenschaften Kürtens zählt Berg dessen selbsterworbene Allgemeinbildung, das gute Gedächtnis, welches durch die Überprüfung des Geständnisses bestätigt wurde, und seinen scharfen Blick für alle Nebenumstände. Das Alter seiner Opfer schätzte er auch bei nur kurzem Zusammensein in der Regel sehr genau ein. [6]
Karl Bergs Analyse endet mit folgenden Worten:
„Wer sich nach den Zeitungsberichten über die entsetzlichen Verbrechen des Kürten ein Bild von ihm zurecht legt, der stellt sich ihn als einen gefühlskalten, rohen Menschen vor, als die Bestie in Menschengestalt. Der Zeitungsleser erfährt eben nur das Schreckhafte. Wer sich aber näher mit diesem seltsamen Menschen beschäftigt und zu scheiden vermag zwischen dem Sadisten Kürten und dem Menschen Kürten, der wird zu seiner Verwunderung in diesem Menschen Kürten neben manchen Mängeln auch Werte entdecken just in ähnlicher Mischung wie bei anderen Mitmenschen auch, einen zugänglichen, freundlichen Plauderer mit vielseitigen Kenntnissen und zutreffendem Urteil, der vergessen macht, daß wir dem Düsseldorfer Mörder gegenübersitzen.[7]
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[1] Karl Berg: Der Sadist, S. 145.
[2] Karl Berg: Der Sadist, S. 152f.
[3] Karl Berg: Der Sadist, S. 161.
[4] Karl Berg: Der Sadist, S. 160.
[5] Karl Berg: Der Sadist, S. 166.
[6] Karl Berg: Der Sadist, S. 143-176.
[7] Karl Berg: Der Sadist, S. 176.
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Die vollen bibliographischen Angaben, soweit hier nicht genannt, sind am unteren Ende der Seite aufgeführt.

Kriminalistik (4): Die Fehler der Polizei

„Konnte man die Täterschaft des Kürten früher feststellen und auf welchem Wege?“

Diese Frage steht über dem letzten Artikel aus Ernst Gennats Serie über den Düsseldorfer Serienmörder. Dazu stellt der Kriminalist fest, dass Peter Kürten trotz seiner vielen Vorstrafen bis zum Beginn der Ermittlungen nie wegen Sittlichkeitsdelikten verurteilt worden war, wenngleich er 1913 und 1926 zweimal wegen Notzucht angeklagt worden war. Auch sein Umfeld, seine Frau oder Beteiligte des Strafvollzugs (abgesehen von Wilhelm Hofer) haben nie Anzeichen bemerkt, die Kürten verdächtig machten. Auf frischer Tat wurde er nie ertappt, ja es wurde auch nie Anzeige von den betroffenen Frauen erstattet.
Als Fehler der Polizei sind zwei falsche Festnahmen und sogar Verurteilungen zu werten. Das betraf im Frühjahr 1929 den Geisteskranken Stausberg, dessen Unschuld durch die Verurteilung Kürtens beweisen wurde. Man muss an dieser Stelle sicher kritisieren, dass die Polizei zu leichtgläubig war und sich durch ein falsches Geständnis täuschen ließ. Auch im Fall Klein im Jahr 1913 wurde der Onkel des Kindes fälschlicherweise verurteilt. Der Onkel haßte den Vater des Mädchens (seinen Bruder) und einige Zeugen meinten ihn am Tatabend in der Nähe gesehen zu haben. [1] Ernst Gennat stellte fest:

„Ein Rückblick aus der jetzigen Situation zeigt in außerordentlich lehrreicher Weise, wie leicht durch Verkettung irgendwelcher Umstände auch ein Unschuldiger in Verdacht geraten kann.“[2]

Der Gerichtsmediziner Karl Berg erinnert noch einmal an die scharfe Kritik an der Polizeiarbeit, die aus seiner Sicht zu Unrecht geäußert wurde. Berg erklärt, wieso die Ermittlungen so schwierig waren: Serienmörder zeichnen sich, so die damalige Lehrmeinung, durch die stets gleiche Ausführung ihrer Taten aus. Doch im Fall Kürten gibt es keine übergreifenden eindeutigen Gemeinsamkeiten:

