Nach dem Mord an Rudolf Scheer lief Kürten zurück, um die Stiefel von Fingerabdrücken zu reinigen. Offensichtlich wusste er also von der Bedeutung dieser kriminalistischen Ermittlungsmethode. Für den regelmäßigen Zuschauer von Krimis in Kino und Fernsehen und den Leser von Kriminalromane ist diese Form der „heißen Spur“ fast alltäglich geworden.
Erste Vorschläge zur Verwendung von Fingerabdrücken erreichten 1888 das preußische Innenministerium. Noch 1897 allerdings, knapp 30 Jahre vor Kürtens Düsseldorfer Mordserie, bezweifelte der Heidelberger Professor Arthur von Kirchenheim die Anwendbarkeit des Fingerabdrucks als Identifizierungsmerkmal. Das Problem bestand darin, dass man die „chaotischen“ Abdrücke in einen numerischen Code transformieren musste, um einen gefundenen Fingerabdruck mit Vergleichsmustern überprüfbar zu machen.
Weitere Probleme waren die Anerkennung bei der Polizei selbst, die Ausrüstung der dezentralen und städtisch geführten Polizei (bis 1920) mit der Entsprechenden Einrichtung und die Anerkennung der Justiz für dieses neue Beweismittel. 1912 hatten von 1104 preußischen Amtsgerichtsbezirken 83% kein Einrichtung zur Erfassung von Fingerabdrücken. Erst in der Weimarer Republik begann man den Aufbau von Landeskriminalämtern, wo die Registraturen der Fingerabdrücke angesiedelt wurden, um die Arbeit der Kriminalisten zu vernetzen.
Die erste Aufklärung eines Mordfalles in Deutschland mithilfe der Daktyloskopie gelang 1914 in Dresden. Sachsen hatte bereits 1903 eine „Fingerabdruckzentrale“ eingeführt, nur zwei Jahre nach Scotland Yard. Am 4.Juli war die Beamtenwitwe Anna Maria Lehmann einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen. Die Spurensicherung, die mit Hilfe von Aluminiumpulver arbeitete, fand drei Fingerabrücke und stellte sie sicher. Diese Art des Vorgehens hatte der Kriminalist Robert Heindl veranlasst. Am 20.Juli – bisher waren die Ermittlungen der Polizei komplett im Sande verlaufen – vermeldet schließlich ein Kriminalbeamter eine Übereinstimmung zwischen den gefundenen und den in der Registratur vorhandenen Fingerabdrücken. Eine Schneiderin namens Müller wurde fesgtenommen, leugnete jedoch standhaft die Tat. Schließlich kam die Tat vor das Schwurgericht, das die Schneiderin schuldig sprach – wegen des gefundenen Fingerabdrucks.
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[1] Peter Becker: Dem Täter auf der Spur. Eine Geschichte der Kriminalistik, Darmstadt 2005 S.114-135.