„Das sexuelle Motiv lag bei fünf Morden in dem spezifischen Genitalbefund klar zutage, bei anderen, bei dem ermordeten Scheer oder dem gestochenen Kornblum oder der Frau Meurer war es nicht erweislich. Verschieden war auch die Art des Angriffs mit einleitendem Würgen bei Ohliger, Hamacher, Lenzen, Albermann; aber bei den überlebenden Opfern fehlte wiederum  das Würgen. Sodann die große Zahl der Stiche bei der einen Reihe der Opfer, ihr Fehlen bei anderen und die Hammerschläge sprachen auch gegen den gleichen Täter.“[3]

Ein weiterer Irrtum, den Berg im Nachhinein feststellt, war die Erwartung, dass angesichts der „Scheußlichkeit der Morde“ nur ein Geisteskranker als Täter in Frage komme.[4]
Weitere Fehler der Polizei ergeben sich aus den Erklärungen Kürtens in der Haft. So war er im Gespräch mit einem Kriminalbeamten, als dieser auf dem Weg zum Tatort im Fall Scheer war und dieser ging seinem Mißtrauen nicht nach, als er merkte, dass Kürten sehr detailliert informiert war. Auch die wiederholte Rückkehr an den Tatort wie im Fall Ohliger wäre eine Möglichkeit für die Polizei gewesen den Täter zu stellen.
Weniger ein Fehler der Polizei an sich ist die Tatsache, dass die vergewaltigten Frauen ihn Peter Kürten nie bei der Polizei anzeigten. Sie hatten wohl kein Vertrauen in die Arbeit der Polizei bzw. fürchteten sie sich oder schämten sich ihr Schicksal bei der Polizei preiszugeben und damit in die Öffentlichkeit zu treten. Aber man muss klar konstatieren, dass dieses Problem bis heute besteht.

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[1] Ernst Gennat: Der Prozeß, S.205f..
[2] Ernst Gennat: Der Prozeß, S.208.
[3] Karl Berg: Der Sadist, S.102.
[4] Karl Berg: Der Sadist, S.103.
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Die vollen bibliographischen Angaben, soweit hier nicht genannt, sind am unteren Ende der Seite aufgeführt.

Hinter Gittern (1): Kürten im Urteil seiner Umwelt.

Als am 24.Mai 1930 Peter Kürten gefasst wurde, verbreitet sich die Nachricht am nächsten Morgen in den Sonntags- ausgaben der Düsseldorfer Zeitungen. Am Montag erschienen dann weitere Artikel, die Düsseldorfer Nachrichten druckten ein Foto des Düsseldorfer Mörders ab. Nicht nur die Polizei ermittelte in seinem Umfeld, sondern auch die Journalisten versuchten sich ein Bild von dem Mann zu machen. Man stieß auf seine kriminelle Vergangenheit und befragte das Umfeld. Die Düsseldorfer Nachrichten berichteten, dass Kürten bei seiner letzten Arbeitsstelle nicht sonderlich beliebt gewesen war und unter den Kollegen keine Freunde gefunden hatte. Er galt als arbeitsscheu und ließ sich häufig krank schreiben. Er beteiligt sich nicht an Gesprächen – auch nicht an Unterhaltungen über den Düsseldorfer Mörder – und blieb verschlossen. Kürten war dafür bekannt „daß [er] seine Frau vernachlässigte und daß er lieber Mädchen nachstellte.“ Ein Arbeitskollege beobachtet einmal erstaunt, dass Kürten Mädchen gegenüber auf einmal sehr redegewandt sein konnte. Im Haus Mettmanner Straße 71 war man, so berichtet die Zeitung, ebenfalls sehr erstaunt. über die Festnahme und das Geständnis. Viel Kontakt mit Kürten hatten die Bewohner nicht mit ihm, er bemühte sich auch hier nicht um Anschluss. Im Gegensatz dazu suchte Auguste Trost bei den Nachbarn und klagte häufig über die Affairen ihres Mannes. Vier Monate vor der Verhaftung kam es zwischen dem Vermieter und Peter Kürten zu einem Streit, der zur Kündigung des Mietverhältnisses führte, nachdem Kürten dem Vermieter gedroht hatte. An einem der nächsten Abende kamen die Kürtens zu ihrem Vermieter und Peter Kürten „[…] bat diesen wie ein gescholtenes Kind demütig um Verzeihung.“[1]
Gegenüber der Polizei sagte ein Arbeitskollege aus der Zeit als Kürten im Februar 1929 bei Schiess-Defries angestellt wurde und der seinen Spind neben dem Kürtens hatte, dass Kürten sehr naturliebend war und sie häufig mit ihren Frauen nach Feierabend den Ostpark besuchten. Auch er stellte fest, dass Kürten „zu Frauen sehr freundlich“ war. Als sie einmal am Hellweg entlang gingen, zeigte Kürten auf eine Stelle und bezeichnete diesen als Ort, an dem der Invalide Scheer gelegen habe. Darüber hinaus beschrieb der Arbeitskollege Kürten noch als geizig, er habe nie etwas von ihm bekommen.[2]
Ein ehemaliger Nachbar aus der Zeit, als die Kürtens in Altenburg lebten, bezeichnete Kürten als sonderbaren und unruhigen Menschen. Auffällig oft habe sich mehrmals an einem Abend umgezogen, um dann wegzugehen. Darüber hinaus sei er misstrauisch und schreckhaft gewesen, wenn man plötzlich in der Stube auftauchte. Kürten brachte auch noch zwei weitere Schlösser an der Wohnungstür an. Der Nachbar beobachtete, dass Kürten viel rauchte aber nur wenig Alkohol zu sich nahm. Öfters sei es vorgekommen, dass man aus der Wohnung einen heftigen Aufschlag hören konnte, was Kürten mit Epilepsieanfällen seiner Frau erklärte.[3]
Niemand unter den Befragten hätte Kürten vor dem 24.Mai 1930 für den Düsseldorfer Mörder gehalten. Er war ein seltsamer, eigenwilliger Mensch mit einem Hang zu Liebschaften, ein Mensch mit Fehlern, der aber sonst nicht auffiel.
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[1] Kürten im Urteil der Umwelt, in: Düsseldorfer Nachrichten, 26.Mai 1930, Morgen-Ausgabe, Nr.265.

[2] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.77f..
[3] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.78f..
[4] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.79f..

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Die vollen bibliographischen Angaben, soweit hier nicht genannt, sind am unteren Ende der Seite aufgeführt.

Kriminalistik (3): Die Fotografie

Die aufkommende Fotografie wurde in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts immer öfter auch in der Kriminalistik angewandt. Dabei gab es zwei Aufgabenbereiche: der Erkennungsdienst und die Spurensicherung am Tatort, die beide im Fall Kürten zum Einsatz kamen.
Seit den 1860er Jahren begann man in allen größeren Städten Deutschlands Verbrecheralben anzulegen, die erstmals eine indirekte Gegenüberstellung zwischen Opfern und Tätern ermöglichte und die Identifizierung und Fahndung erleichterte. In Danzig legte man in den 1860er Jahren ein Verzeichnis von Taschendieben an, in Berlin begann man 1876 mit Bauernfängern. Die Berliner Verbrecherkartei beinhaltete 1909 23.533 Fotografien, in Hamburg schaffte die fotografische Anstalt der Polizei von 1889 bis 1912 900.000 Fotografien, darunter 2000 Handschriften-Bilder und 1300 Tatort-Fotos.
Mit der steigenden Zahl an Fotografien benötigte man auch eine Ordnung. Die erste sortierte die Verbrecher anhand ihrer „Branche“, sodass zum Beispiel alle Anarchisten in einer Schublade landeten. Der bekannte Dresdner Kriminalist Robert Heindl, der auch die Methode der Fingerabdrücke revolutionierte, führte um die Jahr- hundertwende die Ordnung nach Größe, Alter und Verbrechenskategorie (in dieser Reihenfolge) ein, da er ermittelt hatte, dass Zeugen Größe und Alte am Besten einschätzen konnten. In Frankreich gab der Spezialist des Erkennungsdienstes, Alphonse Bertillon, den Polizisten ein Verbrecheralbum im Taschenformat mit auf Streife, das 2000 Doppelfotografien enthielt und nach Nasenform, Ohrenform, Körpergröße, Alter und Augenfarbe sortiert war. Alphonse Bertillon hatte bereits 1888 die Nutzung der Fotografie im Erkennungsdienst standardisiert. Der Fokus der Aufnahmen sollte bei allen Aufnahmen identisch sein. Zu diesem Zweck brachte er zwei Linien auf der Mattscheibe an, die es dem Fotografen erleichtern sollten, stets die gleiche Position von äußerem Augenwinkel und Ohrmitte bei Profilaufnahmen zu erreichen. Außerdem ließ er eine Apparatur anfertigen, die Kamera und Sitzgelegenheit des Verbrechers beinhaltete. Der Stuhl war dabei höhenverstellbar und so geformt, dass ein bequemes Sitzen nur in einer Position möglich war.
Doch trotz aller Bemühungen erwies sich das Verbrecheralbum als zu unpraktisch und wurde bald von der Daktyloskopie verdrängt.
Seit dem frühen 20.Jahrhundert wurde die Tatort-Fotografie umfassend in der Spurensicherung angewendet. Bis dahin hatte sich die Polizei mit Zeichnungen und Skizzen behelfen müssen und war auf die Kunstfertigkeit des Zeichners angewiesen, der den Tatort nach eigenem Anschauen darstellen musste. Die Fotografie eliminierte, so hoffte man, den menschlichen Faktor in diesem Arbeitsbereich der Spurensicherung. Das größte Problem dabei war, einen dreidimensionalen Tatort in eine zweidimensionale Fotografie umzuwandeln. Eine Skala, die mitfotografiert wurde, schaffte hier Abhilfe. Allerdings gelang es nicht, die Tatort-Fotografie zu standardisieren, z.B. im Hinblick auf Brennweite und Aufnahmewinkel, da die örtlichen Umstände es nicht zuließen. [1]
Dennoch lautet das Urteil des Historiker Peter Becker:
„Die Fotografie revolutionierte die Spuren- sicherung, die Auswertung der Spuren und die Kommunikation zwischen den unterschiedlichen Instanzen des Ermittlungs- und Strafverfahrens. Sie ermöglichte die Zirkulation von Beweismitteln ebenso wie von Portraits gesuchter bzw. zu identifizierender Verbrecher.“[2]

Lichtbild (9): Der Serienmörder von Düsseldorf. Lichtbilder von Peter Kürten

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[1] Peter Becker: Dem Täter auf der Spur. Eine Geschichte der Kriminalistik, Darmstadt 2005 S.65-88.
[2] Peter Becker: Dem Täter auf der Spur. Eine Geschichte der Kriminalistik, Darmstadt 2005 S.88.

Faszination Serienmörder (5): Fünf Fragen an Cornelius Schumann II

Cornelius Schumann II wurde 1951 in Bad Godesberg geboren und studierte zwischen 1977 und 1982 Kunstgeschichte, Völkerkunde und Rechtswissenschaften an der Universität zu Köln. 1982-1985 leistete er sein Referendariat am Landgericht Köln ab und beteiligte sich an der Konzeption des Drehbuchs seines Freundes und Kollegen Ulrich Hermanski für eine Dokumentation des WDR über Peter Kürten und übernahm sogar die Rolle des Verteidigers in der Umsetzung der Dokumentation. Seit 1987 ist er als Rechtsanwalt in Düsseldorf tätig, seit 2000 ist er Fachanwalt für Strafrecht. Sein Tätigkeitsbereich umfasst allgemeines und besonderes Strafrecht, Kapitaldelikte, Steuerstraftaten, Wirtschaftsstraftaten, Umweltstraftaten, Maßregelvollzugsrecht und Revisionsrecht.
Auch wenn seine Beschäftigung mit dem Fall Peter Kürten schon etwas länger zurück liegt (wenn man von einem Besuch im Projektseminar an der Heinrich-Heine-Universität in diesem Semester absieht), war er so freundlich fünf Fragen dazu zu beantworten.
1. Herr Schumann, Sie sind Rechtsanwalt und Strafverteidiger in Düsseldorf. Würden Sie das Mandat für die Verteidigung Peter Kürtens annehmen?
Ja, natürlich würde ich ein solches Mandat annehmen. Was sollte dagegen sprechen? Die Grausamkeiten der jeweiligen Taten? Die hohe Anzahl der Taten? Als Verteidiger mache ich mich doch nicht zum Spießgesellen des Täters. Es geht –auch in solchen Fällen- immer nur darum, der Rechtsprechung und damit der Gerechtigkeit auf die Füße zu helfen und dafür Sorge zu tragen, dass die strafprozessualen Rechte eines Angeklagten und das materielle Strafrecht von der Justiz beachtet werden.
2. Sie haben in einer WDR-Dokumentation den Verteidiger Kürtens gespielt. Wie verteidigt man einen Serienmörder?
Die Frage ist schwierig zu beantworten. Wenn man davon ausgeht, dass heute die Taten auf Grund der modernen technischen Möglichkeiten sicherlich leichter und überzeugender nachgewiesen werden würden, ist vermutlich ‚Schweigen‘ nicht der richtige Weg. ‚Schön reden‘ kann man die Taten aber auch nicht. Vermutlich würde ich eher versuchen wollen, im Bereich der Schuldfähigkeit anzusetzen. Dies könnte als Folge die Einweisung in die Psychiatrie nach sich ziehen, was gegebenenfalls auch die „angenehmere“ Form des Strafvollzuges sein könnte. Bei einer Verurteilung, die, wie das LG Düsseldorf seinerzeit von Schuldfähigkeit ausgeht, hätte der Täter heute mit lebenslanger Haft und anschließender Sicherungsverwahrung zu rechnen.
3. Sie haben zusammen mit Ihrem Freund Ullrich Hermanski am Drehbuch der Dokumentation gearbeitet: Was ist Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?
Ich erinnere mich besonders gerne an das spannende Aufarbeiten der damaligen Ermittlungsakten (Dokumente, Bilder, Zeitungsausrisse etc.) in den Räumen des Hauptstaatsarchives im Schloss Kalkum und die wirklich netten und kompetenten Mitarbeiter dort.

4. Hat die Beschäftigung mit dem Fall Peter Kürten Einfluss auf Ihre Arbeit als Strafverteidiger gehabt?
Natürlich erinnere ich mich das eine oder andere Mal an Dinge, die mit dem Fall Kürten in Berührung stehen. Dies aber weniger im Zusammenhang mit meiner Arbeit als Strafverteidiger, denn als Bürger dieser Stadt.
Wir hatten damals bei der Vorarbeit zum Film die Tatorte aufgesucht, auch um die jeweiligen Drehmöglichkeiten zu eruieren. Ich glaube, ich würde auch heute noch jeden Tatort finden. Jedenfalls weiß ich immer schön schaurige Geschichten zu erzählen, wenn ich an diesen Orten auf Spaziergängen vorbeikomme.
5. Wieso übt der Serienmörder Peter Kürten 80 Jahre nach seiner Hinrichtung immer noch eine Faszination auf uns aus?
Wir sind als Menschen wohl alle immer noch manchmal wie Kinder, die sich gerne gruseln wollen und die Vorstellung, dass es da jemanden gab, der Brände gelegt, Schwänen den Hals aufgeschlitzt, Blut getrunken und andere Menschen mit Hämmern und Scheren verletzt und getötet hat, erfüllt wohl dieses Bedürfnis. Anders als Dracula, Das Pendel und Freitag, der 13. ist „Kürten“ tatsächlich geschehen und gewesen und zeigt damit auch, was der Mensch fähig ist zu tun und nicht nur zu denken. Diese Erkenntnis und das damit verbundene Erschauern, denke ich, ist das Fesselnde an Geschichten über wahre Verbrechen.

Ehe (5): Auguste und Peter Kürten nach dem 25.Mai 1930

Für Auguste Kürten müssen die Ereignisse des 22., 23. und 24.Mai wie ein Albtraum gewesen sein. Erst der Verdacht der Vergewaltigung gegenüber ihrem Mann, das Auftauchen der Polizei auf der Arbeitsstelle, das Geständnis ihres Mannes und das Versprechen darüber zu schweigen, die Vernehmung bei der Kriminalpolizei, das Warten auf die Rückkehr ihres Mannes in die Adlerstraße und schließlich die Festnahme an der Rochus-Kirche vor ihren Augen. Binnen weniger Stunden zerschlagen sich ihre Hoffnungen, die aufgrund der Vergangenheit beider Eheleute schon nicht sehr hoch flogen.
Am 30.Mai 1930 sprach Oberregierungsrat Dr. Kopp mit Peter Kürten. Über seine Frau sagte er, dass ihr Schicksal das einzige sei, was ihm noch Gedanken mache. Er schilderte seine Liebe zu ihr, die sich trotz seiner Vergangenheit für ihn aufgeopfert habe. Wörtlich vermerkt der Bericht des Regierungsrats diese Aussage Kürtens: „Herr Rat, die Frau ist eine Heldin.“ Dr. Kopp hatte erwartet, dass Kürten beim Gespräch über seine Frau emotionaler werden würde, wie er es beim Gespräch mit dem Hannoveraner Serienmörder Haarmann über dessen Mutter erlebt hatte. Doch er wurde enttäuscht und erkannte bei Kürten nur „dieselbe eiskalte Ruhe, die Kürten bei der förmlichen Vernehmung gezeigt hatte“. Die Worte Kürtens über seine Frau klangen für ihn eher wie die eines Vorgesetzten, der einen Untergebenen lobt.[1]
Doch wenn auch Kürtens Worte Dr. Kropp nicht zu überzeugen vermochten, sollten seine Taten das ganze doch etwas deutlicher machen. Am 16.Juni 1930 fertigte Unter- suchungsrichter Dr. Hertel eine Aktennotiz zur ersten Vernehmung Kürtens an. Dessen erste Sorge war die Beleuchtung der Zelle, weswegen der nicht schlafen könne. Anschließend erkundigte er sich nach seiner Frau und äußerte erneut, dass er sich nur noch um sie Sorge. Er erkundigte sich, ob es möglich wäre, dass seine Frau einen Teil der Belohnung von 25.000 RM erhalte. Eine Antwort darauf konnte ihm der Untersuchungsrichter nicht geben.[2]
Am 24.Juni 1930 kam es schließlich in Gegenwart des Untersuchungsrichters und in Abwesenheit der Kriminal- beamten zu einer Begegnung mit Auguste Kürten, vermutlich im Gerichtsgebäude. Es war nicht Kürtens Wunsch seine Frau zu sehen. Der Richter fragte ihn erneut nach den Straftaten – und Kürten widerrief die Morde und Mordversuche, dafür wollte er keine Verantwortung übernehmen. Lediglich Brandstiftungen gab er zu. Am 27.Juni 1930 wurde dies noch einmal protokolliert. Kürten erklärte:
„Das sah ich […] den seelischen Zusammenbruch meiner Frau. Den wollte ich beendigen, und zwar so bald wie möglich.[…] Nach meiner Erinnerung saß doch die Frau zusammengekauert da, die Augen zu Boden geschlagen und schüttelte sich vor Schluchzen. Ich wiederhole also, ich würde mein Geständnis nicht widerrufen haben, wenn ich diese Gegenüberstellung nicht erlebt hätte.“[3]
Er erklärte weiter, dass er das Geständnis gemacht hätte, da er bei seinen Vorstrafen auch für einen Notzuchtversuch 15 Jahre bekommen würde und er deshalb weitere Mordtaten zugegeben habe, um seiner Frau die Belohnung für den Düsseldorfer Mörder zukommen zu lassen. Jedoch hätten ihn einige Äußerungen von Kriminalbeamten, Dr. Bergs und des Anstaltsarzts diese Hoffnung genommen, das dies geschehen werde. Also, so seine Aussage, gab es keinen Grund mehr ein „falsches“ Geständnis aufrecht zu halten. [4]
Der seelischen Zusammenbruch, den Kürten bei seiner Frau feststellte, blieb nicht ohne Folgen. Nach der Verhaftung Kürtens bat Auguste die Kriminalpolizei, so Kriminal-Polizeirat Momberg, um Hilfe bei der Suche nach einer neuen Wohnung, was außerordentlich schwierig war, da niemand eine Frau mit dem Namen „Kürten“ aufnehmen wollte. Auch wegen Arbeitslosen- bzw. Wohlfahrtsunterstützung sprach Auguste beim Amt in Begleitung eines Kriminal- beamten vor, allerdings war sie beim Arbeitsamt „nicht in bester Erinnerung.“ Am 26.Juli 1930 (das Datum scheint fraglich, s.u.) erschien sie erneut bei der Kriminal- polizei. Sie war in großer Aufregung, schrie und weinte, war nicht mehr zu beruhigen, verlangte ihren Mann zu sehen, um ihm etwas zu sagen und dann fortzugehen. Die Kriminalisten zogen ärztliche Hilfe hinzu. Dr. Baumeister bescheinigte:
„Frau Kürten befindet sich ein einem starken Erregungszustande und bedarf wegen der Gefahr eines Selbstmords (will weit weggehen, wo sie allein ist, hat keine Menschen nötig) sofortiger Anstaltsbehandlung.“[5]
Auguste Kürten wurde daraufhin in die Anstalt Grafenberg gebracht. Am 30.August 1930 kehrte ihr Mann zu seinem ursprünglichen Geständnis zurück.[6]
In den Gesprächen mit Prof. Sioli äußerte Kürten am 10.10.1930, dass seine Frau bereits am Tag nach der Festnahme zusammengebrochen sei und für zwei Wochen in die Anstalt nach Grafenberg gekommen sei. Danach entschloss sie sich zu Verwandten nach Leipzig zu fahren, wurde aber am Tag ihrer Abreise zu jenem geschilderten Gespräch mit ihrem Mann in Anwesenheit des Untersuchungsrichters gebeten. [7a] In der vierten Aussage am 5.7.1930 äußert sie, dass sie aus Leipzig kam, um in Düsseldorf auszusagen, sodass unklar bleibt, ob Mombachs oder Kürtens Zeitangaben zutreffender sind.[7b]
Am 27.10.1930 bat Peter Kürten Prof. Sioli, das Mitleid, dass er für ihn empfände auf seine Frau zu übertragen. Es wäre doch ungerecht, wenn seine Frau für das Büßen müsste, was er getan hätte.
„Ich habe mir schon manchmal hier gewissermaßen Vorwürfe gemacht, in letzter Zeit allerdings nicht mehr, daß ich meine Frau nicht auch umgebracht habe, dann hätte sie Ruhe gehabt und ich auch. Ich hatte damals [als er die Bitte zum ersten Mal äußerte, Anm. J.N.K.] darauf hingewiesen, daß dieses alles, dieser Berg von Schmach und Schande, den ich über meine Frau gebracht und womit ich meine Frau überhäuft habe, meine Frau besonders schwer treffen würde und sie besonders schwer zu leiden habe mit Rücksicht darauf, daß sie im Grunde genommen eine sehr empfindliche Seele ist, […]“[8]
Weitere Informationen über Auguste Kürten liegen nicht vor, auch sagen die vorhandenen Quellen nichts zur Frage der Auszahlung der Belohnung.
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[1] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.50.

[2] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.55.
[3] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.59.
[4] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.59ff.
[5] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.66.
[6] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.64 ff..
[7a] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.121.
[7b] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.94.
[8] Lenk / Kaever (Hg.): Peter Kürten, S.172.

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Die vollen bibliographischen Angaben, soweit hier nicht genannt, sind am unteren Ende der Seite aufgeführt.